Ingenhovens Bahnhof – eine Art Elbphilharmonie in Stuttgart?!
Auch zum Jahresbeginn 2020 gibt es Tage der offenen Baustelle. Es geht voran mit Stuttgart21. Ein Blick genügt auf die künftige Bahnsteighalle zu Füßen des 100 Jahre alten Bahnhofs von Paul Bonatz. Anders als bei Tobias Rehberger ist es keine Probegrube.
Ansichten von Kelchstützen
Ein Teil einer Kelchstütze offenbart Eleganz der Linien, räumliche Gestaltung und Meisterschaft in der Ausführung. In einem Bogenschwung wird die Seitenwand der Gleishalle erreicht.
Dieser Bogenschwung, in nächster Zukunft nach unten und innen fortgeführt, vermittelt einen dynamischen Raumeindruck.
Der Fuß der Kelchstütze ist 7,2 m hoch, die Blume darüber, der eigentliche Kelch 6 bis 6,5 m. Das geneigte, noch abgedeckte Glasdach, das sogenannte Lichtauge, misst 16 m im Durchmesser.
Hier ist der Stützenwald bereits zu ahnen. Nach Schließung des Dachbereichs entfallen die weißen Bausteifen. Auch die munteren Wilhelm-Busch-Buben werden dann nicht mehr da sein.
Künftige Bahnsteighalle mit einem Wald von Kelchstützen
Man blickt über die Bewehrung eines künftigen Bahnsteigs. Die Betonfläche rechts ist eine zeitweilige Abdeckung eines Gleispaares.
Die Dachkelche der Stützen mit der abgeschrägten Hutze, dem nach innen geneigten Betonring der Lichtaugen, sind allesamt Unikate. Das ansteigende Gelände erfordert jeweils eine etwas unterschiedliche Konstruktion.
Dieser Blick vermittelt bereits eine gewisse Vorstellung von der gewaltigen Wirkung der künftigen Bahnsteighalle. Das einzigartige Konzept von Christoph Ingenhoven ist nur realisierbar dank der analogen bautechnischen Konzeption von Werner Sobek. Das Ganze wird umgesetzt von meisterhaften Handwerkern. Wir sind Zeugen vom allmählichen Entstehen eines weltweit einmaligen Baues.
Für den neuen Stuttgarter Bahnhof fehlt noch ein Kosename. Da er vermutlich das Ansehen einer Art „Elbphilharmonie“ unter den Verkehrsbauten erreichen wird, verdient er ein Kürzel wie „Elphi“. Das wird sich im Kreis seiner künftigen Bewunderer schon finden.
Viele Infotafeln und gut unterrichtete Mitwirkende des Bauprojekts beantworten freundlich alle Fragen. Noch mehr ist bald in dem weinroten Infoturm zu erfahren.
Es braucht nur noch ein paar Jahre Geduld, bis wir in Stuttgart uns einer Riesenattraktion rühmen dürfen. Ein solches Plus im klassischen Wettstreit der Städte wird die schweren Geburtswehen des Projekts vergessen lassen. Das Gesamtkonzept Ingenhovens und sein Wald von 28 Kelchstützen bieten Stuttgart ein weiteres zukunftsweisendes Highlight der Architektur. Es führt die Reihe von Maßstab setzenden Projekten fort. Ich denke an die Weißenhofsiedlung, den Tagblatt-Turm, den Fernsehturm oder die Neue Staatsgalerie. Sie alle hatten ähnliche Akzeptanzprobleme wie Ingenhovens Bahnhof. Sie wurden anfangs ebenso wenig geschätzt bis bekämpft.
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INFOBOX – INFOTURM zu Stuttgart21
Rückblick und Ergänzung des Beitrags vom 4. Januar. Angeregt durch den aufmerksamen Architekten Jochen Hammer, präsentiere ich hier nach knapp 10 Jahren auch einen damaligen Vorschlag.
Das Bild mit meiner schematisch angedeuteten Infobox entstammt dem großen Vortrag „Bahnhöfe – Gleise – Parkanlagen / Stuttgarts Stadtentwicklung und Stuttgart21“, den ich am 24. November 2010 vor mehr als 500 Personen im Rathaus hielt. Und später noch mehrfach, u. a. vor der Handwerkskammer Region Stuttgart, Forum Region Stuttgart und Pro Stuttgart im Frühjahr 2011.
Die letzte, hier gezeigte Folie meiner PowerPoint-Präsentation wies auf die Notwendigkeit einer Infobox hin. Darin folgte ich Beispielen in Berlin und Hamburg. Stichwortartig sind ihre Aufgaben angedeutet.
Ohne Kenntnis konkreter Bauplanungen sah mein Vorschlag eine Infobox als Blickpunkt der Königstraße vor. Sie sollte direkt neben dem Bahnhofsturm stehen. Ich dachte an Zugänge von der Straße her und vom Balkon der oberen Bahnhofshalle.
An eine Realisierung glaubte damals außer mir wohl niemand. Aber gut Ding will Weile haben, speziell in Stuttgart. Nun wird die Box als ansprechender Turm nicht vor, sondern jenseits der Baugrube errichtet. Auch gut. Ich freue mich auf seine baldige Eröffnung.
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Weitere Schnappschüsse von Ingenhovens Projekt
Wegen des Andrangs an der den tagen der offenen Baustelle präsentiere ich noch einige weitere Schnappschüsse. Dass der Baufortschritt die Wissbegier steigert, war vorhersehbar. Nicht aber, dass die Zahl der Neugierigen sich gegenüber Anfang 2019 mit 64 Tausend annähernd verdoppeln würde. Das ist ein gutes Omen für die endgültige Akzeptanz von Stuttgart21.
Die Gleishalle mit fertigen Kelchstützen
Details von Kelchstützen
Gesamtsicht der Baustelle von der Willy-Brandt-Straße her
Ingenhovens Bahnhof – eine Art Elbphilharmonie in Stuttgart?! Glauben Sie das nun auch?
6. Januar 2020