Florenz – Michelangelo und Giambologna. In diesem Beitrag bin ich von den Uffizien bis zur Piazza della Santissima Annunziata unterwegs und begegne nur Meisterwerken.

Michelangelo als Maler

Florenz – Michelangelo und Giambologna

Im Mai 2018 konnte ich als befreundeter Kollege in der Tribuna der Uffizien Detailaufnahmen machen – vor dem Einlass der Besuchermassen. Deshalb durfte ich danach auch allein in der Sammlung bleiben. Zu den vielen Glücksmomenten gehörte es, diesen Hauptsaal menschenleer zu erleben. In der Mitte hängt Michelangelos Tondo. Ihn rahmen Szenen aus der Geschichte Josephs von Ägypten von der Hand seines Jugendfreundes Francesco Granacci (1469-1541).

Uffizien Michelangelo Tondo Doni

Dieser Tondo ist Michelangelos einzig gesichertes Tafelbild. Er entstand um 1506 für Angelo Doni, dessen gleichzeitiges Porträt von Raffael ein Glanzstück des Palazzo Pitti ist. Wie an Michelangelos Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle manches rätselhaft bleibt, so ist es auch hier. Nie hat es zuvor ein solches Verschränken der heiligen Figuren gegeben, nie ein solches Hinreichen und Entgegennehmen des Kindes. Nie sah man eine derartige Auffassung des alten Joseph, den man meist als matten Greis kennt. Joseph ähnelt hier im Typus eher einem Gottvater oder den Propheten der Sixtina. Rätselhaft ist auch die Präsenz der nackten Jünglinge. Neuartig sind die kräftige Farbigkeit, die zeichnerische Präzision und die Art der Faltengebung. Damit geht das Werk dem Manierismus der jüngeren Generation voraus. Mit alldem ist der Tondo eines der weltweit berühmtesten Gemälde.

Raub der Sabinerin

Florenz – Michelangelo und Giambologna Raub der Sabinerin

In MeToo-Zeiten kann man auf der Piazza della Signoria noch weniger als sonst unberührt am Raub der Sabinerin der Loggia dei Lanzi vorbeigehen. Aus einem Marmorblock geschlagen, ist er ein großes Meisterwerk von Giambologna (1529-1608). Der Künstler stammt ursprünglich aus Flandern und hieß Jean de Boulogne.

Giambologna und Michelangelo

Florenz – Michelangelo und Giambologna Merkur

Im Skulpturenmuseum des Bargello trifft der Besucher aus Stuttgart auf einen guten Bekannten. Es ist der Merkur von Giambologna, sein populärstes Werk. Der Windgott Zephir bläst Merkur mühelos in die Höhe. Das liegt an seinen Flügeln an Haube und Fesseln. Scheinbar schwerelos lassen sie den Götterboten emporschweben.

Jenseits des Merkur sieht man frühe Hauptwerke von Michelangelo und einem etwas jüngeren Konkurrenten. Der Bacchus von Michelangelo hebt die Weinschale und schwankt dabei. Die aus dem Lot geratene Körperhaltung ist eine geniale Erfindung in makelloser Ausführung. Rechts hinten ist der Bacchus des Jacopo Sansovino (1486-1570) zu entdecken. Im Wettstreit mit Michelangelo entstanden, tritt er weniger trunken und eher elegant in der Gestik auf. Zahlreich sind die sonstigen Schätze des Bargello. Für ihn spricht auch die geringere Besucherfrequenz als in anderen weltbekannten florentinischen Sammlungen und Kunststätten. Hier fällt noch links eine helle Marmorarbeit ins Auge. Es ist ein weiteres Meisterstück von Michelangelo: der Pitti Tondo aus der Zeit von 1503-05.

Bargello Giambologna Merkur und Sieg von Florenz über Pisa

In Stuttgart schmückt Giambolognas Merkur den Wasserturm bei der Alten Kanzlei. Der Schutzgott des Handels wird damit auf noch höherer Ebene als in Florenz geehrt. Unter freiem Himmel scheint er sich in die Lüfte erheben zu wollen.

Im Bargello steht im Hintergrund noch eine Arbeit Giambolognas. Wie der „Raub der Sabinerin“ gab Ferdinand I. auch sie in Auftrag. Die Skulptur bezieht sich auf eine alte Stadtrivalität. „Florenz besiegt Pisa“ ist das Thema. Bezeichnet wird sie auch als „Sieg der Tugend über das Laster“.

Piazza della SS. Annunziata

Florenz Piazza SS. Annunziata Brunelleschi

Die besonders schöne Piazza della Santissima Annunziata an einem bewölkten Tag. Wie weite Bereiche des Zentrums von Florenz ist dieser Platz für den Verkehr gesperrt. Überall entwickelt sich sofort ein reges Fußgängerleben.

Eine Platzseite nimmt das weltbekannte Findelhaus ein. Mit dem „Hospital der Unschuldigen Kinder“ (Ospedale degli Innocenti) startet die glanzvolle Laufbahn von Filippo Brunelleschi (1377-1446). Es ist der erste Profanbau der Frührenaissance und das erste Waisenhaus Europas. Andrea della Robbia (1435-1525) schmückt in den 1460er Jahren die Bogenzwickel mit Tondi. Sie zeigen Wickelkinder auf blauem Grund.

Das spielt auf eine Aufgabe de Findelhauses an. Neugeborene konnten an der hier sichtbaren Schmalseite des Arkadengangs anonym abgelegt werden. Durch eine Drehvorrichtung gelangten sie ins Innere des Gebäudes und waren gerettet. Das funktionierte bis 1875.

Innenhof des Findelhauses nach der kürzlich erfolgter Restaurierung.

Das neu geschaffene Dachcafé des Findelhauses ist ein Geheimtipp für Freunde der Stille mitten in Florenz.

Reiterdenkmal Ferdinand I. de‘ Medici

Florenz – Michelangelo und Giambologna Reiterdenkmal Ferdinand I

Von der Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz im Palazzo Grifoni Budini Gattai kann man dem berühmten Medici auf Augenhöhe begegnen.

Giambologna Reiterdenkmal Ferdinand I

Aus der Nähe gesehen, scheint sich der stolze Reiter über den Platz zu erheben. Der Fürst zu Pferde tritt deutlicher als Herrscher in Erscheinung.

Ferdinand I de' Medici in Herrscherpose

Herrschergemäß ist die gesamte Haltung, vor allem die der Rechten mit dem Kommandostab. Dem entspricht das rassige Ross mit entschiedenem Schritt. Ferdinand I. de‘ Medici (1549-1609) ist der Großherzog der Toskana. Das Denkmal entwarf Giambologna, vollendet wurde es 1608 von seinem Schüler Pietro Tacca (1577-1640).

Eine derartige Darstellung eines Herrschers zu Pferde geht letztlich zurück auf Kaiser Marc Aurel in Rom. Über zahllose Zwischenstufen klingt sie noch nach in Stuttgarter Reiterstandbildern. Ich denke an Graf Eberhard im Bart im Alten Schloss, an Kaiser Wilhelm I. auf dem Karlsplatz oder König Wilhelm I. vor der Alten Staatsgalerie.

Ferdinand I. und die Taube

FerdinandI de# Medici mit Taube

Die Herrscherattitüde mit dem Bastone (dem Kommandostab der Generalität) nimmt bei weiterer Nahansicht noch zu. Ferdinands Blick geht entschlossen in die Ferne. Fast so wie derjenige von Michelangelos David. Eine Taube sieht entspannter in ähnliche Richtung.