FLORENZ – Botticelli (1445-1510) mit Seitenblicken auch auf andere Vorbilder weiblicher Schönheit. Da geht es um eine in Stuttgart verschwundene Venus. Dann um eine Textpassage aus dem weltbekannten Roman „Asinus aureus“ von Lucius Apuleius, geschrieben in lateinischer Sprache vor rund 1850 Jahren, bei uns bekannt als „Der Goldene Esel“.

with side glances at other models of female beauty. One of these is Venus, who disappeared in Stuttgart. The other is a passage from the world-famous novel “Asinus aureus” by Lucius Apuleius, written in Latin around 1,850 years ago and known to us as “The Golden Ass”.

Florenz – Botticelli, Primavera, Detail der Grazien

Detail des folgenden. Die drei Grazien, Begleiterinnen der Venus, bewegen sich in einem Schreittanz mit hinreißender Anmut und – wie ihr Namen sagt – mit Grazie, die nicht zu überbieten ist. Sie tragen wesentlich zum Weltruhm des Gemäldes bei.

Detail of the following. The three Graces, Venus‘ companions, move in a screaming dance with ravishing grace and – as their name suggests – with a grace that cannot be surpassed. They contribute significantly to the painting’s worldwide fame.

Florenz – Botticelli: Primavera – Frühling

Florenz – Botticelli, Primavera, 1480/82, Uffizien

Flrenz, Uffizien: Sandro Botticelli, Primavera, 1480/82, Tempera auf Holz, 319 x 207 cm

Das rätselhafte Gemälde mit paradiesischer Anmutung malt Botticelli für die Medici. Es hat zahlreiche Deutungen erfahren und läßt sich nicht vollends erschließen. Nicht in unserer Leserichtung, sondern von rechts her ist es zu betrachten. Im Gartenreich des Frühlings steht in der Mitte Venus als seine Herrin, nicht nackt wie oft, sondern vornehm gekleidet. In den Figuren verkörpern sich die Monate März bis Mai.

Botticelli painted this enigmatic painting with a paradisiacal appearance for the Medici. It has been subject to numerous interpretations and cannot be fully understood. It is not to be viewed in our reading direction, but from the right. Venus stands in the middle of the Garden of Spring as its mistress, not naked as is often the case, but elegantly dressed. The figures embody the months of March to May.

Florenz – Botticelli, Primavera, 1480/82, Uffizien, Detail mit Flora

Eine bläuliche Gestalt fliegt zwischen Bäumen heran. Es ist der Westwind Zephir. Er ergreift die fliehende Nymphe Chloris, der daraufhin Rosen aus dem Mund quellen. Zephir heiratet die Nymphe, die sich in Flora neben ihr verwandelt. In blumengeschmückter luftiger Kleidung wendet sie sich dem Betrachter zu. Aus ihrem Gewandbausch streut Flora Rosen. In ihren Zügen ähnelt sie der Göttin der Liebe in der etwas später entstandenen „Geburt der Venus“, siehe unten.

A bluish, approaching figure is the west wind Zephir, who seizes the fleeing nymph Chloris by force, whereupon roses spill from her mouth. Zephir marries Chloris, who transforms into Flora beside her. Wearing a light robe decorated with flowers, she turns towards the viewer. She scatters roses from her robe. Her features resemble those of Venus in the somewhat later “Birth of Venus”, see below.

Sanfte Venus und gefährlicher Amor

Florenz – Botticelli, Primavera, 1480/82, Uffizien, Detail der Venus

Detail des vorigen. In der Mitte steht Venus, prachtvoll gekleidet, vielleicht das Bild einer Braut. Hinter ihr Lorbeer (lat.: laurus), was eine Anspielung auf einen Ehemann namens „Lorenzo“ sein könnte. Über Venus fliegt mit verbundenen Augen Amor als mächtiger kleiner Gott, der Glück wie Unglück auslösen kann. Gerade schießt er einen flammenden Pfeil ab, Hinweis auf brennende oder leidenschaftliche Liebe.

Detail of the previous one. In the center stands Venus, splendidly dressed, perhaps the image of a bride. Behind her is laurel, which could be an allusion to a husband named “Lorenzo”. Blindfolded, Cupid flies above Venus as a powerful little god who can cause both happiness and misfortune. He shoots a flaming arrow. This indicates burning or passionate love.

Detail des vorigen. Die Gestalten der Grazien sind eine einzige Augenweide und Huldigung an weibliche Schönheit. Weiter links vertreibt der Gott Merkur mit seinem Stab Wolken, um die Fortdauer des Frühlings zu gewährleisten. Ein Bild wie ein beglückender Traum und auch ein Sinnbild für die gesamte Kunst der florentinischen Frührenaissance.

The figures of the Graces are a feast for the eyes and a tribute to female beauty. Further to the left, the god Mercury drives away clouds with his staff to ensure the continuation of spring. A picture like a delightful dream and also a symbol for the entire art of the early Florentine Renaissance.

Florenz – Botticelli: Minerva und der Kentaur

Florenz – Botticelli, Minerva und Kentaur, Uffizien

Florenz, Uffizien: Sandro Botticelli, Minerva und der Kentaur, 1482/83, Tempera auf Leinwand, 204 x 147,5 cm.

Auch ein Medici-Auftrag, was an den drei Diamantringen, dem Wappenzeichen der Familie, auf dem Gewand zu erkennen ist. In zeitlicher und vielleicht auch inhaltlicher Nähe zur Primavera entstanden. Die große mythologische Gestalt der Frau mit einer Hellebarde, die wie eine Schwester der Flora des Frühlingsbildes wirkt, hält einen Kentaur am Schopf. Vernunft zügelt Wildheit, die zum Charakter dieses Mischwesens gehört.

Also a Medici commission, as can be seen from the three diamond rings, the family’s coat of arms, on the garment. Created close in time and perhaps also in content to the Primavera. The large mythological figure of the woman with a halberd, who looks like a sister of Flora in the spring painting, holds a centaur by the crest. Reason restrains wildness, which is part of the character of this hybrid creature.

Venus Medici in der Tribuna

Venus Medici, Uffizien, Tribuna

Florenz, Uffizien: Venus Medici, 1. Jahrhundert vor Christus, Marmor, 153 cm

Ich präsentiere die hellenistische Statue vom Typus der Venus pudica als Einstimmung auf Botticellis Geburt der Venus. Als eines der berühmtesten Exponate der Uffizien ist sie heute das Zentrum der Tribuna, des achteckigen Ausstellungsraumes aus dem späten 16. Jahrhundert.

I present the Hellenistic statue of the Venus pudica type as a prelude to Botticelli’s Birth of Venus. One of the Uffizi’s most famous exhibits, it is now the centerpiece of the Tribuna, the octagonal exhibition room from the late 16th century.

Venus Medici, hellenistische Umbildung der Aphrodite von Knidos des Praxiteles, um 350/40 v. Chr.

Die Venus Medici gehört zum Kreis hellenistischer Umbildungen der um 350/40 von Praxiteles geschaffenen Aphrodite von Knidos. Sie ist als Venus pudica dargestellt, die ihre Blöße etwas zu verdecken sucht.

The Venus Medici belongs to the circle of Hellenistic transformations of the Aphrodite of Knidos created by Praxiteles around 350/40. She is depicted as Venus pudica, trying to cover her nakedness.

Die verschwundene Venus von Stuttgart

Venus Medici, 1952 in Stuttgart, verschollen

Stuttgart, Schlossgarten: Venus Medici, Foto 1952

Verbreitet in Kopien weltweit, wird die Venus Medici um 1855 auch in Stuttgart aufgestellt. Man kann es sich kaum vorstellen, dass das damals in der Stadt Anstoß erregt. Die Skulptur überlebt den Krieg und wird 1952 neben dem Neuen Schloss in vollkommen unversehrtem Zustand fotografiert. Es ist unglaublich, aber sie ist verschwunden, vielleicht auch zerstört. Oder hat sie jemand in einen privaten Garten entführt?! Wer oder welche Behörde ist dafür verantwortlich?!

Diese Venus Medici gehört als öffentlicher Besitz in die heutigen Parkanlagen Stuttgarts. Recherchen nach ihr, auch auf meiner Website, haben bisher zu keinem Ergebnis geführt. Hinweise auf ihren Verbleib würde ich sehr begrüßen und natürlich absolut vertraulich behandeln.

Widely copied around the world, the Venus Medici was also installed in Stuttgart around 1855. It is hard to imagine that it caused an uproar in the city at the time and was forced to be moved. Surviving the war , it was photographed in 1952 next to the New Palace in a completely intact state. It is unbelievable, but she has mysteriously disappeared. Who or which authority is responsible for this?

This Venus Medici belongs as public property in the parks of Stuttgart today. Searches for it, including on my website, have so far yielded no results. I would very much welcome any information about its whereabouts and would of course treat it with absolute confidentiality.

Besucherschlangen

Wegen der Besucherschlangen suche ich im Oktober 2024 die Uffizien bereits um 8:15 Uhr auf. Zwei- bis dreihundert Leute sind schon da und verteilen sich ab 8:30 sofort in den ersten Ausstellungssälen bis hin zu Botticelli. Ab der Tribuna sind alle Galerieräume leer. Ein Augenschmaus und unvergleichliches Erlebnis, wenn man dieser Venus, Michelangelo, Leonardo, Raffael usw. für wenige Stunden allein begegnen darf.

Because of the queues of visitors, I visit the Uffizi at 8:15 a.m. in October 2024. Two to three hundred people are already there and immediately spread out from 8:30 in the first exhibition rooms up to Botticelli. From the Tribuna onwards, all the gallery rooms are empty. It is a feast for the eyes and an incomparable experience to encounter this Venus, Michelangelo, Leonardo, Raphael etc. alone for a few hours.

Florenz, Botticelli, Geburt der Venus, Detail des folgenden

Ein ähnlicher Ausschnitt der verträumt wirkenden Göttin schmückt im November 2024 den Umschlag des Kunstmagazins „art“. Verbunden mit dem Titel: „Was ist Schönheit? – Neue Antworten auf die größte Frage der Kunst“.

A similar detail of the dreamy goddess adorns the cover of the art magazine “art” in November 2024. Linked to the title: “What is beauty? – New answers to art’s biggest question”.

Florenz – Botticelli: Geburt der Venus

Florenz – Botticelli, Geburt der Venus, 1485/86, Uffizien

Florenz, Uffizien, Botticelli: Geburt der Venus, ca. 1485/86, Tempera auf Leinwand, 172,5 x 278,5 cm

Eigentlich handelt sich nicht um die „Schaumgeburt“ der Göttin der Schönheit und Liebe, sondern um ihr Hingleiten auf einer Muschel zum Land. Das veranlasst der Windgott Zephir. Botticelli präsentiert Venus als „pudica“, als schamhaft, orientiert sich – ähnlich wie die Skulptur in der Tribuna – an älteren Vorbildern. Damit feiert er erstmals seit der Antike die Schönheit einer nackten Frau. Die einfache zeichnerische Klarheit und Überschaubarkeit der Komposition, die den Betrachter wieder und wieder fesselt, lässt sich in der Vielfalt ihrer denkbaren literarischen Quellen nicht eindeutig bestimmen – trotz zahlreicher Versuche. Auf jeden Fall handelt es sich auch um ein Bild des Frühlings, in dem Liebe und Blumen besonders blühen und gedeihen.

It is not actually about the “foam birth” of the goddess of beauty and love, but about her gliding to land on a shell. This is caused by the wind god Zephir. Botticelli presents Venus as “pudica”, as shamefaced, based on older models, similar to the sculpture in the “Tribuna”. He celebrates the beauty of a naked woman for the first time since antiquity. The simple graphic clarity and the composition, which captivate the viewer again and again, cannot be clearly determined in the variety of its conceivable literary sources – despite numerous attempts. In any case, it is also an image of spring, when love and flowers blossom and flourish.

Florenz – Botticelli: Inspiration durch Apuleius ?

Florenz – Botticelli, Venus, inspiriert durch Apuleius ?

Botticellis Bild begleiten hier einige Sätze aus „Der Goldene Esel“. Im Zweiten Buch seines berühmten Hauptwerks schreibt Lucius Apuleius (um 123-nach 170), zitiert nach der Übersetzung von August Rode (1751-1837):

„Das Haar aber ist durch seine eigentümliche Schönheit dem Haupte, was den übrigen Gliedern kaum nur der gesuchte Schmuck lachender Farben und prachtreicher Kleider ist. Ja, will eine Schöne recht sich sehen lassen und in all ihrem Reiz erscheinen, so wirft sie die Bekleidung ab, jeglicher Schleier fällt: sie tritt allein in ihrer nackten Schönheit auf und vertraut mehr auf die Rosen ihrer Haut als auf das Gold ihres Gewandes. …

Und käme sie von dem Himmel hernieder, wäre sie aus dem Meere geboren und von den Wellen erzogen, ja wäre sie Venus selbst, umtanzt von den Huldgöttinnen … Im Gegenteil, was kann bezaubernder sein als ein Haar von schöner Farbe und blendendem Glanze, das hell in der Sonne blitzt oder nur einen sanften Wiederschein von sich gibt und durch wechselnde Anmut seinen Anblick vervielfältigt; das jetzt wie Gold schimmernd, sanft zur Farbe des Honigs sich verdüstert … Was kann man Edleres sehen, als wenn seine Fülle, in einem Schopf gewunden, … ringelnd über den Rücken hinabfließt?“

Hat Botticelli im gebildeten Kreis um Lorenzo il Magnifico diesen Text des antiken Autors vielleicht auch mit großem Vergnügen gelesen?

Botticelli’s painting is accompanied here by a few sentences from “The Golden Ass”. In the second book of his famous magnum opus, Lucius Apuleius (c. 123 – after 170) describes female beauty. Did Botticelli in the educated circle around Lorenzo il Magnifico perhaps also read this text with great pleasure?

Florenz – Botticelli: Frühlingswind

Die junge Frau in Zephirs Arm ist entweder Aura, die Göttin der Morgenbrise, oder wie bei Botticellis Primavera seine Frau Chloris/Flora, denn auch hier schweben Rosenblüten umher.

The young woman in Zephir’s arms is either Aura, the goddess of the morning breeze, or, as in Botticelli’s Primavera painting, his wife Chloris/Flora, for here too rose petals are flying around.

Detail des vorigen. Venus wird am Ufer von einer der Horen erwartet, auch sie wieder eine der Schönheiten des Künstlers. Da die Horen die Jahreszeiten verkörpern, könnte es sich hier um Thallo handeln, die Göttin des Frühlings, der Knospen und Blüten. Dazu passen ihr von Zephir bewegtes Gewand und der aufgeblähte Umhang, den sie für Venus bereithält.

Detail of the previous one. Venus is awaited on the shore by one of the Hores, another of the artist’s beauties. As the Horen embody the seasons, this could be Thallo, the goddess of spring, buds and blossoms. Her robe, moved by Zephir, and the puffy cloak she is holding for Venus fit in with this.