Albrecht Adam, Napoleon vor Regensburg VI: bildliche und literarische Darstellung. Das Gemälde in Hannover ist eindeutig die Erstfassung. Es wirkt so, als habe Adam mehr als 30 Jahre nach dem Ereignis seine alten Skizzen hervorgeholt. Mit dem Feldherrn in der Bildmitte und der Kulisse der fernen ummauerten Stadt ist die Hauptstruktur der Bildkomposition gefunden. Zwischen Napoleon und Regensburg befindet sich eine Ebene mit verschiedenen Truppenbewegungen. Alles spielt sich im Süden der Stadt ab. Adam fügt in dieser Erstfassung dem Hauptgeschehen Einzelmotive von hohem Rang bei. Es gibt links eine Gruppe gefangener Österreicher mit Reiter, der dem Betrachter näher ist als Napoleon und damit bildlich größer erscheint. Zwei Reiter neben Napoleon und zwei gestürzte Pferde beanspruchen gleichfalls große Aufmerksamkeit. Napoleon steht mit seinem Schimmel ALI auf gewelltem Gelände und damit zu großem Teil vor der optischen Unruhe des Schlachtfelds.

Albrecht Adam, Napoleon vor Regensburg VI: die endgültige bildliche Fassung

Albrecht Adam, Napoleon vor Regensburg VI: abschließend Text zu beiden Fassungen

In der Regensburger Endfassung lässt Adam das Gelände nach rechts hin ansteigen. Napoleon erhebt sich damit mehr über den Horizont. Links werden die Gestalten zusammengerückt und die Gefangenengruppe stärker integriert. Rechts bildet sich fast wie eine Art Chor ein militärisches Halbrund, aus dem nur der General mit dem Fernrohr herausragt. So schafft Adam einen Freiraum um Napoleon, in dem die herumliegenden Waffen sowie der tote Mensch und das tote Pferd stillebenartig die Mittel, die Folgen und die Schrecken des Krieges veranschaulichen und in den Vordergrund rücken. Es entsteht ein Schlachtenbild, das nicht nur den Sieger, sondern auch den Betrachter nachdenklich stimmt.

Albrecht Adam als Schriftsteller

Ich lasse allen Regensburg-Bildern weite Passagen aus Albrecht Adams Selbstbiographie (2018, 61 ff.) folgen, die nach seinen malerischen auch seine literarischen Qualitäten zeigen: 

„Am 23. früh rückte alles gegen Regensburg vor. Noch in der Nacht machten wir einen Theil des Weges und campirten vor einem Dorfe, dessen Namen ich nicht aufzeichnete. Während dieses Nachtmarsches vernahmen wir von einer nahen Anhöhe herab wahrhaft jammervolle Rufe von Verwundeten, welche hilflos auf dem Schlachtfelde liegen geblieben waren, was mir schauerliche Eindrücke erregte.

Die aufgehende Sonne verkündete einen schönen Tag, aber für Regensburg sollte es ein Tag des Schreckens und Entsetzens werden. Da auf der Hauptstraße der Truppenzug von Cavallerie und Artillerie sehr groß war, marschirten wir abseits quer über ein, außer mit vielen Tausend Todten auf mehr als eine Stunde weit mit Waffen und Armaturstücken übersäetes Feld. Gegen 8 Uhr kamen wir auf einer Anhöhe vor Regensburg an, und erblickten das Opfer dieses Tages, die würdige alte Stadt im Glanze der Morgensonne.

Beginn der Schlacht am 23. April 1809

Gegen 9 Uhr begann die Schlacht. Hier war es mir vergönnt, einen schönen Überblick über alles, was hier vorging, zu bekommen; denn von jener Anhöhe konnte man mit so scharfen Augen wie die meinigen fast jeden einzelnen Mann unterscheiden. Besonders imposant waren die ungeheuern Massen schwerer Cavallerie, namentlich die majestätischen Grenadiere à cheval anzusehen. Diese zogen in einem großen, doppelten Vierecke von immenser Ausdehnung in schräger Richtung über die Ebene; mir fielen dabei die Worte Schillers ein:

‚Schwer und dumpfig, / Eine Wetterwolke, / Durch die grüne Eb‘ne schwankt der Marsch, / Zum wilden eisernen Würfelspiel / Streckt sich unansehlich das Gefilde.‘

Das Geplänkel um die Stadt herum dauerte fort und fort. Inzwischen wurden verschiedene Batterien nahe vor die Stadt postirt, welche ihre furchtbaren Geschosse in dieselbe schleuderten.

Bald zeigten hohe Rauchsäulen und auflodernde Flammen die Wirkungen. Es brannte beinahe gleichzeitig in zwei verschiedene Richtungen und bei der herrschenden Windstille stieg der Rauch in röthlich-grauen Säulen himmelhoch, schauerlich-majestätisch empor. Da ich das alles gleichsam vor meinen Füßen vor sich gehen sah und ein Plätzchen fand, wo ich ungestört zeichnen konnte, packte ich sogar meine Farben aus und entwarf an Ort und Stelle ein Aquarell von dem brennenden Regensburg.“

Albrecht Adam, Regensburg am 23. April 1809 von Süden, Detail, Aquarell, 12,3 x 20 cm, Staatliche Graphische Sammlung München, Inv.Nr. 18782/41 – Etwas kontrastreicher als im Original, um besser lesbar zu sein.

Der 23jährige Künstler und Stallmeister zeigt die Umrisse der Stadtkulisse wie in den Gemälden, wenn auch unter leicht verändertem Blickwinkel. Und natürlich auch die beiden großen Brandherde, von denen Rauchschwaden aufsteigen. Halblinks sieht man weiter entfernt in hellgrau das große Dach des Doms, dessen Türme erst im späteren 19. Jh. gebaut werden.

Fortsetzung der Selbstbiographie

„Gegen Abend hatte man eine Bresche in die Stadtmauern geschossen. Und mit wahrer Todesverachtung begannen die Franzosen den Sturm und waren auch bald in die Stadt eingedrungen. Der Kampf dauerte nun in den Straßen fort, bis die Österreicher Schritt für Schritt zurück über die Brücke auf das jenseitige Ufer der Donau geworfen waren. Bei diesem Gefechte wurde die ganze Vorstadt Stadt am Hof ein Raub der Flammen. – 

Albrecht Adam, Napoleon vor Regensburg VI: bildliche und literarische Darstellung

Albrecht Adam, Napoleon vor Regensburg VI: hier Adams Äußerungen zur Schlacht und zu Napoleon.

Napoleon [Detail des Regensburger Bildes], welcher den ganzen Tag hindurch anwesend war und allenthalben gesehen wurde, stand gegen Abend nicht ferne von mir auf der Anhöhe mit einer ungeheuren Suite von mehr als hundert Köpfen; fast alle Generäle mit ihren Adjutanten hatten sich in einer Entfernung von etwa 40-50 Schritten hinter ihm versammelt. Das Ganze war prachtvoll von der Abendsonne beleuchtet. Unverwandt blickte er nach der Stadt in das mittlerweile bedeutend gewachsene Feuer. Er schien mir unheimlich, ich dachte an Nero [d.h. an den Brand von Rom im Jahr 64 n. Chr.]. …“

Das obige Zitat nach Schiller ist der Beginn der Ballade In einer Bataille, verfasst 1782 und ganz Sturm und Drang. Im gleichen Jahr flieht der junge Dichter aus Stuttgart. Und im gleichen Alter von 23 Jahren erlebt Adam die Schlacht um Regensburg. Als reifer Mann malt er, als alter Mann beschreibt er sie. Zu den Schlachten um die Stadt passt auch das Ende der Ballade:

„Entschieden ist die scharfe Schlacht, / Der Tag blikt siegend durch die Nacht! / Horch! Trommelwirbel, Pfeifenklang / Stimmen schon Triumfgesang! / Lebt wohl ihr gebliebenen Brüder / In einer anderen Welt wieder.“