Pietro Tacca und La Petraia: weitere Kunst in Stadt und Land im Auftrag von Großherzog Ferdinand I. de‘ Medici.
Ferdinand I. de‘ Medici und sein Staatsverständnis
An den letzten Beitrag anschließend, präsentiere ich Großherzog Ferdinand I. zeitgemäß mit drei Smartphone-Benutzerinnen, die ihn kaum bemerken dürften. Der noble Bau an der Piazza della Santissima Annunziata ist der Palazzo Grifoni (seit 1889 Budini Gattai) von Bartolomeo Ammanati (1511-1592), entstanden in den 1560er Jahren. Heute hat darin die Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut ihren Sitz. Im schönen Garten findet sich eine Venus von Syrakus von Giovanni Bandini (um 1540-1599).
Erstmals werfe ich einen genaueren Blick auf den Sockel des Reiterstandbilds.
Auf der Rückseite des Reiterdenkmals von Ferdinand I. ist seine Imprese zu sehen. Sein von ihm 1587 beim Regierungsantritt gewählter Wahlspruch in Verbindung mit einem Sinnbild sieht so aus: es sind die Worte MAIESTATE TANTVM und darunter ein sonnenartig geordneter Schwarm von 90 Bienen um die Königin in der Mitte. Gestaltet hat das Pietro Tacca (1577-1640).
Das Bienenbild unter der Devise „Durch Majestät allein“, die auf den antiken Autor Plinius d. Ä. zurückgeht, ist Ausdruck des Herrschaftsverständnisses von Ferdinand I.. Im Staat solle alles anlog zur Art des wunderbar geordneten Zusammenwirkens von Bienen zugunsten ihrer Königin funktionieren.
Heute muss man das Wort Majestät durch Demokratie ersetzen. Dabei darf man hoffen, dass Bienen in solchen Mengen überleben werden, um weiterhin in einem so einfachen wie schönen Sinnbild eine allgemeinverständliche Idealvorstellung von menschlicher Ordnung vermitteln zu können.
Brunnen von Pietro Tacca
Pietro Tacca ist auch der Schöpfer der beiden wunderbaren Brunnen von 1629. Ursprünglich waren sie als Ergänzung vorgesehen für das Denkmal Ferdinands I. in Livorno, das die berühmten vier gefesselten Mauren zeigt. Es kam jedoch nie zum Transport in die Hafenstadt. Stattdessen fanden die Brunnen ihren Platz in der Mittelachse der Piazza SS. Annunziata.
Jeweils sprudeln miteinander verflochtene Meeresmonster sich wechselseitig einen Wasserstrahl entgegen.
Die ein wenig unheimlich wirkenden Wasserwesen sind dank ihrer phantasiereichen Ausschmückung faszinierende Gestalten. Das vertikale Paar, in dem menschliche, affen- und schlangenartige Züge verschmelzen, richtet seine Wasserstrahlen in die Bauchmulden der horizontalen, eher fischartigen Tiere, deren Wasserstrahl auf sie selbst trifft.
Pietro Taccas Meisterwerke der Brunnenkunst könnten genauso gut eine prachtvolle Gartenanlage schmücken, überraschen und erfreuen daher umso mehr im städtischen Umfeld.
Villa La Petraia
Die Exkursion zu der Medici-Villa im Mai 2018 fand statt im Rahmen einer Toskana-Reise, wie sie regelmäßig für die Mitglieder vom Förderverein – Kunsthistorisches Institut in Florenz e. V. veranstaltet wird.
Die Villa La Petraia im Florentiner Ortsteil Castello liegt am Fuß des Monte Morello und bietet eine weite Sicht über Stadt und Land.
Erbaut wurde die Villa zwischen 1576 und 1591 für Ferdinand I. de‘ Medici, vermutlich von seinem Lieblingsarchitekten Bernardo Buontalenti (1531-1608). Die Landresidenz hat einen quadratischen Grundriss mit Innenhof und Loggien unter Beibehaltung des älteren Wehrturms. Mit ihren dreifach terrassierten Gartenanlagen bewahrt sie die Grundstruktur des 16. Jh.
Mit 13 weiteren toskanischen Villen und Gärten der Familie Medici zählt La Petraia seit 2013 zum UNESCO-Welterbe.
Die Hauptterrasse schmückt ein Brunnen mit einem weiteren Meisterwerk von Giambologna, einer Venus, die sich das Haar auswringt.
Das in die Villa versetzte Original der „schaumgeborenen“ Venus zeigt noch deutlicher den sinnlichen Reiz der anmutig bewegten Gestalt. Die Göttin der Schönheit drückt und wringt ihr langes Haar derart, dass sich ein feiner Wasserstrahl in die Brunnenschale ergießt.
Wegen des abfallenden Gartengeländes kann die ganze Villenfront nur von der Seite aufgenommen werden. Sie offenbart durch eine ruhige, rhythmisierte Gliederung der wechselnden Abstände der Fenster und ihrer Formen noble Eleganz und große Meisterschaft des Architekten.
Die auch noch nach Ferdinand I. weiter ausgestaltete Villa, in der im 19. Jh. gerne Vittorio Emanuele II., Italiens erster König, lebte, hat laut Auskunft des Personals nur etwa 10 Tsd. Besucher pro Jahr. Dennoch ist sie stets geöffnet und als UNESCO-Welterbe kostenlos zugänglich.
Wäre das auch bei uns so? Hier, wo mehr und mehr der Rang einer Institution nach ihrem Besucherandrang bemessen wird?!
Rückkehr nach Florenz und Abschied
Dieses Bild vereint Anfang und Ende der Stippvisite nach Florenz: die Domkuppel und Großherzog Ferdinand I. mit seinem geordneten Bienenschwarm.
Zum Schluss der vierteiligen Florenz-Reihe, die eine Einstimmung in die Art meiner künftigen „Reisebilder“ sein kann, gehe ich am Abend zum Arno. Bereits außerhalb des alten Stadtkerns blicke ich vom Ponte Amerigo Vespucci in Richtung Osten zur Flusswehr Pescaia di Santa Rosa. Wie der Name nahelegt, wird dort noch heute gerne geangelt. Weit dahinter sind Arnobrücken zu sehen: am höchsten und fernsten der Ponte Vecchio. Links davon ragt der Turm des Palazzo Vecchio empor, rechts davon, nicht ganz so weit weg, der Turm von Santo Spirito.
Den Ausklang macht zu späterer Stunde ein Blick flussabwärts von dem Ponte alla Carraia auf die Pescaia di Santa Rosa.