Albrecht Adam, Graf Beroldingen, Detail des bislang unveröffentlichten Reiterbildnisses. Es zeigt ein hochrangiges Mitglied des württembergischen Hofstaates von König Wilhelm I. in der Generalsuniform des Ulanen-Regiments.
Albrecht Adam, Joseph Graf von Beroldingen zu Pferde, um 1830, Blatt 73 x 54,5 cm, Bild 52,2 x 43,4 cm, u. bezeichnet: Gemalt v. Albrecht Adam / Lith. v. Fr. Adam, Sammlung und Foto Ludwigsburg Museum. Drei Funktionen des Dargestellten werden aufgelistet, gefolgt von „und und und“.
Länger schon in Kenntnis der hier erstmals präsentierten, hervorragenden Lithographie des blutjungen Franz Adam, hoffte ich natürlich darauf, auch das verschollene Gemälde von der Hand seines Vaters aufzuspüren. Während der Vorbereitung dieser Beiträge taucht es unvermittelt in Privatbesitz auf.
Ein gut aussehender, intelligenter, gewiss entschlusskräftiger und durchsetzungsstarker Mann von 50 Jahren blickt den Betrachter sehr direkt an. Ungewöhnlich ist das bei einem Reiter. Besonders dann, wenn dessen Pferd aufsteigt. Der Reiter wird stets sein Augenmerk in die Bewegungsrichtung des Schimmels lenken. Insofern ist dieses Auftreten vermutlich auf einen ausdrücklichen Wunsch Graf Beroldingens zurückzuführen. Auf jeden Fall zeugt es von seinem Selbstbewusstsein. Verschiedentlich finden sich vergleichbare Haltungen von Pferd und Reitern bei Herrscherpersönlichkeiten, hier bei Napoleon oder König Ludwig XIV
Albrecht Adam, Graf Beroldingen – Reiterstolz eines vielfach Ausgezeichneten
Albrecht Adam, Joseph Graf von Beroldingen, 1830, Öl auf Leinwand, 75 x 61,5 cm, u. r. sign. und dat., Privatbesitz
Graf Beroldingen (Ellwangen 1780-1868 Stuttgart) kommt nach guter Ausbildung und kurzem Jurastudium früh zur österreichischen und 1803 zur Württembergischen Armee. In den Koalitionskriegen wird er Generalmajor und 1812 im Russlandfeldzug Verbindungsoffizier im Hauptquartier Napoleons. In den Befreiungskriegen ist er bevollmächtigter General im Hauptquartier der Koalition gegen Frankreich. Er wird Gesandter des Landes in London, anschließend in St. Petersburg. Von 1823 an ist er für 25 Jahre württ. Außenminister und damit Mitglied des Geheimen Rats.
Adam könnte Graf Beroldingen schon während des Russlandfeldzuges kennengelernt haben. Als er sich 1829/30 in Stuttgart aufhält, um Vollblutaraber des Kgl. Privatgestüts zu porträtieren und auch Reiterbildnisse des Königs und von Herzog Alexander auszuführen, wünscht auch der Außenminister in entsprechender Weise verewigt zu werden. Er tritt hier ähnlich anspruchsvoll wie sein kgl. Dienstherr auf – doch mit weit mehr Orden. Das rührt daher, dass er herausragend ist als Staatsmann, hochrangiger Militär, Politiker im In- und Ausland und wohl vor allem als großer Diplomat.
Adams Darstellung ist von bestechender Eleganz. Das Vornehme des Reiters wird durch die kostbare Decke hervorgehoben, die über dem Sattel liegt. Und auch einen solch edlen Schimmel nennt nicht jedermann sein eigen. Es liegt nahe, dass Wilhelm I. Verwandten wie Herzog Alexander und auch vertrauten Mitgliedern seines Hofstaates Schimmel aus dem kgl. Marstall überlässt.
Porträtiert in ihrer Pferdeschönheit von einem Spezialisten wie Albrecht Adam und verbreitet in Lithographien verbinden sich Bekanntmachung des Dargestellten und der kgl. Pferdezucht mit dem wachsendem Ansehen des Künstlers. Eine Win-win-Situation, lange bevor es diesen Begriff gibt.
Schloss Horn
Graf Beroldingens Domizil in Stuttgart ist ein Treffpunkt der Eliten seiner Zeit. Ob unser Gemälde sich zunächst dort befindet, wissen wir nicht. Später aber gehört es zur Ahnengalerie von Schloss Horn. Hoch über dem Leintal auf einem Bergvorsprung gelegen, führt ein Flecken mit einigen Bauernhöfen den gleichen Namen. Als Ortsteil gehört Horn zu Göggingen nordöstlich von Schwäbisch-Gmünd.
Das kleine, gut proportionierte Sommerschloss von 1760 mit 9 Fensterachsen und schönen Raumfluchten befindet sich von 1789 bis 1954 in Beroldingischem Besitz. 1789 erwirbt es der Vater des Dargestellten, der Diplomat Paul Joseph Graf von Beroldingen (1754-1831). Er ist im Alter 1. Kammerherr und Oberhofmeister von Königin Katharina. Auch über ihn könnte Adam an den Auftrag für sein Reiterbildnis gekommen sein.
Schloss Horn im Vorland der östlichen Schwäbischen Alb, schon länger verlassen und leer, wartet als Kulturdenkmal an einem besonderen, fast verträumt wirkenden Ort in seinem Dornröschenschlaf auf eine Sanierung und neue Aufgabe.
Das Detail zeigt möglicherweise das Tal der Lein.
Diese Vermutung bestätigt sich bei einem Besuch. Die früheren landwirtschaftlichen Flächen zuseiten des schmalen Flusses und der benachbarten Hänge sind von oben wegen dichten Baumwuchses nicht mehr zu sehen. Aber einzelne Hügelkuppen und der Kontur des Waldsaumes lassen keinen Zweifel daran, dass Albrecht Adam hier die lokale Situation bei Horn wiedergibt. Damit dokumentiert das Gemälde auch den ehemaligen Charakter eines stillen, noch immer schönen Tals.
Das Gemälde wurde vor kurzem erworben vom Landesmuseum Württemberg in Stuttgart und in fachlich beispielhafter Weise veröffentlicht: Almut Pollmer-Schmidt und Matthias Ohm, Hoch zu Ross und hoch dekoriert, Ein Reiterbildnis des Joseph Ignaz Graf von Beroldingen von 1830, in: Schwäbische Heimat, Magazin für Geschichte, Landeskultur, Naturschutz und Denkmalpflege, 75. Jg, 2024|2, S. 11-17 sowie Matthias Ohm und Almut Pollmer-Schmidt, „mit den höchsten Auszeichnungen und Orden beehrt, …auch sonst mit Orden beinahe aller Länder geschmückt“ – Joseph Ignaz Graf von Beroldingen im Reiterbildnis, in: Orden und Ehrenzeichen 26 Jg., Nr. 150, April 2024, S.96-100.