Schloss Fachsenfeld VI – Stuttgart, Landhaus Rebenberg II: der Bau. Das Landhaus Rebenberg in Stuttgart von Osten, © Stadtarchiv Aalen, Stiftung Schloss Fachsenfeld, N KOE 615, Aufnahme um 1867/68
Elisabeth bzw. Elise von Koenig (1805-1861) lässt sich 1838 ihr Haus an herausragender Stelle errichten. Es ist das erste seiner Art außerhalb des eigentlichen Stadtbereichs von Stuttgart.
Ludwig Zanth
Der Architekt ist der weitgereiste und gebildete Ludwig Zanth (Breslau 1796-1857 Stuttgart). Er entstammt einer kultivierten jüdischen Arztfamilie namens Zadig, die 1802 zum evangelisch Glauben übertritt und sich ab 1820 Zanth nennt. 1807 Übersiedlung nach Kassel (Vater Leibarzt von Königin Katharina von Westphalen aus Stuttgart), sehr gute Ausbildung. 1813 Stipendium für Paris, anschließend Gymnasium illustre in Stuttgart mit Studium alter Sprachen. Ausbildung zum Architekten, ab 1820 in Paris. Mehrjährige Studien antiker Bauten mit Jakob Ignaz Hittorff (1792-1858) in Italien, vor allem in Sizilien; Nachweis der Farbigkeit antiker Bauten, Mitherausgeber wichtiger Publikationen; mit den Jahren Mitglied mehrerer Akademien im In- und Ausland. Seit 1830 in Stuttgart. 1832 Promotion in Tübingen über „Wohnhäuser zu Pompeji“.
Xaver Franz Milz (1765-1833), Ludwig Zanth, Miniatur, um 1830, Landesmuseum Württemberg,Foto P. Frankenstein / H. Zwietasch
Zanths Arbeiten in Stuttgart sind u. a. das Wilhelma-Theater, 1837 das Landhaus für Oberststallmeister Wilhelm von Taubenheim in Degerloch an der Oberen Weinsteige (heute als „Zanth“ kaum mehr erkennbar) und 1838 Villa Rebenberg. Seit 1843 ist Zanth Hofbaumeister. Im Jahr darauf erhält er den Kronorden und damit den persönlichen Adel. Sein Hauptwerk wird die maurische Wilhelma, die private Gartenanlage für König Wilhelm I., bekannt auch als Schwäbische Alhambra. Eröffnet wird sie partiell 1846 und von Zanth 1855 in Großformat bekannt gemacht.
Ein Haus auf dem Land
Ferdinand von Koenig (1834-1900), Landhaus Rebenberg, Juni 1850, u. r. bez. und dat., Stadtarchiv Aalen, Stiftung Schloss Fachsenfeld, N KOE 583, Skizzenbuch Ferdinand von Koenig, Bl. 2
Ferdinands Sohn Franz von Koenig (1866-1918) schreibt in seiner Fachsenfelder Chronik, Regesten der Koenigschen Familie, Band 1, S. 218: Die 4t. Schwester Elisabeth, als Tante Lilli in der Familie bekannt, war verwachsen. Was ihr an Schoenheit fehlte, hat sie durch Geist ersetzt. Koenig Wilhelm I soll einmal gesagt haben, ‚wenn ich einen einzigen Minister haette, der so gescheidt waere, wie die Lilli Koenig auf dem Rebenberg, dann koennte ich mich freuen.‘ – Vielleicht zeigt sich diese Gescheitheit auch in der Wahl ihres Architekten.
Landhaus Rebenberg, Foto um 1867/68, © Stadtarchiv Aalen, Stiftung Schloss Fachsenfeld, N KOE 615
Knapp 30 Jahre nach Entstehung des Landhauses fällt eine Veränderung auf. Die Lauben zuseiten des Vorbaus der Hauptfassade sind im Gegensatz zur Entstehungszeit geschlossen und dunkel gehalten. In Richtung Südwesten erkennt man tiefer liegend die Reiterkaserne und den Turm der Zuckerfabrik – heute Bahngelände und Gebiet des Europaviertels. Rechts vom Landhaus ist ein Wirtschaftsgebäude mit Satteldach auszumachen.
Ein Landhaus mit Gartenanlage
Landhaus Rebenberg von Südwesten, © Stadtarchiv Aalen, Stiftung Schloss Fachsenfeld, N KOE 615, Foto um 1867/68
Ohne Kenntnis der hier präsentierten Materialen aus Schloss Fachsenfeld hat Michael Wenger M. A. eine gute Würdigung des Landhauses verfasst. Zu finden in: Karl Ludwig Zanth, Der Erbauer der Wilhelma in seiner Zeit, Ausst. Kat. Haus der Heimat Baden-Württemberg, Stuttgart 2012, S. 86 ff.
Elise von Koenig, Landhaus Rebenberg, um 1840/50, Aquarell, u. l. sign., 19,7 x 26,4 cm, Aalen-Fachsenfeld, Stiftung Schloss Fachsenfeld
Mit dieser kleinen Arbeit feiert die Hausherrin mit eigener Hand ihr Domizil. Der Bau ist nicht sehr groß, seine Lage aber traumhaft. Noch gibt es unterhalb des Rebenhügels keinen nennenswerten Zugverkehr.
Rückseite des vorigen: Rebenberg von Tante Lilli gemalt gehört Frau Baronin – von Zanth erbaut. Das Foto zeigt die ehem. Ludwigsburger Straße entlang des Bahndamms nach Cannstatt. Oben hdschr. Vermerke mit Bleistift, z. T. ausradiert, leicht erkennbar u. a. 1826 und Majorat Fachsenfeld.
Landhaus Rebenberg, Speise- oder Gartensaal, verformtes Foto um 1863, Stadtarchiv Aalen, Stiftung Schloss Fachsenfeld N KOE 615
Zanths Landhaus war eine der geschmackvollsten Villen Stuttgarts. Der quadratische Hauptsaal mit gut 60 qm Fläche verrät seine Begeisterung für pompejanische Wandmalereien. Lichtfülle schenken nicht nur die Glasflächen der Mittelfront, sondern auch die geöffneten Doppeltüren zur Laube und zum benachbarten Wohnzimmer.
1910 muss der Bau leider den Erfordernissen der Bahn weichen. Er wird abgebrochen und sein Gelände abgetragen, um die Verbreiterung der Gleisflächen zu ermöglichen. Stünde das Landhaus noch, so befänden sich seit den 1950er Jahren hinter ihm die vier Eisenbahnerhochhäuser von Helmuth Conradi.