Artemisia in Italien – Judith in Israel: eine harte Befreiungstat, gemalt von Artemisia Gentileschi, die sich wohl damit auch selbst befreite von schlimmen Albträumen.

Ein grausiges Bild von Gewalt und Entschlossenheit.

Das Geschehen steht nicht im Zusammenhang mit der MeToo-Debatte. Der Mann ist nicht Harvey Weinstein, noch ein sonst Übergriffiger unserer Zeit. Auch die beiden Frauen – eine reich Gekleidete mit kräftigen Armen und ihre Dienerin – sind für uns unbekannte Gesichter.

Aber die Darstellerin dieser Szene kennen wir. Es ist die Malerin Artemisia Gentileschi (Rom 1593 – 1653 Neapel), eine große Künstlerin des italienischen Barock, die sich zu Lebzeiten Anerkennung erringt, dann aber für Jahrhunderte in Vergessenheit gerät.

Ihren drei Brüdern als angehende Malerin überlegen und von ihrem Vater, dem Maler Orazio Gentileschi (1563-1639), gefördert, geht sie zu dessen Kollegen Agostino Tassi (1580-1644) in die Lehre. Mit 18 wird Artemisia von Tassi vergewaltigt und im sich anschließenden Prozess noch vielfach erniedrigt. Sie läßt sich jedoch nicht brechen.

Mit dem alttestamentarischen Thema Judith enthauptet Holofernes hat sich Artemisia mehrfach beschäftigt – hier ein Ausschnitt aus dem Gemälde in den Uffizien. Drastischer ist das Geschehen kaum vorstellbar. Die Magd drückt Holofernes mit aller Kraft auf das Lager. Obgleich kräftig, kann Judith das schwere Schwert nicht als Hiebwaffe einsetzen, sondern sie nutzt es mit Anstrengung und Abscheu und schneidet dem trunkenen Holofernes mühsam den Hals durch. Blut fließt und spritzt.

Die schreckliche Szene ist ein Befreiungsakt: Judith rettet durch die Ermordung des assyrischen Feldherrn ihr Volk Israel und Artemisia heilt vielleicht ein wenig eigene Erfahrungen.

 

Kommentare

A. B. L. Kein Wunder bei der Biographie…da würde ich auch nur wahlweise dieses Thema oder die Enthauptung des Johannes wählen.
 
Christian von Holst Im Gegensatz zu Holofernes war aber Johannes d.T. ein tugendsamer Vorläufer Christi, der nur enthauptet wurde, weil er den Reizen der Salome widerstand. Vgl. dazu die wunderbare Oper „Salome“ von Richard Strauss mit dem verführerischen „Tanz der sieben Schleier“.

Donatello und Ghirlandaio

Das Thema „Judith enthauptet Holofernes“ ist öfters anzutreffen. Bei Donatello (1386-1466) vor dem Palazzo Vecchio fehlt die Magd. Judith zieht den trunkenen Feldherrn an seinen Haaren halb in die Höhe, wobei sie ihn mit ihrem Bein stützt. Gerade holt sie zum tödlichen Hieb aus.

Dieses Meisterwerk, das in den 1450er Jahren als Brunnenfigur für den Garten des Palazzo Medici entstanden war, stellten die Florentiner nach der Vertreibung der Familie 1495 als Freiheitssymbol vor den Palazzo della Signoria. 1504 kam Michelangelos David dorthin. Auch David durchlebt einen Moment unmittelbar vor seiner Befreiungstat. Beide Standbilder stehen nun nebeneinander vor dem Palazzo Vecchio als frühere Symbole für den Freiheitswunsch des Florentiner Stadtstaates. Dabei schränkt die Prominenz des David und der Größenunterschied der beiden Skulpturen die Aufmerksamkeit für Donatellos vielschichtiges Spätwerk leider ein.

Neben der Enthauptung war die Rückkehr von Judith und ihrer Magd ein beliebter Bildgegenstand. Da ließen sich gut zwei gemeinsam mutige und tatkräftige junge Frauen zeigen. Domenico Ghirlandaio (1448-1494) stattet sie in dem kleinformatigen Tafelbild der Uffizien mit fast tänzerischer Anmut aus.