Ronchamp – Kapellen am Morgen. Am 28. Juni 2018 waren wir ab 9 Uhr auf dem Hügel Bourlémont für eine Stunde allein. Dann erst kamen wenige Besucher. Es gab eine total andere Stimmung als abends zuvor. Ronchamp strahlte. In der Kapelle Notre-Dame-du-Haut, dem Meisterwerk von Le Corbusier, wirkte alles hell und klar und vielfach leuchtend. Und selbst rau verputzte Wände waren daran beteiligt..

Südseite und Hauptturm

Hier blicke ich an der Westwand entlang in Richtung des 27 m hohen Hauptturms. Der gerundete Kapellenraum an dessen Fuß erhält seine Helligkeit von sog. „Sonnenfallen“. Das sind die vertikalen Lichtöffnungen in der glatten Wandfläche auf der Nordseite oben im Turm. Das verursacht diese Lichtfülle und Lichtpracht indirekter Art.

Hier gibt es um 11 Uhr einen kleinen Gottesdienst. Sechs unterhalb der Kirche lebende Klarissen und der Kaplan begehen ihn unbeirrt von den Architekturbewunderern. Insgesamt 12 Personen nehmen teil. Die z. T. alten Nonnen tragen die Bänke selbst vor den Altar und stellen sie auch wieder zurück. Das Ganze war ein intimes Ereignis von hoher spiritueller Dichte bei schönster Akustik.

Das Nebeneinander von zurückgeneigter Hauptwand, gemäldeartiger Kirchentür und rätselhaft belichteter Kapellennische offenbart Le Corbusiers Kraft und Freiheit der Gestaltung. Obgleich alles rau und scheinbar roh mit Spritzbeton verputzt ist, ergibt sich dennoch ein feines Zusammenspiel der verschiedenen Bereiche.

Turmblicke

Ein vertikaler Blick hinauf in den östlichen der beiden Zwillingstürme, die an der Nordseite den Werktagseingang der Kapelle einfassen. Wie in den beiden anderen Türmen ist auch hier ein Nebenaltar zu finden.

So bricht das Licht in die „Sonnenfalle“ im östlichen Zwillingsturm ein.

Blick zur „Sonnenfalle“ im Hauptturm auf der Südseite, der sein Licht von Norden empfängt. Die Lichtkontraste lassen jeweils die Wandfarben dunkler als in der Realität erscheinen.

Altäre

Nur der östliche Zwillingsturm unterscheidet sich durch sein Rot von dem sonst weiß verputzten Kirchenraum. Man fühlt sich wie vor einem großformatigen Gemälde. Der Betrachter verliert sich quasi in der Tiefe der Monochromie und dem Reichtum der wogenden Oberflächenstruktur.

Ganz anders ist die Stimmung in der Nische um den Altar im hohen Turm. Sie ruft Vorstellungen von frühchristlichen Riten in Katakomben herauf.