Ghirlandaio und Santa Maria Novella: der Künstler Domenico Ghirlandaio erhält mit der Gestaltung der Tornabuoni-Kapelle den größten Auftrag von Florenz im späten 15. Jahrhundert.

Ghirlandaio und Santa Maria Novella Infoscreen

Florentinerinnen bei einer vornehmen Wöchnerin

Ghirlandaio und Santa Maria Novella Geburt Marias

Domenico Ghirlandaio (1449-1494), Geburt Mariae (Vorzeichnung für das Fresko in S. Maria Novella), um 1486-1490, London, British Museum.

Sehr genau legte Giovanni Tornabuoni (1428-1497) die Arbeitsschritte mit dem 20 Jahre jüngeren Künstler fest. Er korrigierte auch manchen seiner Vorschläge. Ghirlandaios Geburt Mariae zeigt die Ausstellung in einer ersten, herrlich temperamentvollen Skizze. Noch ist die Kompositionsidee nicht ganz geklärt. Oben auf dem Treppenabsatz umarmt sich das greise Paar Joachim und Anna. Durch einen Kuss wird sie schwanger und zur Mutter Marias. Die Treppe führt hinab zu einem prächtigen florentinischen Palastraum mit der Hauptszene. Anna ruht erhöht auf dem Bett. Eine Amme und Helferinnen kümmern sich um das gerade geborene Mädchen. Vornehme Florentinerinnen kommen zu Besuch. An ihrer Spitze geht Tornabuonis elegante Tochter Ludovica.

Die Lichtflecken auf dem Foto rühren von der Deckenbeleuchtung her.

Hochrangige Zeitgenossen mit Zacharias im Tempel

Domenico Ghirlandaio, Verkündigung an Zacharias, um 1486-1490, Wien, Albertina.

Domenico Ghirlandaio, Verkündigung an Zacharias, Florenz, S. Maria Novella, rechte Kapellenwand.

Im Gegensatz zum vorangehenden “primo pensiero“, dem ersten Bildgedanken, ist dies ein “modello“, eine genaue Ausführungsstudie. Solche Blätter ließ sich Tornabuoni zur Genehmigung vorlegen. Thema ist die Verkündigung an Zacharias und damit ein weiteres Wunder von Schwangerschaft und Geburt in hohem Alter. Der Engel überrascht den weißhaarigen Priester beim Tempeldienst. Er konfrontiert ihn mit der Nachricht, dass er und seine alte, zuvor unfruchtbare Frau Elisabeth noch einen Sohn bekommen werden. Zacharias solle ihn Johannes nennen.

Zeitgenossen Ghirlandaios sind Zeugen der himmlischen Erscheinung. In der Ausführung wird es ein großer und würdevoller Auftritt von Prominenten der Florentiner Gesellschaft. Mitglieder der Tornabuoni-Familie finden sich ein, aber auch Humanisten. Diesen dürften die gemalten antikischen Reliefs besonders gefallen haben.

Der ursprüngliche Hochaltar an seinem Bestimmungsort

S. Maria Novella Ghirlandaios Tornabuoni-Kapelle mit Hauptaltar Rekonstruktion Chr. v. Holst

Während die Wandmalereien und Fenster der Kapelle noch komplett erhalten sind, wurde der große, doppelseitige Altar 1804 aufgelöst. Die Mitteltafeln gelangten nach München und Berlin.

Vor Jahrzehnten entdeckte ich eine grafische Darstellung des Altars aus dem Jahr 1705. Die inzwischen weiter verfeinerte, überzeugende Münchner Rekonstruktion habe ich hier vor den neugotischen Altar gesetzt und zugleich die derzeit verdeckten Bildfelder zuseiten der Fenster in das Foto hinein kopiert. So lässt sich auf schlichte Weise das ursprüngliche Zusammenwirken von Hauptaltar und Kapellenwänden einigermaßen veranschaulichen.

Nun ist es besser vorstellbar, wie einst die Altarkomposition mit ihren klaren Farben bereits von weitem gut zu sehen und die Gestalten klar zu erkennen waren. Ein weiteres wichtiges Anliegen war die Sichtbarkeit des Stifterpaares. Giovanni Tornabuoni und seine bereits 1477 verstorbene Frau Francesca Pitti erscheinen betend seitlich an der Stirnfront der Kapelle. Erst der neugotische Altar verdeckt sie den Blicken. Meine Bildmontage macht deutlich, dass das Stifterpaar ähnlich demonstrativ wie allgemein üblich an prominenter Stelle und stets gut sichtbar erscheint. Ich verweise zum Vergleich nur auf die Stifter in Ghirlandaios etwas älterer Sassetti-Kapelle in S. Trinita. Das großartige Vorbild dafür befindet sich in unmittelbarer Nähe. Es ist das Trinitätsfresko von Masaccio im Kirchenschiff von S. Maria Novella.

Aussehen des Hochaltars

Ghirlandaio und Santa Maria Novella Hochaltar

Domenico Ghirlandaio und Werkstatt, Tafeln des Hochaltars von S. Maria Novella in Florenz, um 1490/94, München, Alte Pinakothek.

Die Präsentation in der Ausstellung orientiert sich erstmals an der mutmaßlich ursprünglichen Anordnung der Tafeln auf dem Hochaltar. Der Hl. Stephanus befindet sich heute in Budapest, konnte aber nicht ausgeliehen werden.

Domenico Ghirlandaio starb im Januar 1494. Der Künstlerbiograph Giorgio Vasari (1511-1574) berichtet Mitte 16. Jh., dass seine Brüder und Gehilfen den Altar vollendet hätten. Wirken die Tafeln auch aus der Ferne wie aus einem Guss, so offenbart nähere Betrachtung doch eine ganze Reihe ausführender Hände. Von Domenico selbst könnte noch der besonders gut gemalte Stephanus stammen.

Die Mitteltafel

Domenico Ghirlandaio und Werkstatt, Haupttafel des Hochaltars von S. Maria Novella in Florenz, um 1490/94, München, Alte Pinakothek, Foto und © Bayerische Staatsgemäldesammlungen.

In einer bildfüllenden Dreiecksanordnung thront Maria mit dem Kind in einer Flammengloriole, umgeben von sieben Cherubim und angebetet von zwei Engeln. Zu ihrer Rechten (für den Betrachter links) erscheint der Erzengel Michael mit Schwert und Weltkugel. Damit wird auf das Jüngste Gericht hingewiesen. Neben Michael kniet Dominikus als Stifter des in S. Maria Novella ansässigen Ordens. Auf der anderen Seite befinden sich stehend Johannes der Täufer, der wie Maria auch ein Hauptheiliger von Florenz ist, und der Ungläubige Thomas.

Bereits mit bloßem Auge kann man erkennen, dass mehrere Hände an der Vollendung der Tafel beteiligt waren. Einzelne Bereiche sind in Öl-, andere in Temperatechnik ausgeführt. Intensive maltechnische Untersuchungen belegen, dass in der großen Werkstatt Ghirlandaios verschiedene Gehilfen für einzelne Bereiche verantwortlich waren. Die Benennung dieser Personen ist aber schwierig, weil ihre Namen nicht alle und ihre Werke zu wenig bekannt sind. Wegen der besonderen Feinheit der Ausführung könnte aber z. B. der Kopf des Täufers noch von Domenico selbst gemalt worden sein.

Unter den Gästen des Herodes

NICHT IN DER AUSSTELLUNG, NICHT IM KATALOG

Domenico Ghirlandaio verpflichtete sich, die unteren Bildfelder mit eigener Hand zu malen. Diese Vertragsklausel belegt schon, dass dies nicht selbstverständlich war. Mit zunehmender Höhe der Bildfelder mussten und durften seine weniger begabten Brüder Davide und Benedetto sowie andere Werkstattmitglieder die Ausführung übernehmen. Leichte Unterschiede in der Malweise konnten damalige Betrachter in den höheren Wandregionen nicht wahrnehmen. Die Kapellen waren nicht ausgeleuchtet und Ferngläser gab es noch nicht.

Die Mitwirkung der Werkstatt wird bestätigt durch Beobachtungen, die ich vor Jahrzehnten machen konnte. Während einer langen Restaurierung der Fresken erlaubte man mir auf den Baugerüsten herumzuklettern. Im rechten obersten Bildfeld tanzt Salome vor Herodes und seinen Gästen. Hinter der Tafel stehen viele junge Burschen, die vom Kirchenschiff kaum zu erkennen sind. Sie sehen aus wie „garzoni“, wie Werkstattgehilfen und angehende Maler. Die individuellen Bildnisse sind in unterschiedlicher Technik und Qualität ausgeführt. Deshalb kam ich zur Überzeugung, dass diese „garzoni“ sich in der großen Entfernung vom üblichen Kirchenbesucher wechselseitig darstellen durften.

Francesco Granacci

Namen lassen sich mit den Gesichtern nicht in Verbindung bringen, abgesehen von einer Ausnahme. Der zweite junge Mann von rechts mit breiter Stirn und verfrühten Geheimratsecken ist Francesco Granacci (1469-1543). Man erkennt ihn gealtert in Vasaris Lebensbericht von 1568 wieder. Er ist der Jugendfreund Michelangelos (1475-1564), der dem jüngeren häufig beistand. Am wichtigsten war wohl, dass er dem hochbegabten Jungen trotz des väterlichen Widerstands den Weg zur künstlerischen Ausbildung bahnte. Ab 1488 gehörten beide zu Ghirlandaios Werkstatt. Obgleich sie Fähigkeiten und Temperament bald trennten, blieb ihre Freundschaft lebenslang bestehen.

Francesco Granacci widmete ich einige Jahre und meine Dissertation.

Wie ein spätes Zeugnis der Freundschaft der beiden ungleichen Künstler Michelangelo und Granacci zeigt nun einer der Hauptsäle der Uffizien ihre Werke miteinander. Granacci widerfährt die Ehre, mit seinen Szenen der Josephsgeschichte den Tondo Doni, Michelangelos einziges gesichertes Tafelbild, rahmen zu dürfen. Als ich mich mit diesen Gemälden Granaccis als Student befasste, hingen sie wie abgeschoben in schlechtem Zustand im Palazzo Davanzati.