Botticelli, Ghirlandaio, Filippino Lippi – meisterhafte Bildnisse, die von der Offenheit und dem Selbstbewusstsein der Bürger und Stadt zeugen.

Diesem jungen Mann werden wir bald auch ohne flotte Brille begegnen.

Heiliges Geschehen mit profanen Florentinern

Botticelli, Ghirlandaio, Filippino Lippi Anbetung Uffizien 1

Botticelli malt eine Szene andächtiger Stille: ein alter und vornehmer Herr beugt sich ehrfurchtsvoll vor einem ganz kleinen Kind, das seine Rechte andeutend wie zu einer Segensgeste erhebt. Hoch aufgerichtet, schlank und nachdenklich erscheinen die Eltern in ihrem steinernen Umfeld. Von oben fällt ein himmlischer Lichtstrahl auf das Kind.

Botticelli, Ghirlandaio, Filippino Lippi 2

Auf der rechten Seite des Bildes reihen sich eindrucksvolle Köpfe aneinander, einige davon sind Porträts florentinischer Patrizier. Zwei blicken direkt auf den Betrachter. Der Ältere mit dem Zeigegestus ist Guaspare di Zanobi del Lama, der reich gewordene Wechselmakler und Auftraggeber des Bildes. Der Jüngere, der etwa 30jährige Botticelli, setzt sich fast provozierend mit hoch gezogenen Brauen in Szene. Damit zeigt er seiner Stadt, wie toll er malen kann. Und das tut er zu Recht.

Botticellis Anbetung der Medici

Botticelli, Ghirlandaio, Filippino Lippi Anbetung Uffizien 3

Sandro Botticelli (1444/45–1510), Anbetung der Hl. Drei Könige, um 1475, Florenz, Galleria degli Uffizi.

Betrachtet man dann das Bild im Ganzen, kann man nur staunen über den Reichtum an Haltungen, geschickter Anordnung und erlesener Farbigkeit, mit der Botticelli dieses frühe Hauptwerk gestaltet. Bestimmt war es für die Innenfassade von S. Maria Novella. Und es könnte auch ein Ansporn für Ghirlandaio gewesen sein, auf seine großformatige Weise in der Hauptkapelle mit dieser Malerei in Wettstreit zu treten.

Fast unerhört erscheint es heute, dass der bereits verstorbene Cosimo il Vecchio de‘ Medici (1389-1464) und seine zwei ebenfalls verschiedenen Söhne Piero (1416-1469) und Giovanni (1421-1463) als die Hl. Drei Könige auftreten. Man stelle sich nur vor, frühere Mitglieder der Familie Porsche ließen sich mit solchem Anspruch darstellen. Unter Botticellis lebenden Zeitgenossen ragt rechts der schwarzhaarige Lorenzo il Magnifico (1449-1492) heraus, während links sein jüngerer, 1478 ermordeter Bruder Giuliano (1453-1478) die dortige Gruppe anführt. Die Kühnheit einer solchen Bildauffassung und Selbstdarstellung von Eliten verdeutlicht man sich am besten, wenn man sich Gestalten wie vielleicht Mario Draghi oder Dieter Zetsche u. ä. in einem solchen Rollenspiel vorstellt.

Ein großes Kompliment an die Veranstalter der Ausstellung, dass sie es geschafft haben, ein solches Meisterstück der Uffizien nach München auszuleihen.

Smeralda Brandini?

Botticelli Smeralda Brandini

Sandro Botticelli, Mutmaßliches Bildnis Smeralda Brandini, um 1470-1475, London, Victoria and Albert Museum.

So als habe sie gerade ein Fenster im oberen Loggiengeschoss ihres Palastes geöffnet, steht die Dargestellte mit ihren markanten Zügen da. Sie richtet den Blick unter hohen Brauen direkt auf den Betrachter. Die zurückfluchtende Brüstung der Loggia und der Fensterladen schaffen Tiefenräumlichkeit. Im engen Hochformat vermitteln das Rotblond der Haare, die erlesene Farbigkeit der Kleidung und die Haltung der Hände dieser Frau, die wohl schwanger ist, ein besonderes Flair. Mit ihrer Präsenz spricht sie uns nach Jahrhunderten unmittelbar an. Botticelli erweist sich als ein sehr eigenständiger Porträtmaler, der Intimes und Repräsentatives miteinander verquickt.

Judith und David in Florenz

Ghirlandaio Judith Berlin

Domenico Ghirlandaio (1449-1494), Judith und ihre Magd, 1489, Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie.

In Florenz genossen zwei Gestalten des Alten Testaments ein besonderes Ansehen: David und Judith.

Der jugendliche David, der den Riesen Goliath besiegt, ist Sinnbild der Wehrhaftigkeit des kleinen Stadtstaats Florenz gegen mächtige Feinde. Das gilt spätestens seit der Aufstellung von Michelangelos Marmorstatue vor dem Palazzo della Signoria im Jahr 1504. Auf weiblicher Seite übte Judith eine verwandte Faszination aus. So steht ihre um 1460 entstandene Bronzedarstellung von Donatello bereits seit 1495 vor dem Palazzo Vecchio.

Ghirlandaios kleines Tafelbild ist ein Kabinettformat von herausragender Qualität. Es zeigt die Heldin in einem palastartigen Ambiente mit Schlachtreliefs all’antica und einer fernen Meeresküste. Die schlanken jungen Frauen kehren nach erfolgreicher grausamer Tat zurück. Judith hat Holofernes, den Feldherrn der Assyrer, überlistet. Sie enthauptet ihn mit seinem Schwert und rettet damit die Israeliten. Fast tänzerisch kommen die beiden daher, Judith mit dem Schwert als Trophäe, die beschwingte Magd mit dem Haupt des Holofernes auf dem Kopf, als trage sie eine Kleinigkeit in ihrem Korb.

Bürgerliches Doppelbildnis

Domenico Ghirlandaio, Doppelbildnis, um 1490, San Marino (CA), The Huntington Library, The Arabella D. Huntington Memorial Art Collection.

Die lange als Werkstattarbeiten eingestuften Porträts werden inzwischen wieder als eigenhändige Arbeiten Domenico Ghirlandaios angesehen. Es handelt sich wohl um eine Darstellung junger Eheleute. Er erscheint in freier Natur vor weiter Meeresküste als dem ausgreifenden Bereich seiner Aktivitäten. Sie wirkt eingeschränkt im Bewegungsraum durch eine Loggia und damit auf den häuslichen Rahmen verwiesen. Die konventionelle reine Profilansicht der Frau steht in älterer Tradition. Korallenkette und klares Wasser deuten auf Tugend hin, das Buch wohl auf geistliche Lektüre, der Schmuck auf Hochzeitsgeschenke. Die Darstellungsart von Fürstenporträts erreicht hier eine bürgerlich selbstbewusste Ebene.

Ein nobler Florentiner und Lockvogel der Ausstellung

Botticelli, Ghirlandaio, Filippino Lippi Bildnis junger Mann Washington

Dies ist ein Werk, bei dem die Wissenschaft lange zwischen Botticelli und Filippino Lippi schwankte. Für Filippino, der mit 13 Jahren in Botticellis Werkstatt eintrat, spricht vor allem die Nähe zu Gestalten, die er in der ersten Hälfte der 1480er Jahre malte. Damals vollendete er auf virtuose Weise die halbfertigen Fresken Masaccios (1401-1428) in der Brancacci-Kapelle. Dort findet sich auch diese Schönheit des jugendlich männlichen Gesichts, diese Offenheit und ungemein direkte Kontaktaufnahme zum Betrachter. Dennoch bleibt eine gewisse Reserviertheit spürbar. Ein besseres Werbemotiv hätte für die Münchner Ausstellung nicht gefunden werden können.

Filippino Lippi (1457-1504), Bildnis eines jungen Mannes, um 1480/85, Washington, National Gallery of Art, Andrew W. Mellon Collection.

Es ist erstaunlich, wie das Hochformat und die wie gepolstert wirkende Brustpartie den jungen Mann von uns etwas entrückt. Trotz seines offenen Blicks lässt ihn das auch hoheitsvoll und etwas distanziert erscheinen.