Eine Etappe der Debatte zu MeToo. Es geht um Kunst & Kommerz 2007 in Berlin. Etwas anzügliche weibliche Schönheit dient nebeneinander als Lockmittel für eine Kunstausstellung und für Bademode. Das wäre inzwischen nach dem Me Too movement kaum mehr möglich. Das gilt vielleicht auch für den Satz in Weiß auf Rot auf der Litfaßsäule, der über der Venus zu sehen ist.

Eine weltbekannte Venus

Die Geburt der Venus von Alexandre Cabanel (1823-1889) ist beim Pariser Salon 1863 eine Sensation. Sie beschert dem Maler den großen Durchbruch. In gleicher Weise zeigt seine Zweitfassung von 1875 in New York (danach das Plakat) die Geburt bzw. das Erwachen der Göttin der Liebe und Schönheit.

Schwerelos schwebt Venus auf Wasser und Meerschaum, aus dem sie geboren ist. Sie bietet all ihre Reize den Blicken dar und aalt sich als eine Schönheit der 1860er Jahre erotisch-lasziv und schlaftrunken auf ihrem Wasserbett. Das entzückt die Amoretten, die freudetrunken umherfliegen und die Nachricht der Geburt mit großen Meeresschneckenhäusern hinausposaunen. Entsprechend begeistert reagieren zahllose Menschen seit 1863 auf das Gemälde. Zu ihnen gehört Kaiser Napoleon III., der diese Venus sogleich erwirbt (heute im Musée d‘ Orsay, Paris).

Der Plakatausschnitt steigert das Laszive der Pose. Venus‘ Körper wendet sich vornehmlich an männliche Betrachter.

Das Ausstellungsplakat wirbt mit dem Slogan: Die schönsten Franzosen kommen aus New York. Der Ausschnitt des Gemäldes lockt mit der „schönsten Französin“. Das Plakat von 2007 rahmen die Farben der Tricolore. Entsprechend ist seine Beschriftung in Blau und Rot auf Weiß.

Ein Model mit Bikini

Potsdamer Straße: eine Werbesäule 2007 vor mehr als 10 Plakatständern der Kunstausstellung in der benachbarten Neuen Nationalgalerie.

Die Werbesäule daneben bietet in steilem Format eine vergleichbar anzügliche Bikini-Präsentation mit wehendem Tuch. Die Assoziation Sturm (der Leidenschaft) stellt sich ein. Als erotisierende Zutat fungiert feiner Taillenschmuck.

Solche bildliche Werbung sowie der witzig-schräge Titel der Ausstellung versprechen Erfolg. Es bilden sich Schlangen vor der Neuen Nationalgalerie. Gegen Ende ist die Ausstellung rund um die Uhr, Tag und Nacht geöffnet. Mehr als 670.000 Menschen pilgern zu Cabanels schlaftrunkener, französischer Liebesgöttin.

Vgl. die klassischen und sittenstrengen Schönheiten im Stuttgarter Schlossgarten.

KOMMENTARE

E. W. „geile“ MOMA – Vermarktung – oder etwa nicht? Heute so nicht mehr möglich? Aber anders…

W. K. Dafür muss man nicht nach Berlin fahren 🙂 Solche Bilder sehen wir hier in Stuttgart auch sehr sehr oft.

Christian von Holst Nicht das Bikinibild ist interessant – so etwas gibt es in der Tat überall. Aber das Nebeneinander von Model und Venus, von Foto und Malerei – Verführungsversuch beide mal –, das dürfte schon ziemlich selten anzutreffen sein. – Siehe den Text zum Vergleichsbild.