Stuttgart, Brückenskulptur in Not: Adolf Fremd (1853-1924), Verkörperung der „Macht“ (auch „Wehrkraft“ und „Wehrstand“ genannt) als entspannter, aber hellwacher Germane, entstanden 1901, Kelheimer Kalkstein, ca. 2,95 m, mit Sockel ursprünglich gut 5 m hoch. Man findet das Werk an der Cannstatter Neckarseite bei der Brückenunterführung der Hall of Fame. Schnappschüsse vom 25. März 2019 bis zum 1. Oktober 2022.
Vom plastischen Schmuck der ehem. König-Karls-Brücke zwischen Stuttgart und Bad Cannstatt, die als schönste Württembergs galt, gibt es nur noch zwei überlebensgroße Sandsteinfiguren. Das rührt daher, dass deutsche Truppen die Brücke am 22. April 1945 sprengten.
An der Stadtbahn-Haltestelle Mineralbäder steht lieblos die Verkörperung des „Handels“. Und neben der Treppe zum Cannstatter Neckarufer toben sich der Übermut und die Sprayerlust der Hall of Fame auch an dem friedlichen Germanen aus. Er repräsentierte einmal die Macht und damit die Ordnung, die für das gute Gedeihen von Handel, Landwirtschaft und Gewerbe notwendig sind. Die beiden letzten Bereiche waren auf der Cannstatter Seite zu sehen.
Zu der Brücke und ihren Skulpturen habe ich auf dieser Website unter StadtAnsichten, Nr. 41 bis 43, Beiträge im April 2019 verfasst. Ich sandte sie an Medienvertreter, Verantwortliche der Stadt und der Denkmalpflege. Am 3. Juli dieses Jahres widmete ich dem verunstalteten Germanen auf Instagram ein Reel. Über 1.600 Mal wird es angeklickt. Am 10. Juli ging erneut ein Schreiben an alle Verantwortlichen.
ABER NICHTS GESCHIEHT!
Im Verlauf von dreieinhalb Jahren kann ich ein neunfaches Übersprayen des Germanen mit Fotos belegen. Das zeige ich hier nur teilweise. In der Wirkung auf die Oberfläche des Steins lässt es sich mit dem mehrfachen Überstechen einer Tätowierung vergleichen, dem riskanten Cover Up Tattoo. Für Stein und Haut jeweils eine tiefgründige Schädigung.

„Handel“ an der Stadtbahn-Haltestelle Mineralbäder und „Macht“ am rechten Neckarufer in Stuttgart im April 2019: als Skulpturenpaar geschaffen von Adolf Fremd 1900 und 1901 für die linke Neckarseite der König-Karls-Brücke

Ehemals König-Karls-Brücke, linke Seite. Die Skulpturen von Adolf Fremd als Gipsmodelle der 1890er Jahre und der Zustand der Werke knapp 130 Jahre später. Entwurf und Ausführung weichen jeweils von einander ab. Dazu gibt es Erläuterungen auf meiner Website.
Ich verstehe nicht, warum nichts getan wird, um die beiden Skulpturen wieder zusammenzuführen und in angemessener und sicherer Höhe zu präsentieren! Wäre das nicht im Rahmen der Neugestaltung der Neckarufer zu machen?! Und noch weniger begreife ich, wie man sehenden Auges es zulassen kann, dass ein Werk wie der Germane malträtiert wird und allmählich verkommt.
Könnte nicht das Städtische Lapidarium ein Übergangsort sein? Dort fände der wehrlose Krieger seinen Frieden und würde nicht weiter am Neckar widerstandslos ruiniert!

Die Brücke gesehen vom rechten Neckarufer, Postkarte um 1900

Die Brücke nach der Sprengung im April 1945, gesehen von Cannstatt. Die Endpfeiler an der linken Neckarseite stehen noch. Deshalb überlebten auch ihre zwei Skulpturen.
Seit etwa 50 Jahren sind der „Handel“ und die „Macht“ sockellos abgestellt auf einem Wiesenstreifen bzw. zwischen einer Unterführung und einer Treppe. Wäre es nicht wirklich an der Zeit, ihnen wieder wie ursprünglich 2,15 m hohe Sockel zu gönnen und sie erneut als Paar auftreten zu lassen?!
Das aktuelle Aussehen des Germanen


