Albrecht Adam, Selbstbildnis in Blevio 1811: Detail aus folgendem. Adam vor der Staffelei mit Blick auf die Landschaft bei Blevio am Comer See. Der Künstler mit jugendlich wilder Haartracht hat gerade ein Bild dreier flüchtender Soldaten in Arbeit.

Albrecht Adam, Selbstbildnisse 1811/1831 mit Besucher am Comer See

Albrecht Adam, Selbstbildnis mit Besucher im Atelier, 1811, Schwarze Feder, 21,9 x 30,6 cm, Stadtmuseum München, A 188/5

Der Gastgeber und Besucher ist vermutlich Francesco Artaria aus der berühmten Kunsthändler- und Musikverleger-Dynastie, die in Blevio ansässig ist. Adam erinnert sich in seiner Selbstbiographie (2018, 111): Auf Artarias Villa verlebte ich vier Monate des schönen Sommers 1811 unter sehr angenehmen Verhältnissen; diese Zeit zählt zu den herrlichsten Tagen meines italienischen Lebens … Mein philosophischer Hauswirth Artaria hatte ebenfalls viel Freude an der Kunst; seine Gemahlin war eine Virtuosin auf dem Claviere und gewährte uns mit diesem manche Erheiterung.

Blevio bei Como am östlichen Seeufer 1811 und 1813

Joseph Rebell (1787-1828), Blick auf Blevio mit der Villa Artaria (heute Villa Cademartori), (1811), Aquarell über Bleistift, 28,5 x 25 cm, München, Karl & Faber, Auktion 249, 26. April 2013, Los 283, Foto Auktionshaus

Dazu erneut Adam (2018, 111): Der Comersee bietet ja bei längerem Aufenthalte ungemein viel Reizendes. Dazu kam noch, daß der Landschaftsmaler Rebell sich damals mehrere Monate in Blevio aufhielt und ich also die Freude genoß, mit einem Künstler verkehren zu können.

Artarias Landhaus im Weingarten ?

Heinrich Adam, Wohnhaus in Blevio am Comer See, 1813, am Ruder und unter der Darstellung sign. und dat., Aquarell über Bleistift, 37,4 x 26,4 cm, München, Ketterer Kunst, Auktion 490, 22. November 2019, Los 1, Foto Auktionshaus

Zu Albrecht Adams Umgang zählt neben Artaria und Rebell insbesondere sein etwas jüngerer Bruder Heinrich Adam (1787-1862), ein Landschaftsmaler. Er begleitet ihn nach Italien und ist zeitgleich Gast von Artaria für längere Zeit. Über die Jahre malt er viele Ansichten des Comer Sees und ist 1813 erneut in Blevio.

Das eher bescheidene, nah am Ufer gelegene Haus wird im Auktionskatalog als „Die Villa Artaria am Comer See“ betitelt. Der Künstler bezeichnet es aber: Heinrich Adam 1813 zu Blevio. Es könnte also irgendein etwas isoliert liegendes Haus in ländlicher Umgebung sein. Denkbar ist aber genauso, dass es sich um einen weiteren Besitz der betuchten Familie Artaria handelt.

Adam 1811 (2018, 115): Gegen Ende September begann die Weinlese. Ermutigt von Artaria und Bruder Heinrich, ringt sich der schon erfolgreiche 25-jährige endlich dazu durch, die 18jährige Magdalena Sander, die ihn schon lange anhimmelt, heiraten zu wollen. Artarias laden Magdalena nach Blevio ein und Heinrich geht als Brautwerber nach Mailand. Er kehrt mit ihr zurück und ein über 50jähriges Zusammenleben von Albrecht und Magdalena nimmt seinen heiteren Anfang.

Glücklichen Tagen in Blevio, vielleicht in diesem Landhaus inmitten von Reben, folgen die baldige Ziviltrauung in Mailand und Anfang 1812 die kirchliche Trauung in München. Bereits 1828, mit noch nicht 42 bzw. 35 Jahren, sind Adam (2018, 292) und seine Frau Eltern von 10 gesunden Kindern. Die fünf Söhne werden allesamt künstlerisch tätig und die Adams wandeln sich zu einer Maler-Dynastie. Demnächst mehr davon unter „Adamei“.

Artaria mit einer Literaturliste

Albrecht Adam, Selbstbildnisse 1811/1831: ein Gespräch mit Freund Francesco Artaria über Literatur

Albrecht Adam und sein Besucher führen wohl ein Gespräch über Literatur. Der philosophische Hauswirth wendet sich argumentierend an den Künstler und hält in der Rechten ein Heft mit Notizen. Darauf sind zu entziffern: links Schiller – Max…[der alte Graf Moor? aus Die Räuber] – Posa [Don Carlos]. Auf der rechten Seite steht unter Göthe Tasso, Egmont und Faust

Adam hat hinter Artaria Bilder und Mappen skizziert. In kleinstem Format sind Pferde mit sicherem Strich wiedergegeben, die an Pferdeporträts von 1810 erinnern. Auf dem Stuhl steht eine Kriegsszene. Hinter dem nahen Reiter ziehen in der Ferne galoppierende Pferde eine Wagen. Rauch oder Bäume verhüllen einen (russischen?) Kirchenbau.

Die vordere der großen Mappen ist für Pferdestudien bestimmt. Aus der hinteren lugen zwei Blatt heraus. Unter der Lupe ist Weingarten auszumachen und: 1811 oder 1814. Könnte nicht Weingarten eine familiensprachliche Bezeichnung für das schöne Areal des gerade gezeigten Hauses zwischen Weinreben sein?! Denn Weingarten bei Ravensburg macht im Bildkontext keinen Sinn und taucht auch in Adams Leben sonst nicht auf.

Würde die Jahreszahl als 1814 gelesen, läge eine Verbindung mit Adams Reise im Juli 1814 nach Mailand und Monza nahe. Er unternimmt sie mit seiner damals noch kleinen Familie, um seinem Dienstherrn Prinz Eugène de Beauharnais die in Russland gemachten Zeichnungen vorzulegen. Bei dem anschließenden längeren Aufenthalt in Mailand wäre natürlich auch ein Besuch bei Artarias möglich.

Wahrscheinlicher aber bleibt das Jahr 1811. Denn Adam schreibt am 12. August des Jahres an seinen Bruder Heinrich (zit. nach Hase 1981, 108): … und wenn ich in der Nähe von Artarias Landhaus … sitze und mein bisheriges, wunderbares Leben überdenke oder aus einem Buch unseres großen Schiller neues Wissen schöpfe ...

Albrecht Adam, Selbstbildnisse 1811/1831: hier als Landschaftsmaler

Albrecht Adam, Selbstbildnis an der Staffelei, Aquarell, 11,9 x 8,2 cm, Stadtmuseum München, A 57-4/3

Die dunkle Fläche im Fenster hilft Lichtreflexe auf der Malfläche zu vermeiden und sorgt für gutes Oberlicht.

In dem kleinen Werk, das Hase 1981, Nr. und Abb. 17, 1820-1830 datiert, stellt sich der Künstler beim Malen einer Landschaft dar. Die Hintergründe vieler Pferdebilder zeigen, dass er mit seinem Können auch in dieser Sparte eine Karriere hätte machen können.