Verkündigung und die Ärzte Cosmas und Damian. Von der Buch- bis zur Altarmalerei betrachte ich kleine bis große Meisterwerke, u. a. von Fra Angelico und Fra Filippo Lippi.

Verkündigung und die Ärzte Cosmas und Damian Ausstellungsplakat

Auf dem Infoscreen im Foyer der Alten Pinakothek sieht uns ein junger Mann sehr direkt an. Der Gesichtsausdruck ist freundlich und munter, die Haartracht und Kleidung etwas fremd. Es erscheint kaum glaublich, dass ihn ein Maler vor rund 540 Jahren porträtiert hat. Flott hat er die Sonnenbrille hochgeschoben. Mit einem leichtem Lächeln lockt er uns in die schöne Ausstellung.

Stundenbuch für Lucrezia de‘ Medici

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Der Buchmaler Francesco Rosselli (1448– nach 1508/vor 1528) und der Kalligraph Antonio Sinibaldi (1443–1528) waren Meister ihres Faches. Sie haben diese Seiten eines kleinen, prachtvollen Bandes gestaltet. Es handelt sich um ein Gebetbuch, das Lorenzo de‘ Medici gen. il Magnifico 1488 seiner ältesten Tochter Lucrezia zur Hochzeit schenkte. Heute ist es eine Kostbarkeit der Bayerischen Staatsbibliothek.

Biblische Hauptszenen sind auf den aufgeschlagenen Seiten vereint und veranschaulichen den Inhalt des Textes. So sieht man links die Verkündigung Mariä und darunter drei kleinere Darstellungen. In der Mitte ist die Anbetung der Hirten zu auszumachen, seitlich die Heimsuchung und Darbringung im Tempel. Die rechte Seite bietet innerhalb der Initiale „D“ eine Madonna mit Kind, darunter die Anbetung der Könige. Mit den beiden aufgeschlagenen Blättern beginnt oben rechts das Marienoffizium: „Incipit officium beate uirginis marie …“ – Alltägliches Beten mit einem solchen erlesenen Bändchen heißt Frömmigkeit mit ästhetischer Freude verbinden.

Fra Filippo Lippis Verkündigung

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Von der kleinsten Verkündigungsdarstellung fällt der Blick auf die größte. Sie ist wie alle Altarbilder der Ausstellung höher gehängt als sonst in Museen üblich. In der Regel befindet sich die Mittelachse der Gemälde in ca. 150-165 cm Höhe. Damit orientiert man sich an der Körpergröße heutiger Besucher. In der Ausstellung „Florenz und seine Maler“ aber sind die großen Altartafeln annähernd so präsentiert, wie sie wohl die Gläubigen in Florentiner Kirchen sahen. Meist war der Altarraum um Stufen gegenüber dem Kirchenschiff erhöht. Über der Altarmensa befand sich das Altarretabel.

Verkündigung und die Ärzte Cosmas und Damian Filippo Lippi Alte Pinakothek

Fra Filippo Lippi (um1406-1469), Verkündigung Mariae, um 1443/45, München, Alte Pinakothek.

Durch die höhere Hängung wird sofort ein Hauptanliegen des Künstlers deutlich. Mit den Mitteln der Zentralperspektive schafft er Raumtiefe. Dies geschieht im Hinblick auf den von Mauern umschlossenen Garten. Das meint zugleich den „Hortus conclusus“ und damit die Jungfräulichkeit Marias. Des weiteren handelt es sich um einen anschaulichen Hinweis auf die Auftraggeberinnen. Es sind die Suore Murate, die eingemauert lebenden Benediktinerinnen.

Hellgraue Pietra serena und grüne Gesimsen prägen die Bildarchitektur. Damit schafft Filippo Lippi einen klar gegliederten Rahmen für das Hauptgeschehen. Vorne hat sich Maria von ihrem Lesepult erhoben und nimmt mit demütiger Haltung die Aufgabe des Engels an. Wie aus großer Ferne sendet Gottvater auf goldenen Strahlen die Taube des Hl. Geistes.

Hochaltar von San Marco

Verkündigung und die Ärzte Cosmas und Damian Hochaltar San Marco Rekonstruktion

Fra Angelico (um1395/1400–1455), Hochaltar von San Marco, um 1438/40, Florenz, Museo di San Marco.

Wie hier zu sehen, gab es unter großen Altartafeln oft eine Sockelzone, eine sog. Predella. Auf ihr wurden Szenen der Bibel oder Heiligenlegenden dargestellt. Sie befanden sich etwa in Augenhöhe der Andächtigen. Man sah zu den großen Altartafeln zwangsläufig nach oben. Dadurch erschließt sich manche Bildkomposition besser.

Der stattliche Altar von San Marco war ein sehr ehrenvoller Auftrag für Fra Angelico, der im Kloster lebte. Ich zeige ihn in seiner Rekonstruktion nach dem Katalog der Ausstellung. Die Altartafel war auch eine indirekte Selbstdarstellung des Auftraggebers Cosimo de‘ Medici, des mächtigsten Mannes der Stadt. Seine Familie sollte noch für Generationen die Geschicke von Florenz prägen.

In dem prächtig gestalteten Bildraum knien vorne die Zwillingsbrüder Cosmas und Damian. Es sind die Namenspatrone Cosimos und seines verstorbenen Bruders Damian, die auch als Schutzheilige der Familie fungierten. Als „medici“, als Ärzte und Märtyrer, bot sich diese Rolle geradezu an. Links kniet Cosmas auf einem kostbaren Teppich. In zeittypischer Arztkleidung wendet er sich an die Gläubigen und fordert sie zur Verehrung auf.

Predellentafeln

Die große Altartafel ist eines der Meisterwerke Fra Angelicos. Nach wie vor befindet sie sich im Kloster San Marco. Aus konservatorischen Gründen kann sie leider nicht reisen. Erstmals seit rund 200 Jahren sind jedoch die Predellentafeln wieder vereint – bis auf eine. In Augenhöhe wie ursprünglich präsentiert, gewinnt auch die Komposition der Haupttafel durch die daraus resultierende höhere Aufstellung.

Heute hängen Gemälde ja vielfach zu tief. Man fällt quasi in sie hinein. Das ist ein etwas merkwürdiger Versuch, „hohe Kunst“ anbiedernd und vermeintlich volksnah wirken zu lassen. Zu großer Kunst darf man durchaus aufschauen. Sie kann uns begeistern, nimmt uns auch manchmal den Atem. Und genauso tun es entsprechende Werke der Musik, Dichtung oder auch anderes.

Hier schiebe ich eine etwas flapsige Geschichte ein. Man erzählt sie von dem großen Renaissanceforscher Jacob Burckhardt (1818-1897). Eine Dame fragte ihn nach einer seiner vielbesuchten Vorlesungen: „Verehrter Herr Professor, wie soll ich mich der Kunst nähern?“ Er soll geantwortet haben: „Auf den Knien, gnädige Frau, auf den Knien!“

Verkündigung und die Ärzte Cosmas und Damian Predella Fra Angelico

Fra Angelico (um 1395/1400–1455), Traum des Diakons Justinian, um 1440, Florenz, Museo di San Marco.

Auf einer der seitlichen Predellentafeln zeigt der Künstler auf pragmatische wie poetische Weise, wie sich das Wunder einer Heilung vollzieht. Justinian schläft tief in seinem karg eingerichteten Kastenraum. Auf kleinen Wolken sind die hl. Ärzte herangekommen. Gemeinsam fügen sie ihm gerade das gesunde Bein an. Es stammt von einem Schwarzen.

Sano di Pietro – nicht in der Ausstellung

Verkündigung und die Ärzte Cosmas und Damian Sano di Pietro Siena

Sano di Pietro (1406-1481), Die Heilung des Diakons Justinian, um 1444, Siena, Pinacoteca Nazionale.

Zur Verdeutlichung des seltenen Themas präsentiere ich Predellentafeln eines sienesischen Malers, die den gesamten medizinischen Eingriff zeigen. Das Ärzte- und Zwillingspaar nimmt einem verstorbenen Schwarzen in einer Grabkammer das rechte Bein ab und setzt es dem schlafenden Justinian als Ersatz für sein krebskrankes Bein an.

Transplantationsmedizin

Im Zusammenhang mit der Heilung des Diakons kommt mir als künftigem Organspender eine Idee. Könnten die beiden tüchtigen Ärzte Cosmas und Damian nicht als Werbeträger und auch wie Schutzpatrone heutiger Transplantationsmedizin fungieren?!