Meisterwerke von Botticelli und Fra Bartolommeo – in einer Ausstellung, die neue Perspektiven eröffnet. Meine Betrachtungen schließen mit einem Blick auf ein Juwel von Raffael, das München nicht verlassen muss.

Botticelli in neuem Glanz

Meisterwerke von Botticelli und Fra Bartolommeo

Ein Höhe- und der Endpunkt der Ausstellung ist Botticellis Beweinung Christi. Die Tafel erfährt durch die höhere Aufhängung, wie sie ihrem ursprünglichen Ort innerhalb eines Flügelaltars über der Altarmensa entspricht, eine verstärkte Fernwirkung. Auch erscheint der Blick hinein in die Grabeshöhle mit dem monumentalen Sarkophag erst aus der leichten Untersicht überzeugend.

Meisterwerke von Botticelli und Fra Bartolommeo Detail Beweinung

Nach der Sicht aus großer Ferne auf Botticellis Meisterwerk nun der Blick aus nächster Nähe. So wie das ganze Gemälde nach jahrelanger Restaurierung seine ursprüngliche Farbenpracht und damit eine klarere Erkennbarkeit seiner Komposition zurückgewonnen hat, so sind nun auch viele Details von ungeahnter Aussagekraft. Hier zeigt sich wie in einem Brennpunkt die tränenreiche Trauer. Maria Magdalenas inniges Umarmen des schönen Toten zielt darauf, die Gläubigen zum Mitleiden anzuregen, zur „compassio“.

Der Förderverein – Kunsthistorisches Institut in Florenz hatte bereits vor Jahren das Privileg Botticellis Beweinung Christi während der Restaurierung im Doerner-Institut sehen zu dürfen. Dazu gab es fachkundige Erläuterungen.

Meisterwerke von Botticelli und Fra Bartolommeo Beweinung nach Restaurierung

Sandro Botticelli (1444/45– 1510), Beweinung Christi, um 1495, München, Alte Pinakothek, Foto und © Bayerische Staatsgemäldesammlungen.

Die große Altartafel erscheint nach Jahren der Abwesenheit in restauriertem Zustand wie in jugendlicher Frische. Das herausragende Tafelbild aus den mittleren 1490er Jahren entstand für den Hochaltar der Kirche S. Paolino in Florenz, in deren Nähe Botticelli seine Werkstatt besaß. Ausgehend von der Tradition nordalpiner Vesperbilder, bei der Maria ihren auf dem Schoß liegenden Sohn beweint, hat Botticelli dieses Figurenpaar um weitere Gestalten bereichert. Ungewöhnlich ist es, dass Maria in Ohnmacht fällt und Johannes Evangelist sie und den abrutschenden Leichnam hält. Diese durch unmittelbare körperliche Nähe geschaffene Intimität findet ein Echo im tränenreichen Verhalten der beiden seitlichen Marien. Wie als Zeugen für eine spätere Zeit erscheinen in zweiter Reihe links der Einsiedler Hieronymus sowie Paulus mit seinem Schwert. Rechts steht in besonders aufrechter Haltung Petrus als Fels der Kirche. Diese drei bärtigen Greise erfreuten sich als Mittler des Glaubens auch sonst in Florenz besonderer Beliebtheit.

Fra Bartolommeos Tondo

Fra Bartolommeo Anbetung Detail 1

Anbetung ist das Thema. Mutterhände, ein ernster Kinderkopf und der Kreuzstab identifizieren das Geschehen als Begegnung des kleinen Johannes mit dem Jesusknaben. Frühere Kenntnis und die jetzige Klarheit der Formen und Farben zeigen, dass das Bild jüngst gut restauriert worden ist.

Fra Bartolommeo Anbetung Detail 2

Der gleiche Eindruck bei einem weiteren Bildausschnitt. Sehr schön in der Feinheit der Beobachtung und Ausführung ist die Gestalt des greisen Joseph, der im Sitzen plötzlich eingenickt ist.

Meisterwerke von Botticelli und Fra Bartolommeo Anbetung Tondo

Fra Bartolommeo (1472-1517), Anbetung des Kindes, um 1495, München, Alte Pinakothek.

Der Tondo, das in Florenz so beliebte Rundbild, zeigt ein Geschehen in Verbindung mit der Flucht nach Ägypten. Dabei kommt es zur Begegnung der Hl. Familie mit dem kleinen Johannes. Während die Mutter ehrfurchtsvoll ihr göttliches Kind anbetet, hält ein wunderbar gemalter Engel mit schönem Profil den robusten Johannes hoch, damit er besser sehen kann.

Entstehungsprozess

Die Komposition ist nicht von Fra Bartolommeo direkt erfunden. Doch stammt die Ausführung gänzlich von ihm. Er stand wohl in engerer Verbindung mit dem älteren Lorenzo di Credi (um1459-1537). Ein Tondo von dessen Hand in New York zeigt nämlich die fast gleichen Figuren (ohne Joseph) – allerdings seitenverkehrt. Wie in der florentinischen Werkstattpraxis verbreitet, fanden die originalgroßen Kartons, die direkten Vorstufen für die Ausführung der Kompositionen, oft mehrfach Verwendung – auch in verschiedenen Werkstätten. Die Umrisslinien der Figuren wurden mit Nadeln durchlöchert. Mit Stoffsäckchen, die mit Kohlestaub gefüllt waren, drückte man auf die Kartons, sodass die Konturen der Komposition sich auf den Malflächen als punktierte Linien abzeichneten. Das war natürlich – wie hier – auch spiegelverkehrt möglich.

Fra Bartolommeo gelingt es dank seiner größeren künstlerischen Begabung sein Vorbild entschieden zu überbieten. Das gilt besonders für ihn als Landschaftsmaler und als herausragenden Koloristen. Die Verbindung von Farbenpracht und meisterhaftem Helldunkel in diesem Jugendwerk macht seine spätere Nähe zu Raffael verständlich.

Raffael – nicht in der Ausstellung, aber in der Pinakothek

Raffael Hl. Familie Canigiani Detail

Da Hauptwerke des 15. Jh. in der Sonderausstellung zu sehen sind, wurden die entstandenen Lücken in der Ständigen Sammlung der Alten Pinakothek mit Beständen aus Eigenbesitz gefüllt. Sie sind von solcher Qualität, dass manches andere Museum glücklich wäre, diese „zweite Wahl“ als erste bei sich zeigen zu können. Es lohnt sich also in das Galeriegeschoss hinauf zu gehen. Dort geblieben sind zudem die Hauptwerke des frühen 16. Jahrhunderts.

Raffael Hl. Familie Canigiani

Raffael Sanzio (1483-1520), Hl. Familie aus dem Hause Canigiani, um 1505-06, München, Alte Pinakothek.

Bei diesem Hauptwerk Raffaels, gemalt mit Anfang 20, sind die Gestalten in eine pyramidale Gesamtform eingebunden und vor einer reich gestalteten Landschaft zu sehen. Lange wirkte die Gruppe noch freier, denn im späten 18. Jh. waren die  Wolken mit den Engeln übermalt worden, was erst 1983 rückgängig gemacht wurde.

Der Jesusknabe wendet sich eindringlich an den kleinen Johannes, der ihn mit staunend offenem Mund anhört. Die einzelnen Buchstaben auf dem Spruchband lassen sich zu „ECCE AGNUS DEI“ ergänzen, den Hinweis auf Christus als das Lamm Gottes. Die beiden Mütter halten jeweils ihre Kinder. Während Maria, im Lesen unterbrochen, ruhig auf sie niederschaut, wendet sich Elisabeth sprechend hinauf zu Joseph, der wie ein guter Hirte die Gruppe nach oben beschließt.

Sagen ließe sich noch vieles, was aber nicht zur aktuellen Ausstellung gehört. Was bleibt ist die Präsenz dieses Bildes in der Alten Pinakothek. Das allein würde genügen, sie wieder und wieder zu besuchen. Hinzu kommt aber noch die Freude auf die übrigen in Florenz entstandenen Werke, die nach dem Ende der jetzigen Ausstellung den Glanz und Ruhm der Münchner Sammlung in den vertrauten Galerieräumen weiterhin vor Augen führen.