Waiblingen – Mann auf Seepferdchen von Balkenhol. Weltweit erstmals erschien in Waiblingen ein Seepferdchen am Himmel. Doch ist es kein kleines, in der Natur allenfalls 35 cm großes Fischwesen. Vielmehr ist es ein riesiges Seepferdchen – ein Widerspruch in sich, eine contradictio in adiecto, so wie „wahrheitsliebender Donald Trump“ oder „schwarzer Schimmel“. Dieses Seepferdchen ist auch nicht im Wasser zuhause, sondern schwimmt mit einem Mann auf dem Rücken auf der Rems.
Auftrag und Künstler
Dieser eigentümliche Remsreiter – eine einmalige Variante eines Reiterdenkmals – wurde erdacht und realisiert von Stephan Balkenhol im Auftrag der Eva Mayr-Stihl Stiftung, die dieses jüngste Werk mit Namen „Mann auf Seepferdchen“ ihrer Stadt anlässlich des 10jährigen Bestehens der Galerie Stihl Waiblingen zum Geschenk macht.
Stephan Balkenhol, Mann auf Seepferdchen, 2018.
Bronze, 360 cm hoch, ca. 1 Tonne schwer, das Tier in glänzenden Farben bemalt, der Mann in stumpfem Weiß und Schwarz.
Der Künstler neben seinem Werk, das er bald zwar noch sehen, aber nicht mehr ohne weiteres berühren kann.
Das Stifterpaar Eva Mayr-Stihl und Robert Mayr mit Stephan Balkenhol bei der Enthüllung der Skulptur in Waiblingen am 13. Juli 2018.
Die Vorigen mit Christian von Holst, der bei der Enthüllung am 13. Juli einführende Worte sprach und überdies an Pferden zu Land wie zu Wasser besondere Freude hat.
Versetzung der Skulptur an ihren Platz inmitten der Rems
Am 19. Juli erfolgte die Versetzung der Skulptur auf die Rems.
Man sieht hier Balkenhols „Mann auf Seepferdchen“ vor Ólafur Elíassons „Pavillon für Waiblingen“ von 2009 – ebenfalls ein Geschenk der Eva Mayr-Stihl Stiftung an ihre Stadt – und dahinter die Kunstschule Unteres Remstal.
Der auf ca. 60 m ausgefahrene 240-Tonnen-Lastkran transportiert die erste der beiden 10 Tonnen schweren Ankerplatten aus Beton in die Mitte der Rems.
Ulrich Wolff aus Karlsruhe ist die rechte Hand von Stephan Balkenhol. Auch er ist ein ausgebildeter Bildhauer und verantwortlich für alle technischen Belange. Alles hat Wolff minutiös vorbereitet. Unterstützt von seinem Assistenten, einem Studenten der Bildhauerei, brachte er in einem Kleinlaster auch ein Schlauchboot mit. Da sich die Haken nicht von selbst nach Absenkung der Betonplatte auf den Boden der Rems lösen, taucht Wolff kurzerhand hinab und macht sie los.
Die Hauptsache beginnt: die Skulptur und der sie tragende zylindrische Unterbau aus Edelstahl (Durchmesser 4 m, Höhe 1,3 m, Gewicht 5,5 Tonnen) werden zum Transport vorbereitet. Die Riesenboje wird mit Ketten an den Ankerplatten festgemacht.
Ein wie im Wasser schwerelos schwebendes Seepferdchen
In schwindelnder Höhe schwebt das nun klein wirkende Seepferdchen seinem Platz auf der Rems entgegen.
Hinter hohem Schilf nähert sich das Werk seinem endgültigen Ort.
Die ruhig und aufrecht schwimmende Last von 5,5 t
Die Tonnenlast wird gelenkt von Ulrich Wolff und seinem Assistenten. Interessiert verfolgt ein SWR-Filmteam das Geschehen. Erleichtert lässt hier Ulrich Wolff die Seile des Lastkrans los: der „Mann auf Seepferdchen“ schwimmt, schwankt nicht und steht gerade im Wasser.
Aus lauter Freude hechtet Wolff in die Rems.Der von heute an endgültige Blick auf Balkenhols jüngstes Werk von der Galerie Stihl aus.
Neue Perspektiven vom Haeckersteg, von wo man bei ruhiger Rems sogar zwei Reiter mit Seepferdchen durch Spiegelung sehen wird.Eine Detailaufnahme, die Balkenhols Oberflächengestaltung vor Augen führt.
Seepferde in Italien und Frankreich
Hippocampus ist nicht nur der wiss. Name des Seepferdchens. Es ist auch der Name jener Meeresrösser und Wasserwesen – vorne Pferd, hinten schlangenartig –, die in der antiken Mythologie den Meeresgott Neptun begleiten. Sie ziehen ihn durch die Wogen mit ihren flossenbewehrten Hufen. Gelegentlich dienen sie auch Venus, der Göttin der Liebe und Schönheit, der aus Meerschaum Geborenen. Diese Mischwesen sind besonders als Brunnenfiguren beliebt. Dafür ein paar Beispiele. In Bartolomeo Ammanatis (1511-1592) berühmtem Brunnen neben dem Palazzo Vecchio in Florenz ziehen die edlen Pferdewesen Neptuns Meereswagen.
Frédéric-Auguste Bartholdi (1834-1904), Allegorie von Frankreich mit vier Wasserpferden, 1892, Lyon, Place de Terreaux.
Bartholdi, weltweit bekannt als Schöpfer der Freiheitsstatue auf Liberty Island, verkörpert mit diesen wilden Pferden die vier Hauptflüsse Frankreichs. Ursprünglich für Bordeaux geplant, dort aber als zu teuer angesehen, wurde der Brunnen von Lyon übernommen.
An der Stelle dieses Denkmals und Brunnens in Bordeaux sollte zunächst der gerade gezeigte von Lyon stehen. In Bordeaux wird mit dem kolossalen Werk der Abgeordneten der Gironde gedacht, die 1792-94 während der Französischen Revolution ermordet wurden. Der „Triumph der Republik“ ist Thema einer Seite des Brunnens, die andere feiert Bordeaux als allegorische Figur, gleichfalls mit stürmenden Pferden. Jeweils durchpflügen Meeresrösser, fast so wild wie in Lyon, die Wogen. Wasser spritzt überall, Wasserstaub sogar aus den Nüstern der Pferde. Vorne stürzen „Laster“ ins „Meer“, die in der Republik keine Chance mehr haben sollen.
Gemessen daran hat Balkenhol mit seinem „Mann auf Seepferdchen“ ein durch und durch ruhiges Werk für Waiblingen geschaffen, das dorthin besser passt als das Ungestüm französischer Seepferde.