Nancy als Zwischenstation zu den Schlössern an der Loire – verkehrsfreie Plätze des 18. Jahrhunderts geben der Stadtmitte ein ganz besonderes Gepräge.
Im Juni 2008 verbringen wir 2 Wochen an der Loire im Bereich zwischen Orléans und Tours. Diese Flusslandschaft ist eine der schönsten Regionen Frankreichs, wird auch als Garten des Landes bezeichnet und im Jahr 2000 auf einer Fläche von 800 qkm zum UNESCO-Welterbe erklärt.
Ähnlich wie bei einem Besuch guter alter Bekannter sind wir 2019 unterwegs, wiederum mit Auto und eigenen Fahrrädern. Es geht um eine Auffrischung lebhafter Erinnerungen.
Place Stanislas
Auf halber Strecke ein Abend und ein Morgen in Nancy, der uns noch unbekannten Hauptstadt Lothringens. Bei der Stipvisite Beschränkung auf Weniges: auf drei Platzanlagen der 1750er Jahre, die als Ensemble bereits seit 1983 UNESCO-Welterbe sind.
Hier der Place Stanislas am späten Nachmittag mit dem Hôtel de Ville/Rathaus von 1755. Mit seiner 124 x 106 m großen Fläche gilt er als einer der schönsten Plätze Frankreichs und Europas. Seit 2005 verkehrsfrei, ist er ein einzigartiger Ort geselligen Lebens.
Place Stanislas am Morgen: ideal für ein französisches Frühstück im Freien. In Erweiterung der Altstadt wird der Platz von Herzog Stanislas Leszczyński (1677-1766) angelegt, vormals polnischer König, dem sein französischer Schwiegervater König Ludwig XV. (1710-74) 1737 das Herzogtum Lothringen überlässt.
Zunächst Place Royale genannt als Huldigung an Ludwig XV. und mit der Statue des Königs geschmückt, wird nach deren Zerstörung in den Revolutionsjahren dort seit 1831 Stanislas mit einer mächtigen Statue als der Bienfaisant/Wohltäter der Stadt und Lothringens gefeiert.
Nach NO schließt und öffnet sich Place Stanislas mit einem zunächst Ludwig XV. gewidmeten Triumphbogen. Heute heißt er Arc Héré nach dem Chefarchitekten von Stanislas, der dessen stadtplanerische Wünsche großartig verwirklichte.
Ein Morgenblick von NO auf die Place Stanislas mit dem Denkmal des Namensgebers
Place de la Carrière
Der Art Héré führt zum Place de la Carrière (weil früher Turnierplatz), der in einen großartigen quergelagerten Platz mit dem Palais du Gouvernement mündet. Von dort gelangt man – wie von der Ostecke des Place Stanislas – in den stattlichen Parc de la Pépinière/Baumschule, den Stanislas ebenfalls anlegen ließ.
Der benachbarte, intimere Place d’Alliance feiert das Zusammengehen des Hauses Habsburg-Lothringen mit der französischen Krone. Der Brunnen ist inspiriert von dem Vier-Ströme-Brunnen Gianlorenzo Berninis auf der Piazza Navona in Rom.
Alle genannten Plätze und Bauten sind nach gut 250 Jahren unversehrt erhalten – auch das ein Grund für die UNESCO-Ehrung.
Rokoko-Brunnen an der Place Stanislas
Der Place Stanislas wird seitlich von würdigen Gebäuden eingefasst: darunter links das Musée des Beaux-Arts, rechts die Oper. Die Platzwinkel daneben akzentuieren Brunnenanlagen, die in bühnenmäßiger Manier wunderbar von reich gestalteten, vergoldeten Gittern des Kunstschmieds Jean Lamour (1698-1771) umschlossen sind. Den Geist und Stil des Rokoko bezeugen auch die Figurenensembles.
Der prachtvolle, in Blei modellierte Poseidonbrunnen besitzt wie sein Pendant fast malerische Qualitäten. Er stammt von Barthélemy Guibal (1699-1755). Sein Sohn Nicolas Guibal (1725-84) macht in Stuttgart Karriere. Seit 1755 Premier Peintre von Herzog Carl Eugen, wird er Gründungsfigur der Académie des Arts und zuletzt hoch geschätzt als Künstler und Mensch einer der Professoren der Hohen Carlsschule.
Flossen besitzt das muntere Seepferd anstelle von Hufen.
Der zweite Brunnen verherrlicht die schöne Meeresgöttin Amphitrite im Kreis wohlgestalteter Gespielinnen, die sich mit Meeresuntieren, Fischen oder dem Blasen eines Muschelhorns vergnügen.
Diese Plätze und ihr Schmuck wirken fast wie Champagner. Besäße Stuttgart doch wenigstens einen einzigen derartigen Brunnen aus der Zeit seines Neuen Schlosses und der Carlsakademie! Aber man muss sich wohl eingestehen, dass der hiesige Pietismus solche Frivolitäten nicht geduldet hätte, werden doch um 1850 selbst antike Klassiker wie die Kopien der Venus von Milo oder der Medici Venus als anstössig aus dem Schlossgarten verwiesen und ins Exil bei Schloss Rosenstein verbannt.
Nancy als Zwischenstation zu den Schlössern an der Loire – das war eine überaus erfreuliche Entdeckung. Die Weiterreise erfolgt mit der festen Absicht, Nancy bald wieder zu besuchen.