Schloss Fachsenfeld III – der Rappe und sein Testament: Friedrich Rottmann (1768-1816), Der Rapp in jungen Jahren (1815/16), u. r. sign., Aquarell, 34,5 x 44,8 cm
Im Schloss Fachsenfeld hat Wilhelm von Koenig in Erinnerung an seine Teilnahme am Russlandfeldzug ein „Russenzimmer“ eingerichtet. Das wichtigste Exponat des Raumes ist gewiss dieses Blatt. Darunter hat Koenig geschrieben: Der Retter meines Lebens auf dem Rückzuge von 1812. Das temperamentvolle Pferd (1805?-1838) erscheint vor einer lieblichen Flusslandschaft mit Hügeln, Burgruine und kleinen Orten. Wo das sein könnte, fand ich nicht heraus.
Der Enkel Franz von Koenig (1866-1918) hat das Blatt am 11. September 1910 rückseitig beschriftet. Friedrich Rottmann, Universitaetszeichenlehrer Heidelberg (c 1780-1817), bei dem mein Grossvater Frhr Wilh Koenig zu Fachsenfeld als Student Zeichenunterricht hatte. Vater des berühmten Karl R (1798-1850) – fecit 1815 oder 16 – … Der Rappe … damals c 10 Jahre alt.
Den Rapp, wie er stets genannt wird, erwarb Koenig 1812 für stattliche 30 Louis d‘or. Im Rückblick schreibt er: ein herrlicheres Tier konnte es wohl nicht geben.
Das ungewöhnliche Denkmal
Das ungewöhnliche Denkmal ließ mich nicht ruhen. Im Herbst 2022 erstmals gesehen, finde ich im Frühjahr 2023 in Aalen und Fachsenfeld großzügige Unterstützung von allen Seiten. Ich danke herzlich Dr. Georg Wendt, dem neuen Stadtarchivar von Aalen. Er hat den Nachlass der Familie Koenig-Fachsenfeld durch ein Findbuch 2022 erschlossen. Die Archivbestände werden inzwischen im Stadtarchiv Aalen verwahrt. Dann gilt Dank für Zeit und vielfältige Hilfe insbesondere Herrn Hannes Täuber M. A., dem neuen Geschäftsführer der Stiftung Schloss Fachsenfeld.
Der Rapp in besten Jahren
Friedrich Rottmann, Detail aus vorigem
Bei den Recherchen im Stadtarchiv Aalen stoße ich unter N KOE 513 mit Überraschung auf eine lebendige Behandlung meines Themas. Elke R. Evert, Das Testament des Rappen, in: Reiterjournal, Dezember 1982/Januar 1983, S. 21 ff. Der Bericht von Frau Evert fußt auf Gesprächen mit dem letzten Vertreter der Familie, mit Reinhard von Koenig-Fachsenfeld (1899-1992). Zugang zu Archivalien hatte sie nicht. Deshalb bleibt nach über 40 Jahren dank lauter Neuaufnahmen und weiteren Informationen ein aktueller Blick auf Fachsenfeld ergiebig und reizvoll.
Wilhelm Koenigs Urenkel Reinhard war vielseitig. Er zeichnete sich aus als Rennfahrer, Diplom-Ingenieur, Konstrukteur, Entwickler der Aerodynamik von Autos sowie als Inhaber zahlreicher Patente. Um den Fortbestand seines Erbes besorgt, gründet der Kinderlose 1981 die Stiftung Schloss Fachsenfeld. Den alten Herrn habe ich in meinen jüngeren Jahren verschiedentlich getroffen. Es geschah im Zusammenhang mit der bedeutenden Sammlung italienischer Zeichnungen von Schloss Fachsenfeld. Diese Sammlung seines Vaters Franz von Koenig, Enkel unseres Wilhelm, überließ er 1976 der Staatsgalerie Stuttgart als Dauerleihgabe.
Carl v. Ebersberg alias Carl Martin Ebersberg
Carl v. Ebersberg, Kopf des Rapp in jüngeren Jahren, rückseitig: c. 1838, Öl auf Papier auf Leinwand, 36,2 x 30 cm, Aalen-Fachsenfeld, Stiftung Schloss Fachsenfeld
Der eindrucksvolle Kopf überrascht durch seinen wachem Blick. Es ist es wenig glaubhaft, dass dies der Rapp in seinem Todesjahr 1838 sein soll (vgl. die nächsten Bilder). Wenn das zuträfe, käme der rückseitig als Autor genannte Ebersberg als Maler nicht in Frage.
Wilhelm von Koenig hat Carl v. Ebersberg, sonst bekannt als Carl Martin Ebersberg (Biberach 1818-1880 Graz), als jungen Mann vielfach beschäftigt. Denkbar ist es, dass der 20jährige den Auftrag erhält, das geliebte Pferd in Jugendjahren darzustellen. Dabei hat er sich wohl am obigen Aquarell zu orientieren.
Carl v. Ebersberg, Oberjustizrat Wilhelm von Koenig in der Uniform eines Kgl. Kammerherrn, Detail, 1840, vgl. vorletzten Beitrag
Eine hohe und breite Stirn unter lockigem Haar, die sich nach unten verschmälernde Kopfform, weit stehende Augen, ein schmaler Mund unter langer Nase – alles vermittelt den Eindruck von Wachheit und Entschlusskraft. Dazu kommt auch Humor.
Carl v. Ebersberg, Pferdestall in Fachsenfeld, ÖL, 44 x 54 cm, Aalen-Fachsenfeld, Stiftung Schloss Fachsenfeld
Der Stall hat vier Pferdeboxen. Ein Reitknecht führt den gesattelten Rapp dem Schlossherrn vor, der sein Pferd prüfend betrachtet. Ausgeführt wohl um 1838/40, handelt es sich um ein Bild der Erinnerung. Als der Rapp so fit aussah und noch geritten werden durfte – also bis 1830 –, war der Maler noch ein Kind.
Der alte Rapp
Carl v. Ebersberg, Der Rapp 1837, Stadtarchiv Aalen, Stiftung Schloss Fachsenfeld, N KOE 579, Meine Erlebnisse III. Von Wilhelm von Koenig bez. u. r. der Rapp von Maler Carl v. Ebersberg zu Fachsenfeld gezeichnet in seinem 33 Jahr, ein Jahr vor s. Tod, Aquarell über Bleistift. Das kleine Blatt hat Koenig seinen „Erlebnissen“ beigefügt.
Ernst von Hayn, Der alte Rapp mit einem Knecht, Schwarze Feder, u. von Koenig bez. von meinem Neffen Baron Ernst v. Hayn nach der Natur mir gezeichnet, Stadtarchiv Aalen, Stiftung Schloss Fachsenfeld, N KOE 579, Meine Erlebnisse III
Ernst von Hayn (1822-1896) ist im Todesjahr des Rapp 16 Jahre alt. Er macht seinem Onkel mit dieser etwas unsicheren Jugendzeichnung wohl eine rechte Freude. Später ist er als Offizier, Maler und Bildhauer aktiv.
Der Rapp mit Schloss Fachsenfeld
Carl v. Ebersberg, Der alte Rapp, u. sign. und 1838 dat., Öl auf Leinwand, 62 x 75,3 cm, Aalen-Fachsenfeld, Stiftung Schloss Fachsenfeld
Das Gemälde zeigt das struppige Pferd in seinem Todesjahr, aber anders als die beiden vorangehenden Darstellungen in noch wacher Haltung. Erneut ist anzunehmen, dass Ebersberg den Rapp in idealisierter Weise als zwar altes, aber noch kräftiges Pferd festhalten sollte. Von der leichten Anhöhe sieht man links in der Ferne Schloss Fachsenfeld.
Das Testament eines Pferdes
Koenig ist ein Mann mit speziellem Humor. 1830 schickt er den Rapp von Ulm nach Fachsenfeld in den Ruhestand. Dazu erklärt er (Stadtarchiv Aalen, Stiftung Schloss Fachsenfeld, N KOE 579, S. 52 ff.) dem Hausmeister und den Knechten, der Rapp werde ein Testament machen und darin nur diejenigen bedenken, welche ihn gut behandeln und versorgen. Da ich verboten hatte, daß er noch geritten werde, so wurde im Schloßgarten ein gehörig großer Platz mit Stangen eingezäunt, in welchem er sich den Tag über ergehen konnte. So verlebte er noch 8 Jahre. …
DAS TESTAMENT DES RAPPEN, Stadtarchiv Aalen, Stiftung Schloss Fachsenfeld, N KOE 443, III, 30.2
Das von Koenig im Namen des Rapp verfasste Testament, das bei dessen Beerdigung laut des obigen Vermerks verlesen wurde, möchte ich der Allgemeinheit nicht vorenthalten. Nicht zuletzt, weil es eine Chance bietet, sich in die Schreibweise Koenigs und des 19. Jh. etwas einzulesen.
Testament meines Rappen
Ob ich gleich weiß, daß einem Thiere nicht die gleichen Rechte, wie dem Menschen, eingeräumt werden und ich nichts hinterlassen kann, worauf die Menschen einen Werth legen, um damit denjenigen nach meinem Tode meinen Dank zu bezeugen, welche mich in meinen alten Tagen gewartet und gepflegt haben, so habe ich, der ich in 27 vollen Jahren jeden Wink meines Herrn verstehen und befolgen gelernt habe, die Gewißheit, daß er in Anerkennung meiner furchtlosen und unermüdlichen Dienste und besonders allen der Gefahren und Strapazen, welche ich in den Kriegen von 1812 und 13 mit ihm theilte, auf meine Wünsche Rücksicht nehmen und das getreulich vollziehen wird, was ich hier für den Fall meines Todes als meinen Wunsch ausspreche.
Es ist mir bekannt, daß ich in der Erde meine Ruhestätte finden werde, welche meinem Herrn gehört und daß mein Andenken bei ihm nicht erlöschen wird. Ich habe deswegen in dieser Beziehung nichts zu verfügen.
Indem ich daher vor Allem Gott, der eben sowohl der Schöpfer der Thiere, als der Menschen und ihr allzeitiger Beschüzer ist und an welchen ich mich daher auch zu wenden das Recht habe, bitte, daß er denen, die mir Gutes erwiesen haben, es vergelten möge, so wünsche ich … [es folgen die Zuwendungen und auf der Rückseite das Ende]
Dieses mein Testament ist bei meiner Beerdigung zu verlesen und sodann meinem Herrn zur Vollziehung zuzustellen.
Fachsenfeld im November 1838 und im 34 Jahre meines Lebens.
Ex Libris
Stadtarchiv Aalen, Stiftung Schloss Fachsenfeld, N KOE 443, III, 30.2
Das Ex Libris, in den Archivalien mehrfach vorhanden, entsteht erst nach Koenigs Tod, wie aus dem Text zu ersehen ist. Es dient zur Kennzeichnung seiner Buchbestände und zeigt ihn im Alter von etwa 40 Jahren. Hinter ihm steht in der Ferne der Rapp im Schlossgarten bei einem großen Baum.
Als Koenig vom Hausmeister am 19. November 1838 vom Tod seines Lieblingpferdes erfährt, kehrt er sofort aus Ulm nach Fachsenfeld zurück. Aber nicht zur Beerdigung, denn er fühlt sich ihr nicht gewachsen. Wenn sie vollzogen ist, soll es wie bei militärischen Ehrungen 25 Kanonenschüsse geben. Er hört diese, als er noch in einer Entfernung von etwa 2 Stunden von Fachsenfeld ist. Da weiß er, dass sein Lebensretter und treuer Freund die letzte Ruhe gefunden hat.
Was für ein beeindruckendes Beispiel praktischer Tierethik lange bevor sie aktuell geworden ist! Viel beeindruckender als vieles, was heute unter dem Namen der Tierethik zu lesen ist.