Piazza Signoria und Michelangelos David. Im Mai 2018 Stippvisite am Arno: Florenz ist mir vertraut aus Jahren des Studiums sowie erster beruflicher Tätigkeit. Hinzu kommen zahlreiche Besuche seitdem, die stets die Freude neuer Entdeckungen mit sich bringen oder das Wiedersehen mit Kunstwerken wie mit jung gebliebenen alten Freunden. Dies teilt sich hoffentlich auch bei der Betrachtung meiner Bilder und ihrer Erläuterungen mit.
Palazzo della Signoria/Palazzo Vecchio und sein Umfeld
Piazza della Signoria, morgens um 7:40 Uhr, vor einem Termin in den Uffizien: nur eine einzige Touristin ist da, die vergnügt ein Foto von Michelangelos David von unten macht.
7:50 Uhr: als 1. Gast dieses Tages in den Uffizien, 25 min vor dem Besucherstrom und diesem dann immer voraus – menschenseelenallein mit weltberühmten Kunstwerken, ein absolut einmaliges Erlebnis.
Wo ist diese Aufnahme gemacht? Im Morgendunst eines sehr heißen Tages sieht man die schönste Kuppel der europäischen Architektur, die Kuppel des Florentiner Doms.
Dieses spätere Foto vom Turm des Palazzo della Signoria zeigt den Aufnahmeort des vorangehenden: die Dachterrasse der Loggia dei Lanzi. Da man aus Sicherheitsgründen nicht mehr in die Nähe der Brüstung darf, kann man nur durch sie hindurch fotografieren.
Hier sieht man über die Dächer und den Arno hinweg auf das Quartiere di Santo Spirito. Es führt seinen Name nach der gleichnamigen Kirche, die wie die Domkuppel ein Meisterwerk von Filippo Brunelleschi (1477-1446) ist. Dahinter steigen Hügel mit schönen Villen an, die in den Chianti überleiten.
Palazzo und Piazza della Signoria um 1558, gemalt von Giovanni Stradano (1523-1605). Zu sehen ist auf dem Fresko auch der Marzocco, der Löwe von Donatello (um 1386-1466) aus dem Jahr 1420.
David bis Perseus
Hier sind vereint Michelangelos David, Baccio Bandinellis (1488/1493-1560) Herkules im Kampf mit Cacus und der Perseus von Benvenuto Cellini (1500-1571).
Aus den Schätzen der Uffizien wähle ich diesen schrecklich-schönen weltberühmten Kopf der von Perseus enthaupteten Medusa von Caravaggio (1571-1610) aus. Zum einen wegen Cellinis Skulptur, aber auch wegen des Perseus-Zyklus von Edward Burne-Jones (1833-1898) in der Staatsgalerie Stuttgart.
Nicht nur die beiden hingebungsvollen und lässigen Engelbuben von Raffaels Sixtinischer Madonna in Dresden, auch diese geflügelten Kinder zeichnen sich durch genaue Beobachtung und ihre hinreißende Anmut aus. Es ist ein Detail der „Thronenden Madonna mit Heiligen“ von 1518 des jungen Malers Rosso Fiorentino (1495-1540) in den Uffizien.
Inniger ist das Vertieftsein kleiner Kinder in ein Buch, das Sprechen, Zuhören und Betrachten kaum dargestellt worden. Und dabei hat der aufmüpfige Rotschopf – daher der Name des Künstlers – seine Auftraggeber manchmal geradezu schockiert. Darunter auch mit diesem Bild, weil seine Heiligenfiguren als abstossend empfunden wurden. – Der große Maler beendete seine Karriere am Hof des französischen Königs Franz I.
Michelangelos David in der Accademia
Von Touristenschlangen auf der Straße angekündigt, befindet sich das Original des David von Michelangelo seit dem 19. Jh. in der Galleria dell’Accademia. Bei 600 Besuchern muss die Sammlung wieder und wieder geschlossen werden.
Aus einem Marmorblock, den ein anderer Bildhauer verhauen hatte, von Michelangelo gestaltet, war der David für die Dachregion des Florentiner Doms vorgesehen und daher auf Untersicht berechnet. Das ist auch die Erklärung für die Haartolle und großen Hände. Angesichts der vollendeten Skulptur erkennt am 25. Januar 1504 eine Bürgerkommission, darunter Leonardo da Vinci und Botticelli, den überragenden Rang dieses Meisterwerks des 29jährigen Künstlers. Die Kommission bestimmt, dass der David nicht in die Dachregion des Doms verbannt werden darf. Dort wäre sie kaum wahrnehmbar. Sie solle vor aller Augen am Palazzo della Signoria stehen.
Dort fungiert dieser David auch als Symbolfigur für den Willen und die Fähigkeit der Stadt Florenz, sich gegen stärkere Feinde zu behaupten, so wie es der junge David des Alten Testaments gegenüber dem weit überlegenen Riesen Goliath tat.
Michelangelos jugendlicher Held ist noch nicht der Sieger, er richtet aber siegesgewiss seinen Blick ruhig und entschlossen auf den fernen Feind, in der Rechten den Stein, in der Linken die Schleuder.
Der Rest ist pure männliche Schönheit in einer von allen späteren Jahrhunderten als klassisch empfundenen Form. Dies Hauptwerk der Hochrenaissance ist die bekannteste männliche Statue weltweit.
Kunstpilger in beglücktem, manchmal vor Staunen sogar schweigendem Zustand.
Das Besucherverhalten ist hier ähnlich wie vor Leonardos Mona Lisa im Louvre.