Im letzten Beitrag zur Ausstellung „Alexander Calder. Minimal / Maximal“ ging es vorwiegend um schwereloses Schweben von schwarzweißen Gebilden und ihre Schatten. Hier tritt das Element der Farbe hinzu.
Dieses kleine Standing Mobile lädt wie die bereits gezeigten Arbeiten zu genauerer Beobachtung ein. Die Schatten an der Rückwand stammen von einem größeren, höher hängenden Mobile – siehe nächstes Bild. Ohne die Möglichkeit, hin und her zu gehen, ist das Durchschauen von Calders Konstruktion bei einem Foto nicht ganz einfach. Die Entschlüsselung aber ein kleines, intellektuelles Vergnügen.
Es schweben insgesamt vierzehn kreisrunde Scheiben. Drei davon links untereinander in schwarz, blau und gelb. Sie überschneiden sich im Schattenbild am Boden. Die elf, freier im Raum schwebenden Scheiben lassen dagegen ihre Anordnung erst durch genaues Ansehen ihrer Schatten ganz verstehen.
Das zu einer Einheit versammelte Werkensemble verbindet Miniformate in den beiden Vitrinen mit dem gerade betrachteten Werk und einem wunderbaren farbigen Mobile, das jeden Raum mit Heiterkeit, Frohsinn und Grazie beleben dürfte.
Zwei kahlköpfige, scheinbare Finsterlinge erweisen sich als genaue Beobachter von Calders kleinen Meisterwerken. Am Ende sind solche typischen alten weißen Männer gar nicht so übel, wie manche heute gerne glauben möchten. Eines spricht zumindest für sie. Sie sind Freunde der Kunst, sonst wären sie nicht in dieser faszinierenden Ausstellung. Und damit sind sie eigentlich eher „Lichtlinge“ zu nennen.
Ein weiterer genauer, wenn nicht skeptischer Betrachter von Calder. Mit seiner Zebranote kennen wir ihn bereits. Auch mit seinem Dutt. Dabei muss ich als oberflächlicher, schon halb aus der Zeit gefallener und dennoch fröhlicher Greis spontan immer an die japanische Kriegerkaste der Samurai denken, an so Schlimmes wie Harakiri und dann auch an aufwendige Haarpflege. Aber jede Generation hat das gute Recht, nach eigenen Vorstellungen kurios aufzutreten.
Nahes und Fernes
Vor einer der beiden mit uraltem Marmor edel verkleideten Versorgungsschächte in Mies‘ gläserner Halle schweben Calders Scheiben besonders schön. Im Foto ist da kaum etwas zu entschlüsseln. Stattdessen stellen sich Assoziationen zur Wirkung der Milchstraße ein und ihrem Zauber.
Was will solche Begeisterung bewirken?! Sie ist ein Aufruf, diese Ausstellung wenn irgend möglich zu besuchen. Ansprechende Bilder vermitteln manches. Bei Calder bedeutet aber das Raumerlebnis unendlich viel mehr.
Zum Abschied ein wahrhaft monumentales Stabile, die tonnenschwere, 1976 entstandene Großskulptur „Five Swords“, entliehen von der Calder Foundation in New York. Die Schwerter füllen mit ihren fast 7 x 9 m wie selbstverständlich den Raum vor dem zweiten marmorverkleideten Versorgungsschacht. Dahinter sieht man seitlich Häuser vom Schönberger Ufer jenseits des Landwehrkanals. Und ganz rechts ist auf der Terrasse ein Teil von Calders dort immer stehendem, quasi jubelndem Werk „Têtes et Queue“ zu sehen, mit dem ich diese sechsteilige Bilderfolge auch eröffnet habe.
Voller Freude darf ich darauf hinweisen, dass auch Stuttgart ein Stadtbild prägendes Meisterwerk Calders besitzt.