Von Giotto bis Leonardo da Vinci – das ist der Untertitel zur Ausstellung „Florenz und seine Maler“ in der Alten Pinakothek in München, die vom 18. Oktober 2018 bis 27. Januar 2019 stattfindet.
Die Ausstellung machte von Anbeginn Furore. In einmaliger Weise trafen Hauptwerke nicht nur der florentinischen, sondern der europäischen Kunst in München zusammen. Andreas Schumacher und sein Team hatten eine Meisterleistung vollbracht. Deshalb verfasste ich bereits im November 2018 eine Reihe von Beiträgen, halb Betrachtungen, halb Kommentare. Damit wandte ich mich zurück zu meinen Lehr- und Wanderjahren, die ich in München und länger noch in Florenz verbrachte.
Landschaftszeichnung um 1500
Ich beginne mit einer herrlichen Zeichnung von Fra Bartolommeo. Wie vor ihm Fra Angelico war er ein malender Mönch des Klosters San Marco.
Anders als wissenschaftlich üblich, werde ich meistens zunächst einen Ausschnitt eines Werkes und dann erst die Gesamtaufnahme zeigen. Denn das legt ja eine solche Ausstellung nahe: man lässt sich oft zunächst fesseln von einem Detail, tritt dicht heran, ist verlockt von der Gestaltungsfähigkeit eines Künstlers.
Meine iPhone-Impressionen sind auch bestimmt von den gedämpften Lichtverhältnissen in der Ausstellung. Vereinzelt rühren daher kleine Spiegeleffekte auf den verglasten Werken.
Fra Bartolommeo (1472–1517), Kloster in einer Felslandschaft, um 1500, Wien, Albertina.
An einem Berghang steht ein von Mauern umschlossenes Gebäude mit einem überdachten Brunnen davor. Wunderbar und voller Temperament ist die Führung der Feder mit lebhaften, sicheren Strichen und Schraffuren. Das Blatt ist auch ein Zeugnis für die verstärkte Hinwendung der florentinischen Künstler zur Landschaft. Dabei dienten niederländische Maler als Vorbild. Deren Bilder waren sehr beliebt bei Kaufleuten und Sammlern von Florenz, die mit den Flamen gute Geschäfte machten. Eine Initialzündung gab es 1483. Damals traf der riesige Portinari-Altars von Hugo van der Goes in Florenz ein (heute in den Uffizien). Die Florentiner Kunstwelt war zutiefst beeindruckt und das Echo nachhaltig.
Maltechnik in Tempera
Bernardo Daddi (ca. 1290er Jahre–1348), Hl. Bischof mit einem Stieglitz, ca. 1335/40, München, Alte Pinakothek.
Zu Beginn der Ausstellung gibt es sehr informative Angaben zu Malmethoden und zur schrittweisen Entstehung der Bilder. Ergebnisse von jahrelangen bildtechnischen Untersuchungen werden mitgeteilt. Mit geschärftem Blick begegnet man den Kunstwerken.
Hier das frühe Beispiel zur Erläuterung der Temperatechnik. Man schätzte sie in Florenz bis weit ins 15. Jh.. Der Goldgrund suggeriert einen himmlischen Idealraum. Mit eingeritzten Linien ist er genau von der Figur abgegrenzt und mit verschiedenen Techniken ornamental gestaltet. Eiweiß dient bei der Figur als Bindemittel für das Anreiben der Farbpigmente. Das trocknet schnell und erfordert daher zügiges Arbeiten mit vielen feinen Strichlagen. Die Farbwirkung ist eher opak, die Robustheit groß.
Die aufkommende Ölmalerei ermöglicht ein längeres Nass-in-nass-Arbeiten und damit auch stufenlose Farbübergänge sowie Lasuren. Auch das wird veranschaulicht. Zudem geben Screenshots Aufschluss über Vorzeichnung, Übertragung der Komposition auf den Malgrund sowie über Modifikationen und die Schritte zur endgültigen Ausführung.
Gaben zur Geburt
Ein Kind wurde geboren in einem Renaissancepalast, dessen Hof Säulenarkaden schmücken. Die Amme hält das Baby in den Armen, eine Magd trägt warmes Wasser herbei, um es zu waschen. Sechs elegante, modisch gekleidete Männer bringen Geschenke.
Giovanni di Ser Giovanni Guidi, gen. Lo Scheggia (1406–1486), Geburtsszene, 1430–1440, Paris, Musée Jacquemart-André.
Masaccios Bruder, der Scheggia (= Splitter) genannt wurde, malte das, was zwei der jungen Männer auf dem Kopf tragen. Die Rede ist von einem „desco da parto“, einem Geburtstablett. Darauf wurden den Wöchnerinnen Geschenke dargebracht. Hier handelt es sich nicht um eine gewöhnliche, sondern um eine christlich bedeutsame Geburt. Die Taube des Hl. Geistes schwebt herab. Die Wöchnerin ist daher die Hl. Elisabeth oder die Hl. Anna. Beider Kinder, Johannes der Täufer bzw. Maria, wurden in Florenz besonders verehrt. Das Geschehen beobachtet eine Frau vom Balkon aus.
Ausdruck von Bescheidenheit
Maria wirkt wie eine Himmelskönigin, auch ohne Krone und Thron, umstrahlt von raumlosem, gleichsam heiligem Goldglanz. Unter diesem scheint die rote Untermalung etwas durch. Marias Aufmerksamkeit gilt nicht ihrem Kind, das mit Umarmung und zärtlichem Gesichtsausdruck ihre Nähe sucht. Die Gottesmutter blickt auf den Gläubigen, der sich ihr vor dem kleinen, erlesenen Andachtsbild zuwendet.
Lorenzo Monaco (1365/70–1423/24), Maria mit Kind, datiert 1407, Staatsgalerie Stuttgart.
Lorenzo Monaco war ein malender Mönch, der den Übergang vom „Weichen Stil“ des ausklingenden 14. Jh. zur Frührenaissance markiert. In diesem Andachtsbild zeigt er den Typus der Madonna dell‘ Umiltà, eine Madonna der Bescheidenheit oder Demut. Diese Muttergottes thront nicht, sondern sitzt genügsam auf einem Kissen am Boden. Exquisite Farbigkeit und die Pracht der fließenden, melodischen Faltenbewegungen geben dem kleinen Werk einen fast juwelenartigen Charakter.
Leonardos Arnotal vom 5. August 1473
NICHT IN DER AUSSTELLUNG: Die leidenschaftliche Federskizze bietet einen Blick zwischen felsigen Hängen hinab auf ein Tal mit Flusslauf, Feldern und fernen Hügel. Es handelt sich um ein Detail der ersten uns bekannten reinen Landschaftszeichnung der europäischen Kunst. Geschaffen hat sie der 21jährige Leonardo da Vinci im Jahr 1473.
Die Aufnahme entstand im Juni 2016 bei einem privaten Besuch des Gabinetto dei Disegni der Uffizien. Dem Förderverein – Kunsthistorisches Institut in Florenz wurden Werke von Leonardo, Michelangelo, Raffael, Tizian, Dürer u. a. präsentiert. Außerdem ging es in der Fortezza da Basso um die Restaurierung der Anbetung der Könige und anderer Hauptwerke Leonardos, die genauso aus allernächster Nähe in Ruhe betrachtet und sogar fotografiert werden durften. Unvergessliche Kunsterlebnisse sind das.
NICHT IN DER AUSSTELLUNG: Leonardo da Vinci (1452-1519), Landschaft mit Fluss, 5. August 1473, Florenz, Galleria degli Uffizi, Gabinetto dei Disegni
Dieses weltberühmte Blatt des genialen und vielseitigsten Künstlers aller Zeiten hätte auch in München „bella figura“ gemacht. Doch es durfte nicht verliehen werden. Deshalb präsentiere ich es hier.
Kunsthistorisches Institut in Florenz
Wer solche und viele andere nicht leicht zugänglichen Kunstwerke, Orte und Plätze in Florenz und Umgebung sowie ihre Erforschung kennenlernen möchte, findet den geeigneten Freundeskreis dazu im:
VEREIN ZUR FÖRDERUNG DES KUNSTHISTORISCHEN INSTITUTS IN FLORENZ (MAX-PLANCK-INSTITUT) e. V.
Das Institut wurde 1897 gegründet, im Jahr darauf der genannte Verein, der 2018 sein 120jähriges Bestehen feiern konnte. An dem Institut verbrachte ich Ausbildungs- und erste Berufsjahre. Seit 1989 gehöre ich dem Vorstand des Vereins an.
Anlass für meinen Ausstellungsbesuch war die Mitgliederversammlung des Vereins in München. Dabei wurde ein neuer Vorsitzender gewählt und zwar Dr. Andreas Schumacher. Er ist der Veranstalter dieser famosen Schau und zugleich der jüngste Vorsitzende des Vereins im Verlauf von 120 Jahren. Wir hoffen durch diesen Generationswechsel auf viele neue Mitglieder. Diese erhalten für einen bescheidenen Jahresbeitrag (50 €, Paar 65 €) nicht nur jährlich drei Forschungsbände im Umfang von gut 400 Seiten. Sie können auch an Veranstaltungen teilnehmen, die zwischen München und der Toskana wechseln. Bei Rückfragen: bitte sich an Dr. Schumacher, Alte Pinakothek, oder mich wenden.
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