Eberhard Wächter, Herkules II: um 1835, Öl auf Leinwand, 73 x 85,5 cm, Privatbesitz
Wächter präsentiert Herkules im Gegensatz zu manchen Vorläufern nicht als „herkulische“ Gestalt, sondern als jungen Mann ohne Löwenfell. Seine 12 Heldentaten stehen ihm noch bevor. Das verdeutlichen die Keule und der winzige Löwe rechts. Die Farbigkeit ist verhalten, die Tugend keineswegs ganz in weiß, sondern durch ein gedämpftes Violett hervorgehoben. Auch deutet sie nicht mit der Rechten in die Höhe zu einem Ruhmestempel. Stattdessen hält sie für den langen und harten Weg einen Wanderstab und als künftige Auszeichnung des Helden einen Lorbeerkranz. Alles ist schwäbisch züchtig. Herkules tritt nicht mehr nackt auf, sondern nobel drapiert. Das Verführerische des Lasters kommt mit der Blöße von Schulter, Armen und Bein sowie den Goldsandalen aus. – Denkt man an den derzeitigen Verhüllungszwang in manchen Bereichen der Welt, dann wäre das bereits eine gotteslästerliche Zügellosigkeit, die zum Tod führen könnte.
Detail aus vorigem – mit Andeutungen des harten und dornigen Wegs, der dem Helden bevorsteht.
Eberhard Wächter, Herkules II: Entwurf und Ausführung
Hier stelle ich einmal Entwurf und Ausführung direkt nebeneinander, weil sich eine solche Vergleichsmöglichkeit nicht so oft bietet. Betrachtet man diesen Kompositionsausschnitt, könnte man fast an eine Familienszene denken. So, als wende sich der Mann in reinem Profil zu seiner elegisch-verführerischen Gattin zurück wie bei einem Abschied – in ähnlicher Weise wie Angelika Kauffmann zu ihrer geliebten Musik. Dabei fällt Amor als Kind eine spielerische Rolle zu. Er will dem „Vater“ das Arbeitsgerät entwinden und eine glückliche Gegenwart erhalten. Auch verlocken Blumen zum Bleiben, ein Tamburin zu Musik und sanfte Gesten der Frau zu angenehmen Erlebnissen.
Und dennoch bedeuten die Kopfwendung des Herkules und das Aufsetzen des linken Fußes auf felsiges Gelände, an dem Disteln und blütenlose Pflanzen wachsen, dass er eine Entscheidung getroffen hat. Herkules erkennt in der heroischen Haltung der Tugend die Verpflichtung, sich hehren Aufgaben zu stellen. Alles in allem ein etwas schmerzlicher Abschied vom Dolce far niente bzw. insgesamt einer Dolce Vita. Damit findet Wächter für das griechische, seit dem 15. Jh. in der bildenden Kunst immer wieder auftauchende Thema eine ruhige und in keiner Weise anstößige Form. Sie ist zugleich eine tief schwäbische Darstellung moralischer Selbstoptimierung.