Florenz – Palazzo Vecchio und sein Aussichtsturm. Der zweite Florenz-Beitrag zeigt überwiegend Bilder vom Besuch des Palazzo della Signoria, bezeichnet auch als Palazzo Vecchio. Sein eleganter Turm bietet sich als Alternative zum Ersteigen der Domkuppel.
Der Turm
An einem feuchtheißen Tag im Mai 2018 empfiehlt sich die Besichtigung des vergleichsweise stillen Palazzo della Signoria. Denn der Besuch der bis in die Nachmittagsstunden total überfüllten Uffizien, Accademia, des Doms oder der Medici-Gräber wäre schon wegen der langen Wartezeiten fast eine Qual.
Erbaut ab 1299, dem Vorbild in Volterra folgend, hat der Palazzo Vecchio einen ausgesprochen wehrhaften Charakter. Er besitzt einen der wenigen Türme in der Stadt. Dazu nur Folgendes: von Zeit zu Zeit gab es Kämpfe zwischen rivalisierenden florentinischen Familien. Das führte zum Verbot der sog. Geschlechtertürme bzw. zu deren Rückbau. Ausnahmen gibt es in San Gimignano.
Der Turm des Palazzo Vecchio ist 94 m hoch. Ihn zu erklimmen ist ist eine lohnende Alternative zum spiraligen Aufstieg durch die Doppelschalen der Domkuppel. Das Gedränge ist gering und die Sicht vom Turm ist noch lohnender, weil man nämlich auf die noch berühmtere Kuppel blicken kann.
Vor Jahrzehnten konnte ich als einziger Besucher dieser obersten Terrasse noch die Wendeltreppe hinaufsteigen. Es war allerdings eine mulmige Erfahrung. Denn man kann wegen der oberen vorkragenden Geschosse des Turms seine Basis nicht wahrnehmen.
Man führt zum Empfinden, in quasi bodenloser Höhe zu sein und zu einem Schwindeltest ganz besonderer Art. – Heue verhindert eine eiserne Tür diesen weiteren Aufstieg.
Blicke vom Turm
Ein erster flüchtiger Blick zwischen den Zinnen bietet die Sicht auf Brunelleschis Domkuppel wie auf ein architektonisches Juwel.
Nach Norden dehnt sich das Arnotal bis zu den Hängen von Fiesole und benachbarter Regionen aus. Hitze dämpft etwas das berühmte toskanische Licht und seine Klarheit. Fast kristallin aber doch der Dom mit seinem prachtvollen, frei stehenden Campanile. Rechts vorne ist der elegante Turm der Badia Fiorentina zu sehen.
Zum Vergleich ein Bild vom Dezember 2017.
Nach Süden hin sieht man über den Arno auf die Wohnhäuser an der Costa San Giorgio, die die schönste Sicht auf das Zentrum der Stadt bieten. Dahinter steigt der obere Teil des Boboli-Gartens an. Ihn überragt die Fortezza da Belvedere, die „Festung Schönblick“, die ihren Namen in jeder Himmelsrichtung nach wie vor verdient. Dahin hätten sich die Medici in einem Notfall retten können.
Ein Blick nach Osten an einem Wintertag. In der Nähe sieht man die nach dem Dom und Santa Maria Novella dritte große Kirche der Stadt: Santa Croce. Sie gibt gleichfalls einem Quartier den Namen. In der Ferne liegen jenseits des Arno die Hügel um den Poggio dell’Incontro mit seinen 557 m. Dort haben sich alte Ortschaften wie Villamagna ziemlich intakt erhalten, weil zum Schutz der Kulturlandschaft in der Umgebung von Florenz ein Bauverbot besteht.
Gitterroste zur Abwehr
Beim Heruntersteigen vom Turm des Palazzo Vecchio bis zu seiner ersten Zinnenreihe fallen mir unversehens Gitterroste auf. Sie sind heute verglast und mit einem Holzdeckel verschließbar. Etwa 20 sind es ringsum, die meisten über Eingängen zum Erdgeschoss des Palastes.
Hier sieht man sitzende Touristen. Die Verglasung führt zu Spiegelungen und Verschmutzung sowie Spinnweben zu geringerer Bildschärfe.
Durch diesen Gitterrost sehe ich zum ersten Mal Michelangelos David von oben.
Was ist der Zweck dieser Gitterroste? – Es ist eindeutig: man hätte „Pech und Schwefel“ auf angreifende Feinde schütten und damit die Einnahme des Palastes verhindern oder zumindest verzögern können. Auf jeden Fall wäre Zeit gewesen, sich in Sicherheit zu bringen. Das zeigt das nächste Bild.
800 m Fluchtweg
Der Corridoio Varariano mit seinen vergitterten Fenstern war ein denkbarer Fluchtweg für die herrschende Familie der Medici im Fall einer Erstürmung des Palazzo Vecchio. Das Foto wurde aus einem der doppelt verglasten Fenster des Umgangs der Uffizien gemacht – daher die Spiegelungen.
Aus Sicherheitsgründen entstand nach üblen Erfahrungen mit innerstädtischen Familienfehden und Vertreibungen aus der Stadt im Auftrag von Großherzog Cosimo I. 1565 ein Verbindungs- und Fluchtweg. Er trägt seinen Namen nach seinem Erbauer Giorgio Vasari (1511-1574), dem Maler und Architekten der Uffizien. Vom Palazzo della Signoria führt ein Gang durch die Uffizien, über den Ponte Vecchio und jenseits davon durch, hinter und zwischen Häusern hindurch bis zum Palazzo Pitti. Dort steht der Familie Medici der Boboli-Garten zur Verfügung, bei Bedarf aber auch der Weg in die Sicherheit der Fortezza di Belvedere und hinaus ins freie Land.
Eike Schmidt, der derzeitige deutsche Direktor der Uffizien, beabsichtigt den Corridoio Vasariano erstmals der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ich hatte das Glück, ihn bereits 1970 erkunden zu können.
Blickt man vom Haupteingang des Palazzo Vecchio hinauf zur vorkragenden Zinnengeschoss, so kann man links unter dem 2. und rechts unter dem 4. und 5. Bogenfeld die Gitterroste als dunkle Rechtecke ahnen.
Im ersten Innenhof des Palazzo Vecchio steht ein Brunnen, darauf ein zauberhafter Putto mit Delfin (nun ersetzt durch eine Kopie). Hier sieht man das Original in einem höheren Geschoss des Palastes. Es ist ein Meisterwerk von Andrea del Verrocchio (1435-1488), dem nicht nur als Lehrer von Leonardo da Vinci berühmten Bildhauer.
Ruhige Orte in der Stadt
In Florenz, einer der schönsten, aber auch überfülltesten Städte Europas, muss man die Orte der Stille suchen. Entspannte Lektüre im Boboli-Garten.
Dies ist ein Blick von dem erst seit wenigen Jahren zugänglichen Garten der Villa Bardini an der Costa San Giorgio, die von der Fortezza di Belvedere in Richtung Arno hinabführt