Napoleon, Russlandfeldzug 1812 und Albrecht Adam: Zur Einstimmung Napoleon Nr. 3: Jacques-Louis David, Überquerung des Großen St. Bernhard, 1801, Öl auf Leinwand, 264 x 232 cm, Wien, Österreichische Galerie Belvedere, Foto Wikimedia 

Das Selbstverständnis von Napoleon Bonaparte hat niemand so brillant eingefangen wie Jacques-Louis David (1748-1825). Deshalb präsentiere ich in diesem ersten Beitrag zum Russlandfeldzug auch die drei weiteren der insgesamt fünf Bildfassungen. Sie zeigen einen jungen Feldherrn, für den es keine Hemmnisse gibt, sondern nur Triumphe. 

David war ein großartiger Maler, der es verstand, sich stets geschmeidig an sich wandelnde politische Gegebenheiten anzupassen. Mit dieser Komposition schuf er ein Meisterwerk und Paradebeispiel der Kunst im Dienst politischer Propaganda. 

Arabische und sonstige Pferde

Nach meiner Beitragsserie zur Araberzucht in Württemberg (Nr. 74 bis 123) fand sich eine Fülle an weiterem Bildmaterial. Hiermit stelle ich einen Großteil davon vor. Die Hauptrolle spielt Albrecht Adam (1786-1862), einer der führenden Schlachten- und Pferdemaler seiner Zeit.

Situation nach 1800

Das Leben wird in ganz Europa geprägt von den Nachwirkungen der Französischen Revolution und von Napoleon (1769-1821). Der geniale Heerführer ist lange Zeit Sieger in fast sämtlichen Schlachten. 1804 krönt er sich zum Kaiser. Württemberg und Bayern macht er 1806 zu Königreichen. Er versucht seine Herkunft aus bescheidenen korsischen Verhältnissen durch eheliche Verbindungen mit europäischen Dynastien zu überspielen. In Bayern ist er damit erfolgreich, in Württemberg indirekt. Sein Stief- und Adoptivsohn Prinz Eugène de Beauharnais (1781-1824) heiratet 1807 Prinzessin Auguste von Bayern. Und sein Bruder Jérôme, dank Napoleon König von Westphalen, ehelicht Prinzessin Katharina von Württemberg, die Schwester von Kronprinz Wilhelm. Napoleon selbst gelingt 1810 seine 2. Heirat mit der Kaisertochter Marie-Louise von Österreich (1791-1847).

Russlandfeldzug 1812, Beauharnais und Adam

Kronprinz Wilhelm von Württemberg (1781-1864, ab 1816 König) kennt Napoleon bereits aus früheren Jahren in Paris. Im Feldzug von 1812 hat er den Oberbefehl über die württ. Truppen. Doch wegen einer ernsten Erkrankung nur für beschränkte Zeit.

Die italienischen und zeitweilig auch die bayerischen Kontingente führt Prinz Eugène de Beauharnais, Schwiegersohn von König Max I. Joseph von Bayern. Von 1805-1814 ist Napoleon auch König von (Nord-) Italien mit der Hauptstadt Mailand. Sein junger Stiefsohn Prinz Eugène wird Vizekönig. 1809 lernt dieser in München Albrecht Adam kennen und ernennt ihn zu seinem Hofmaler. Ab Ende 1809 ist Adam im Rang eines Capitano der italienischen Armee (ohne militärische Funktion) in Mailand tätig. Im Mai 1812 ordnet Beauharnais seine Teilnahme am Russlandfeldzug an. Der junge Maler dient mit seinen Bildzeugnissen als zeichnender Kriegsberichterstatter.

Napoleon Nr. 4

Jacques-Louis David, Napoleon auf dem Großen St. Bernhard, 1801, Öl auf Leinwand, 271 x 232 cm, Berlin, Schloss Charlottenburg, Foto Wikimedia

Napoleon ritt meist Schimmel. Dieses Bild zeigt eine seltene Ausnahme.

Napoleons Niedergang 

Der forsche Korse ist schnelles Siegen gewohnt. Davon geht er auch aus bei dem militärischen Unternehmen gegen Russland. Der Feldzug in der 2. Hälfte von 1812 gerät jedoch zu einem Desaster. Von der 600.000 Mann starken Grande Armée überlebt weniger als 10 Prozent. Die zwangsweise Verbündeten erleiden das gleiche Schicksal, darunter Bayern und Württemberg. Von 15.800 Württembergern kehren nur knapp 1.000 in die Heimat zurück.

Das verlustreichste Kriegsgeschehen des 19. Jh. resultiert nicht allein aus Kampfhandlungen. Als kurzer Feldzug in der Sommerzeit geplant, steht dieser von Anbeginn unter einem schlechten Stern. Versorgungsnot bei Hunderttausenden Soldaten und ca. 200.000 Pferden, ungeheure Distanzen (bis Moskau ca. 2.500 km), teilweise versumpfte Marschrouten, ansteckende Krankheiten wie Ruhr und Typhus, unzureichende Kleidung, Hunger und  Entkräftung – alles führt in dem riskanten Vorhaben schnell zu elenden Verhältnissen. Die Todesrate unterwegs bei Mensch und Tier ist ungeheuer. Oft bleiben Leichen von Menschen und Pferden beim Weiterzug einfach liegen. So reduziert sich z. B. die württ. Infanterie von ca. 7.500 Mann am 15. Juli ohne Kampfhandlungen bis zum 1. August 1812 auf ca. 4.000 Mann.

Napoleons Fehleinschätzung

Immer wieder hofft Napoleon auf eine Entscheidungsschlacht, nach der die Gegner sich ergeben. Doch die Russen weichen aus nach Osten. Ihr riesiges Land und die Witterung retten sie. Napoleon gewinnt mühsam manche Schlacht. Aber er siegt nicht. Der Brand von Moskau und der nahende Winter zwingen ihn Mitte Oktober zur schmählichen Aufgabe. Fürchterlich wird in Eiseskälte die Rückkehr. Die junge Großfürstin Katharina Romanowa und spätere Königin von Württemberg (1788-1819) kommentiert das so (Sauer 1997, 110): Unsere ruhmvolle Hauptstadt ist untergegangen, aber wir sind unerschüttert geblieben. Ihr habt Frieden erwartet, aber nein, wir sagen Tod.

Albrecht Adam als Chronist

Bis zum Erreichen von Moskau ist Adam Augenzeuge der Ereignisse. In Hunderten von Skizzen hält er sie fest. „Russland 1812“ wird ihm lebenslang Stoff für Kriegsdarstellungen liefern. Deshalb starte ich die Fortsetzung meiner Beitragsfolge mit dem Jahrhundertschock des Russlandfeldzuges.

Napoleon Nr. 5

Jacques-Louis David, Napoleon auf dem Großen St. Bernhard, Öl auf Leinwand, 268,5 x 224,5 cm, Schloss Versailles, vormals Besitz von Prinz Napoléon, Foto Wikimedia

Dank

Wie bei meiner 50-teiligen Beitragsfolge zur Araberzucht in Württemberg durfte ich erneut vom Wissen und der Hilfsbereitschaft von Kollegen und sonstigen Kennern profitieren. An erster Stelle steht Prof. Dr. Dr. habil. Peter Thein. Er ist Fachtierarzt für Pferde und Mikrobiologie. Darüberhinaus ein herausragender Kenner arabischer Pferde und ihrer Zucht. Außerdem sammelt er mit Begeisterung seit Jahrzehnten Pferdemalerei des 19. Jahrhunderts. Dabei gilt sein Interesse besonders den Adams und ihren Schülern. Inmitten seiner Kunstsammlung haben lange Unterredungen zu den folgenden Beiträgen stattgefunden. Damit hat Peter Thein auch ein großes Verdienst an vielen meiner Beiträge. 

Dr. Ulrike von Hase-Schmundt hat 1981 mit ihrer Ausstellung „Albrecht Adam und seine Familie“ im Stadtmuseum München die Grundlage für alle weitere Beschäftigung mit den Adams geschaffen. Der früheren Kommilitonin in Münchner Studienzeiten danke ich für mehrfache Unterstützung. Dank geht auch erneut an Gudrun Waiditschka, die Auskünfte gab und großzügig Bilddateien bereitstellte.

Fotos

Sie stammen vom Autor, wenn nicht anders vermerkt.

Mehrfach zitierte Literatur

ADAM 1829 = Bildnisse vorzüglicher Pferde aus dem Marstall & den Privat Gestüten S. M. des Königs von Württemberg, nach dem Leben gezeichnet von Albrecht Adam und lithographiert von Franz Adam, Stuttgart (1829)

ADAM 1828/2015 = Albrecht Adam, Voyage pittoresque et militaire de Willenberg en Prusse jusqu‘à Moscou fait en 1812, Teil I und II, neu herausgegeben von Thomas Hemmann, Rolf Eckstein, Eckhard M. Theewen, Books on Demand, Norderstedt 2015

ADAM 2018 = Albrecht Adam, Aus dem Leben eines Schlachtenmalers. Selbstbiographie, entstanden 1857-1861, Erstdruck 1886, Neuausgabe, hrsg. von Carl-Maria Guth, Berlin 2018

FABER DU FAUR 1831 = Christian Wilhelm von Faber du Faur und Friedrich von Kausler, Blaetter aus meinem Portefeuille im Laufe des Feldzuges 1812 in Russland an Ort und Stelle gezeichnet […], Stuttgart 1831-1843

HASE 1981 = Ulrike von Hase-Schmundt, Albrecht Adam und seine Familie, Zur Geschichte einer Münchner Künstlerdynastie im 19. und 20 Jh., Ausst. Kat., Stadtmuseum München 1981

HÜGEL-SCHMIDT 1861 = Julius von Hügel und G. F. Schmidt, Die Gestüte und Meiereien S. M. des Königs Wilhelm von Württemberg, Stuttgart (1861)

JÄGER 1846 = August Jäger, Das orientalische Pferd und das Privat-Gestüte Seiner Majestät des Königs von Württemberg. Eine hippologische Monographie für Züchter, Freunde und Kenner von edlen Pferden. Mit 12 Portraits der edelsten Zuchtpferde der Gestüte, nach dem Leben gezeichnet, Stuttgart 1846

KUNTZ 1823  = (Rudolph Kuntz,) Abbildungen Königlich Württembergischer Gestütspferde von orientalischen Racen, Stuttgart 1823 f. 

PFERDEZUCHT 1857 = Die Pferdezucht Württembergs, Abbildungen ausgezeichneter Zucht-Pferde aus den Privatgestüten S. Maj. des Königs …, nach dem Leben gezeichnet und lithographiert von L. Voltz und E. Volckers, Stuttgart 1857 

SAUER 1997 = Paul Sauer, Reformer auf dem Königsthron. Wilhelm I. von Württemberg, Stuttgart 1997

THEIN 2009 = Peter Thein, Alle meine Pferde, Blick in eine Sammlung, Eigendruck 2009

THEIN 2016 = Peter Thein, Alle meine Pferde, Blick in eine Sammlung, Band 2, Eigenverlag 2016

WAIDITSCHKA 2017 = Gudrun Waiditschka, Königliche Pferde, Die arabische Pferdezucht …, Bd. I: König Wilhelm I. (1817-1864), Selbstverlag 2017

WEIL 1902 = Weil, das Privat-Gestüt Seiner Majestät des Königs Wilhelm II. von Württemberg. Kurze Beschreibung, zusammengestellt von der Gestütsleitung, Stuttgart 1902

Weitere Literatur in Beitrag 74

Napoleon auf einem Maultier

Napoleon, Russlandfeldzug 1812, A. Adam: Napoleons Alpenüberquerung von H. Demarche, gemalt 1850

Hippolyte Delaroche (1797-1856), Napoleon beim Überqueren des Großen St. Bernhard, 1850, Öl auf Leinwand, 279,4 x 214,5 cm, Liverpool, Walker Art Gallery, Foto Wikimedia

Delaroche geht es ein halbes Jahrhundert nach Napoleons Alpenüberquerung um den Versuch einer realitätsnahen Darstellung. Nicht auf einem aufsteigenden Ross ist der Heerführer unterwegs, sondern nachdenklich auf einem Maultier, das ein Bergführer mühsam leitet.

Dieses Bild erscheint mir geeignet als Übergang zu Napoleons Russlandfeldzug von 1812 und seinen elenden Verlauf mit Leid und Tod nicht nur im Schnee.