Albrecht Adam, Napoleon vor Regensburg und Moskau: hier am Abend des 23. April 1809 vor der brennenden Stadt Regensburg, 1840, Detail, Sammlung und Foto Museum der Stadt Regensburg

Kurz vor Regensburg sieht der 23-jährige Albrecht Adam zum ersten Mal Napoleon. Er zeigt ihn in seiner typischen, keineswegs perfekten reiterlichen Haltung. Wie stets seit dem Ägyptenfeldzug reitet Napoleon einen Vollblutaraberhengst und Schimmel. Vgl. Hase 1981, Nr. und Farbabb. 142.

„Motive für … mehr als ein Menschenalter“

In seiner im Alter verfassten Selbtbiographie schreibt Adam (2018, 212): „Drei Jahre hindurch war ich mit dem Soldatenleben aufs engste verwoben. Ich führte zwar nicht das Schwert in der Hand, aber ich theilte mit den Soldaten alle Beschwerden des Krieges sammt dessen Gefahren. Dieses bewegte Leben übte großen Reiz auf mich. … Ich hatte mir in den Feldzügen von 1809 und 1812 Schätze von Motiven für Bilder gesammelt, die mehr als ein Menschenalter erforderten, wenn ich auch nur das Bedeutendste davon ausführen wollte …“ – Ich präsentiere einige Darstellungen Napoleons als Kostprobe von Adams lebenslanger Verarbeitung seiner Augenzeugenschaft bei den Kriegsgeschehen.

Napoleon – „der bewunderte und zugleich gefürchtete kleine große Mann“

Albrecht Adam, Napoleon in Regensburg  1809

Albrecht Adam, Napoleon 1809 vor Regensburg, u. l. sign. und 1840 dat., Öl auf Holz, 45 x 36,5 cm, München, Auktion Neumeister 389, 24.09.2020, Nr. 645 

Ein weiterer Passus aus Adams Selbstbiographie vom 20. April 1809 ( 2018, 57): „Er, der Held des Jahrhunderts, der bewunderte und zugleich gefürchtete kleine große Mann, der siegte, wo er sich zeigte, an dessen Unüberwindlichkeit jeder glaubte … Welch‘ eine Erscheinung für mich, der zum ersten Mal seiner ansichtig wurde! Ich machte mich so nahe hinzu als nur möglich. Da saß er auf seinem kleinen arabischen Schimmel in etwas nachlässiger Haltung mit dem kleinen Hute auf dem Kopfe und mit dem bekannten staubfarbenen Oberrocke bekleidet, in weißen Beinkleidern und hohen Stiefeln, so unscheinbar, daß Niemand in dieser Persönlichkeit den großen Kaiser … vermuthete … Er machte auf mich mit seinem bleichen Gesichte, den kalten Zügen, dem ernsten scharfen Blicke, einen fast unheimlichen Eindruck; der Glanz der vielen Uniformen um ihn her erhöhte den Contrast dieser unscheinbaren Erscheinung.“

Man spürt sofort, Albrecht Adam ist nicht nur als Maler ein großer Erzähler. Er hätte auch das Zeug zu einem erfolgreichen Schriftsteller gehabt. Genaueste Beobachtung in jeder Weise ist seine Sache.

Napoleon 1809, Ingolstadt

Albrecht Adam, etwa gleich in Komposition und Format wie das vorige Bild, Ingolstadt, Bayerisches Armeemuseum. Der Künstler sieht nach Jahrzehnten in Napoleon weniger den triumphierenden als den nachdenklichen Heerführer.

Dies ist vielleicht auch ein Schwenk in Richtung einer historischen Gesamtwürdigung von Napoleons Wirken. Der keine Rücksichten kennende Heerführer des Russlandfeldzuges tritt mit der Zeit hinter die Persönlichkeit zurück, die weite Teile Europas neu geprägt und vieles zu Besserem gewandelt hat.

Albrecht Adam, Napoleon in Regensburg 1809

Albrecht Adam, Napoleon 1809 vor Regensburg, 1840, Sammlung und Foto Landesmuseum Hannover 

Dazu Adams Erinnerung im Alter (2018, 62 f.): „Napoleon, welcher den ganzen Tag hindurch anwesend war und allenthalben gesehen wurde, stand gegen Abend nicht ferne von mir auf der Anhöhe mit einer ungeheuren Suite von mehr als hundert Köpfen; fast alle Generäle mit ihren Adjutanten hatten sich in einer Entfernung von etwa 40-50 Schritten hinter ihm versammelt. Das Ganze war prachtvoll von der Abendsonne beleuchtet. Unverwandt blickte er nach der Stadt in das mittlerweile bedeutend gewachsene Feuer. Er schien mir unheimlich, ich dachte an Nero [d.h. den Brand Roms im Jahr 64 n. Chr.].“

Napoleon in Moskau

Albrecht Adam, Napoleon in Moskau 1812

Albrecht Adam, Voyage pittoresque, Nr. 94: Napoleon in Moskau im Herbst 1812, Detail, Landesbibliothek Stuttgart

Jaques-Louis Davids fünffache Darstellung des siegessicheren Napoleon bei der Alpenüberquerung ist ein künstlerisches Fanal. Hier folgt sein Bild mit großen verfinsterten Augen im Moment des schmählichen Scheiterns. Der Russlandfeldzug ist trotz mühsamer und äußerst verlustreicher Siege insgesamt eine einzige Katastrophe. Die Illusion einer Unterwerfung des Feindes ist aufgegeben. Zu Füßen des Feldherrn liegt brennend, aber unbezwingbar Moskau. Adam (2018, 146) spricht von der Stadt als „dem Grabe von Napoleons Macht und Glanz.“