Statuen beim Kunstgebäude in Stuttgart. Die mythologischen Göttinnen waren bis zum 2. Weltkrieg um den Ovalsee und im Rosengarten verteilt.
Die hier vorgestellten Schönheiten im Schlossgarten haben z. T. mit Jugendwünschen von König Wilhelm I. zu tun. Bereits als Kronprinz beauftragt er 1806 den Hofbildhauer Johann Heinrich Dannecker, aus Paris Abgüsse von antiken Skulpturen zu besorgen. Das liegt nahe, denn auch Hauptwerke aus Rom sind dort als Kriegsbeute Napoleons zu finden. Die Abgüsse werden zunächst in der „Danneckerei“ am Schlossplatz und ab 1842/43 im neuen Museum der bildenden Künste an der Neckarstraße, der Staatsgalerie Stuttgart, präsentiert.
König Wilhelm I. beordert „Bildsäulen“
Der kgl. Auftrag in den frühen 1850er Jahren für „Bildsäulen“, für einzelne Antiken auf Sockeln, erweitert gewissermaßen den Museumsbestand hinaus ins Freie, in den Stadt- und Parkraum. Das macht den Schlossgarten auch zu einem Ort der – im doppelten Wortsinn – „bildenden“ Künste.
Patricia Peschel nennt allein von Ludwig Hofer (1801-1887) 22 Statuen, mehr als ein Drittel davon Venus-Darstellungen. Diese lösen wegen ihrer Nacktheit bzw. spärlichen Verhüllung in der Bevölkerung und von den Kanzeln Proteste aus. Auf die Kritik eines Geistlichen reagiert der König zunächst unnachgiebig (Peschel 2009, S. 38): „ Lassen wir also diejenigen, die der Kunst huldigen, die Mitte des Schlossgartens betreten, da rechts und links bequeme Wege vorhanden sind, wo Andersdenkende ungestört ihren Betrachtungen nachgehen können.“
Die Empörung ebbt wohl nicht ab. 1856 werden manche Venusfiguren an das weniger frequentierte Schloss Rosenstein strafversetzt. Von dort kehren sie z. T. nach gut 2 Jahrzehnten unter König Karl wieder in die Nähe des Neuen Schlosses zurück.
Im Rosengarten beim Neuen Schloss sind hier fünf Skulpturen auszumachen. Bei Danneckers Nymphengruppe stehen zwei, nach Auskunft anderer älterer Fotos an den übrigen Achsen des Ovalsees noch jeweils vier Statuen. Der kgl. Auftrag überschreitet jedoch entschieden die hier ermittelte Zahl von 19 Werken, denn neben Hofer liefert auch Eduard Mayer (1812-1881, seit 1842 in Rom) weitere Kopien.
Diana von Gabii
Hebe, Göttin der Jugend
Die Skulptur der Hebe, kopiert nach Thorvaldsens Gips von 1816, heute in Dresden, empfiehlt sich Stuttgart wohl auch durch ihre sittsame Gewandung. Ja vielleicht ist ihre Wahl auch eine Reaktion auf die Proteste gegen die Nacktheit anderer Statuen.
Ähnlich könnte die Situation bei der Statue in Wrest Park gewesen sein. Bei genauerem Hinsehen aber erkennt man, dass die Kleidung zwar gleich, die rechte Brust dennoch wie 1806 zu sehen ist. Damit wird Thorvaldsens Statue von 1816 etwas erotisierend verfälscht.
In Stuttgart wird die Entscheidung für Thorvaldsen leicht gewesen sein, denn seit seinem Schiller-Denkmal ist er hier ein überaus geschätzter Künstler. Und Hofer kennt ihn und sein Werk durch lange Jahre als sein Mitarbeiter in Rom. Thorvaldsens Verbindung zu Stuttgart ist sogar derart, dass über 100 Gipsabgüsse seiner Werke in die Staatsgalerie gelangen, die dadurch über den zweitgrößten Werkbestand nach Kopenhagen verfügte. Doch keiner dieser Gipse hat den 2. Weltkrieg und die Nachkriegszeit überlebt, keiner ist auch je fotografiert worden.
Die Wertschätzung des Klassizismus und speziell von Werken in Gips – selbst wenn es Originalmodelle waren – ist lange sehr gering gewesen.
Venus von Arles
Mayers Kopf der Venus von Arles unterscheidet sich deutlich vom Vorbild im Louvre. Die Stuttgarter Statue könnte ihren Kopf im 2. Weltkrieg verloren haben. Und man vervollständigte sie danach mit einem einer anderen Statue Mayers, von der ihrerseits zwar der Kopf erhalten, sonstiges aber zerstört war. Dies legt Mayers nah verwandter Kopf der folgenden Kopie der „Venus von Syrakus“ nahe.
Venus von Syrakus
Dreimal „Venus von Syrakus“:
Links die nach ihrem Fundort benannte Statue, die auch gerne mit „Venus Landolina“ nach ihrem Entdecker Saverio Landolino im Jahr 1804 bezeichnet wird: eine römische Kopie nach einem griechischen Original des 4. Jh. v. Chr., Foto Wikimedia.
Rechts eine weitere Kopie aus römischer Zeit, gefunden 1792 in der Nähe von Neapel von dem berühmten englischen Architekten und Sammler Thomas Hope, seit 1924 in Athen, Archäologische Nationalmuseum, Foto Wikimedia.
Thomas Hope (1769-1831) lässt Kopf und rechten Arm durch Canova ergänzen. Bei dieser Vervollständigung geht wohl auch der Fisch verloren, indem dort die Gewandung fortgeführt und geglättet wird.
In der Mitte ein Foto des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg vom 1. August 1952 mit dem linken Säulenpaar der Oper im Hintergrund.
Eduard Mayer als Restaurator
Eduard Mayer (1812-1881), seit 1842 in Rom tätig, neben Ludwig Hofer der zweite Antikenkopist im Auftrag König Wilhelms, fügt seinem Namen auf der Basis die Abkürzung „REST.“ hinzu = „restauravit“ = „hat sie restauriert“. Auch wenn dieser Typus der Venus Pudica bereits bekannt ist, wird Mayer ein gewisser Teil der Stuttgarter Statue zuzuweisen sein. Er könnte den fragmentarischen Fisch der „Venus Landolina“ selbstständig zu einem Delfin vervollständigt haben. Und zwar in der Art desjenigen der „Venus Medici“. Auch für den Kopf könnte Mayer allein verantwortlich sein.
Neben der Rückseite der Stuttgarter „Venus von Syrakus“ ist ein Werk des späten 16. Jh. zu sehen. Es belegt, dass dieser antike Venus Pudica-Typus unabhängig von den Ausgrabungen um 1800 bekannt geblieben ist. Es stammt von Giovanni Bandini, genannt Giovanni dell’Opera (um 1540–1599). Seine Venus mit Delfin und darauf reitendem Eroten, begleitet von zwei Meeresmonstern, befindet sich in Florenz, im Garten des Palazzo Budini Gattai, früher Grifoni, an der Piazza SS. Annunziata. Im 18. Jh. wurde das Ensemble in der heutigen Form neu arrangiert.
Beide Werke hätten eine Reinigung verdient, vor allem die Venus in der Stadt von „Let‘s putz.“
Venus Kallipygos
Rechts ist die eitle Göttin zusammen mit der distinguierteren „Venus Medici“ im Mannheimer Schloss zu sehen.