Albrecht Adam, Ostrowno – Stoff zur Schlachtenmalerei für ein ganzes Leben: Bildentwurf zum Gefecht am 26. Juli 1812, Bleistift, 19,1 x 31,5 cm, Sammlung Thein
Albrecht Adam hält unbeirrt auch bei gefährlichen Situationen einzelne Etappen der Schlacht fest. Seine dabei mit schneller Hand ganz flüchtig skizzierten Szenen bringt er in ruhigeren Momenten „ins Reine“. Das heißt, er vervollständigt sie zu Kompositionen, die sich für Lithographien oder Gemäldeentwürfe eignen. Hier haben wir ein Blatt des Übergangs vor uns, das halb Skizze im Gefecht, halb besser lesbare Überarbeitung ist. Künstlerisch ist das noch nicht ganz überzeugend. Aber als Stufe des Entstehungsprozesses einer Schlachtdarstellung hoch interessant. Adam konkretisiert mit kräftigem Bleistift sein spärliches, quasi stenographisches Liniengeflecht, das während der Schlacht entstanden war. Die bildliche Stenographie des Augenzeugen verwandelt sich in ein gut verständliches Bildzeugnis des Künstlers.
Am Morgen des 26. Juli 1812
Albrecht Adam, Voyage pittoresque, Nr. 36: Gefecht bei Ostrowno, am Morgen des 26. Juli 1812, 19,5 x 26,5 cm, Landesbibliothek Stuttgart
Adam befindet sich erstmals inmitten einer Schlacht, wobei das hügelige Gelände den ortskundigen Russen längere Zeit viele Vorteile bietet. Dazu der Kommentar in Adam 1828/2015, 100: „Das Blatt zeigt in der linken Bildhälfte … den König und Marschall Joachim Murat vor einem Stab … Im Vordergrund sind weitere Offiziersgruppen … sichtbar; ein Offizier (mit Hut in der Hand) nimmt von Prinz Eugène (dessen Pferd angaloppiert) Befehle entgegen. Von rechts marschiert (wahrscheinlich) französische Infanterie heran, ein höherer Offizier zu Pferd, Tambours und Kompaniechef links außen neben der Kolonne…“
Albrecht Adam, Schlacht bei Ostrowno am Morgen des 26. Juli 1812, 1855, Gouache, 16,8 x 22,6 cm, u. r. sign. und dat., Sammlung Thein
Ausführung der Lithographie als kleines, fast mininaturhaftes Gemälde, entstanden über 40 Jahre nach Adams Zeugenschaft. – Ich fahre fort mit dem Kommentar zu obigem Blatt 36 in Adam 1828/2015, 100: „Im Hintergrund ist eine in mehrere Linien aufmarschierte Brigade leichter Kavallerie (Jäger oder Husaren) erkennbar … Ein Mann liegt neben seinem Pferd auf dem Boden hingestreckt. Nach links reiten Flankeure … ab. Weiter hinten lassen sich noch plänkelnde Lanzenreiter ausmachen, vermutlich russische Kosaken.“
Napoleons Auftauchen gegen Abend
Albrecht Adam, Voyage pittoresque, Nr. 39: Ankunft des Kaisers auf dem Schlachtfelde von Ostrowno am 26. Juli 1812, 17,0 x 23,5 cm, Landesbibliothek Stuttgart
Gegen Abend löst die Ankunft Napoleons Begeisterung und neuen Angriffsmut aus. Kommentar in Adam 1828/2015, 105: „Napoleon (auf einem Schimmel) wird auf der Spitze eines Hügels gezeigt. Er wendet sich gesprächsweise nach links zu Eugène um, dessen Pferd steigt. Am linken Bildrand ist die Suite erkennbar … Unter der Hügelkuppe marschiert von rechts eine Infanteriekolonne heran, deren Offiziere die Degen schwenken, während sie mit den Mannschaften … ‘Vive l‘empereur!‘ rufen. Im Hintergrund rücken Batterien im Galopp in die Schlachtlinie ein.“
Ausklingen der Schlacht am Abend
Albrecht Adam, Voyage pittoresque, Nr. 40: Den 26. Juli, Abends, zwischen Ostrowno und Witespk, 21,5 x 30,0 cm, Landesbibliothek Stuttgart
Gegen Ende des Tages erstatten Marschall Joachim Murat, Prinz Eugène und ein stehender hoher Offizier Napoleon Bericht über den Verlauf der Schlacht. Napoleon beurteilt dank seiner guten Augen die Stellungen und Lage der Russen. Die Truppen setzen seine Anweisungen sofort erfolgreich um.
Albrecht Adam, Napoleon in der Schlacht von Ostrowno am 26. Juli 1812, ÖL auf Leinwand, 124,5 x 181,0 cm, London, Auktion Sotheby‘s, 10.11.1998, S. 86 ff., Foto nach Katalogseite im Bildarchiv von Kunsthaus Bühler
Adam verwandelt seine kleine Lithographie in ein eindrucksvolles Schlachtgemälde von großem Format. Vorne fügt er fast stillebenartig Kriegsopfer hinzu. Die Mitte nimmt das familiäre Terzett von Napoleon, Stiefsohn Prinz Eugène und Schwager Joachim Murat mit Federhut ein. Von links nähert sich zu Fuß (lt. Lucy MacClintock im Sotheby‘s Kat.) wohl der besonders tapfere Marschall Michel Ney (1769-1815), gefolgt von seinem edlen Rappen.
Nach ausführlicher Schilderung der Kämpfe bei Ostrowno schreibt Adam in seiner Selbstbiographie (2018, 137 f.): „Mein seit Jahren gehegter Wunsch, einmal eine Schlacht in der Nähe zu sehen und mich mitten in ihr zu befinden, war nun erfüllt; ich sah in diesen zwei Tagen so vieles, um Stoff zur Schlachtenmalerei für ein ganzes Leben zu haben. Nebenbei hörte ich diesmal die Kugeln ordentlich pfeifen, ließ mich aber dadurch im Zeichnen nicht beirren. Ich besitze noch Zeichnungen, welche ich in Mitte des Kampfes machte, mit der eigenhändigen Unterschrift des Prinzen Eugen …“