Carlsakademie: Schlüsselbau im Stadtbild Stuttgarts. Selbst das Neue Schloss ist nach ihr ausgerichtet. Als Hohe Carlsschule erreicht sie im späten 18. Jh. in ganz Europa hohes Ansehen.
Die weiträumige Anlage im Nordosten des alten Stadtkerns war ein das Stadtbild prägender Bau hinter dem Neuen Schloss. Sie ist sogar breiter als jenes. Ab 1740 entsteht sie als Kaserne für die Stuttgarter Garnison. 1774-75 wird sie umgebaut und erweitert von Reinhard Ferdinand Heinrich Fischer (1746-1813). Denn sie muss die Militärakademie aufnehmen, die sein Vater Herzog Carl Eugen 1770 auf der Solitude gegründet hatte. 1781 erreicht die Akademie den Status einer Hochschule. Dem folgt 1785 dank Kaiser Joseph II. ein noch höherer Rang als Hohe Carlsschule und damit als Universität. Leider wird sie nach Carl Eugens Tod bereits 1794 von dessen Bruder und Nachfolger Ludwig Eugen aufgelöst.
Die Carlsakademie ist nicht wie vergleichbare Ausbildungsstätten an anderen Höfen fast nur junge Adlige da. Jugendliche aller Schichten werden bei Begabung aufgenommen. Bald genießt die Carlsschule europaweites Ansehen. Schiller, Johann Heinrich Dannecker, Gottlieb Schick und knapp 1.500 weitere Absolventen tragen zu ihrem Renommee bei. Aus ihr kommen die Begründer des württembergischen Aufstiegs im 19. Jh.
Ein gegenstandsloses Gedankenspiel: bei einem Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg hätte die Carlsakademie Furore machen können. Wären dort z. B. die geisteswissenschaftlichen Fächer angesiedelt worden, hätte sie als Kernbereich einer „Schiller-Universität Stuttgart“ fungieren und ein großes Erbe antreten können.
Gesamtansichten der ehem. Hohen Carlsschule
Die Carlsakademie ist das „Lieblingskind“ der späten Jahre von Herzog Carl Eugen. Sie liegt außerhalb der eigentlichen Stadt mit ihren knapp 20.000 Einwohnern. Zusammen mit dem Neuen Schloss bildet sie das Herz der fürstlichen Residenz. Dazu gehören noch das Opernhaus und die spätbarocken Gartenanlagen.
Der hervorragende Plan von 1794 von Christian Friedrich Roth, kurz zuvor noch Professor an der Carlsschule, zeigt die Situation ein Jahr nach dem Tod ihres Gründers. Oben verläuft der Graben und die Ludwigsburger Straße, 1806 umbenannt in Königstraße. Von den damaligen Gebäuden stehen noch: Stiftskirche, Alte Kanzlei, Altes Schloss, Neues Schloss und Waisenhaus.
R. F. H. Fischer, der die Planie angelegt und die Akademie erweitert hat, errichtet 1782 für sich und seine Familie das Haus links inmitten der Bäume. Es gilt als der schönste Privatbau der Stadt, wird aber bald nach Fischers Tod abgerissen, um dem Prinzessinnenpalais für die Töchter König Wilhelms I. Platz zu machen. Später erhält es den Namen Wilhelmspalais, weil König Wilhelm II. darin wohnt. Heute heißt es „StadtPalais – Museum für Stuttgart“.
Ansichten von innen
Die Fotomontage aus einst und jetzt offenbart eine traurige Entwicklung. Anstelle ursprünglicher räumlicher Geschlossenheit der zurückhaltenden Militär- bzw. Hochschularchitektur gibt es mit dem heutigen Akademiegarten eine freie, ungestaltete Ausdehnung in den Straßenraum der B14.
Der mit der Bundesgartenschau von 1961 geschaffene Parkbereich schafft Weite ohne stadträumliche Struktur. Das Auge des Betrachters trifft erst jenseits der B14 auf das unruhige Nebeneinander der hangseitigen Bauten. Gleiches gilt für die Raumbegrenzung bei der Planie/B 27 mit dem Waisenhaus. Von dem Verhau in Richtung Charlottenkreuzung ganz zu schweigen.
Stuttgarts Stadtbild ohne Carlsakademie – dafür mit Akademiegarten an der B14
Das Foto veranschaulicht das triste Nebeneinander von Park und Stadtautobahn seit gut einem halben Jahrhundert. Eine erneute architektonische Einfassung des Parkbereichs könnte den permanenten optischen und akustischen Verkehrsdruck auf der B14 und B27 abschirmen.
Nachtrag 2018
Blick von der Landesbibliothek im Corona-Monat März 2018 auf den Akademiegarten und die Rückseite des Neuen Schlosses. Von vergleichbarem Ort blickt 1807 Chr. Fr. Roth in Richtung Schloss, vor dem damals Akademiegebäude stehen (vgl. Abb. oben). Den Vordergrund nimmt hier die künftige Terrasse des Erweiterungsbaus der Bibliothek von Lederer Ragnarsdóttir Oei ein.