Historisches Volksfest in Stuttgart! Der Stuttgarter Schlossplatz ist für wenige Tage sehr schön verwandelt. Lebendig und heiter geht es zu. Das Herz der Stadt schlägt plötzlich ganz beschwingt. Deshalb reihe ich das „Historische Volksfest“ in meine „Stuttgart-Ansichten“ ein.
Mit diesem Volksfest wird ein Doppeljubiläum begangen. 200 Jahre Cannstatter Volksfest werden gefeiert und 100. Landwirtschaftliches Hauptfest. Anlass dafür ist die Gründung des größten Festes im Land im Jahr 1818 durch König Wilhelm I. und seine Gemahlin Königin Katharina.
Erste Begegnung mit Kaltblütern
Kaltblüter tragen die Wappen des Landes. In vergoldetem Leder sieht man Löwe und Hirsch sowie die noch immer für die Bevölkerung gültige Devise „Furchtlos und treu„.
Im Hof des Neuen Schlosses wird im Festzelt ländlich-sittlich musiziert.
Alte Trachten auch mal im Ländle
Vielleicht erstmals gibt es ein Riesenrad vor dem Königsbau.
Der Schlossplatz ist umrahmt von uralten Fahrgeschäften, Schaustellern und Budenzauber.
Kaltblüter und Warmblüter
Beim Neuen Schloss und Kunstgebäude steht ein Autoskooter aus der 1930er Jahren. Daneben gibt es ein entspanntes Zusammensein von prachtvollen tierischen Kaltblütern mit einer Menge warmblütiger Menschen verschiedenster Nationalität.
Jubiläumssäule von 1841, dekoriert im Stil der Fruchtsäule von 1818 ff.
Der ungeheure, weltweit nachwirkende Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im Jahr 1815 hat auch übelste Folgen in Württemberg. Deshalb ist die Fruchtsäule auch ein Zeichen des Dankes dafür, dass die Hungerzeit im Jahr ohne Sommer überstanden ist. Denn mit dem Hauptfest von 1818 initiieren König Wilhelm I. und Königin Katharina auch eine Reform der Landwirtschaft. Und das gleiche Ziel verfolgt das Königspaar mit der gleichzeitigen Gründung der heutigen Universität Hohenheim. Nicht zuletzt ist auch die Gründung des Kgl. Privatgestüts für die Reinzucht von Vollblutarabern in diesem Kontext zu sehen.
Berg- und Talbahn der 1930er Jahre.
In einem erfreulichen Zusammenwirken auf der Südschiene präsentieren herrliche Kaltblüter aus Bayern Schwaben Bräu und weitere hiesige Biersorten.
Wappentiere aus ungewohnter Nähe
Auch dem Württembergischen Hirsch kommt man auf der Berg- und Talbahn näher als sonst.
Ein wunderbarer Sechsspänner zieht den Wagen mit blumengeschmückten Bierfässern.
Ein Kettenkarussell kreist mit dem Ersten Bürgermeister, dem mutig-schwindelfreien Michael Föll.
Hinter den Bäumen der Planie sieht man das Alte Schloss, die Türme der Stiftskirche und rechts das neue Kunstmuseum.
Michael Föll gerät mehr und mehr in Fahrt. Dank der Zentrifugalkraft schon auf halbem Weg in die Horizontale grüßt er dennoch huldvoll.
Ein etwas melancholischer Pferdeblick – verständlich bei all dem Lärm und langem Herumstehen.
Traktoren aus frühen Tagen
Kunstmuseum
Hinter dem Land des Lächelns beginnt die Ekstase. Sie tritt im Schwäbischen nicht überstürzt ein, sondern seit langem genauestens geplant am 29. September.
Kunstmuseum Stuttgart – Ausstellung „Ekstase“, gerade eröffnet.
Den ganzen 3. Stock beansprucht das „Dream House“ von La Monte Young und seiner Frau Marian Zazeela.
Einen psychedelischen Eindruck vermittelt selbst der Blick durch das gefärbte Fenster auf den Schlossplatz. Schattenhafte Spiegelungen von Besuchern und auch meiner Hände überlagern sich mit Doppelspiegelungen. Dazu gehören die Außenwände des Kunstmuseums und einzelne Motive vom Historischen Volksfest.
1841 ließ sich König Wilhelm I. mit der Säule auf dem Schlossplatz aus Anlass seines 25jährigen Regierungsjubiläums ehren. Derzeit feiert ihn Stuttgart nach 200 Jahren als den entscheidenden Förderer der Entwicklung von Stadt und Land im 19. Jahrhundert. Bei diesem Historischen Volksfest gleicht die Jubiläumssäule nachts einer blauen Lichtfontäne. Bei der nächsten Feier könnten „Son et Lumière“ vielleicht den ganzen Schlossplatz fluten.
Artistenfamilie auf dem Seil
Rührend altmodische Darbietungen begeistern Jung und Alt beim Historischen Volksfest in Stuttgart. Eine Artistenfamilie zeigt ihre Künste auf dem Seil. Das nicht mehr ganz jugendliche Ehepaar – wie meist er als „Untermann“, sie als „Oberfrau“ – führen in früher Abendstunde ihre Kunststücke vor. Das begeisterte Publikum erlebt, dass Kraft, Vertrauen, Schwindelfreiheit und Gleichgewicht gute Voraussetzungen für eine längere Beziehung sind.
Der robuste Filius brät sich in aller Ruhe ein Ei. Mit der Pfanne schleudert er es ins Publikum. Der Tanzseilchef bittet per Mikrofon, es nicht zu essen. Man brauche es noch bei der nächsten Vorführung.
Als Krone der Seilkunst zeigt die Patronin, dass sie noch ruhig auf einem Bein stehen kann. Sie wird wie die meisten Altvorderen ab einem gewissen Alter von kräftigem Nachwuchs getragen. Das begleitet liebevoller, stürmischer Applaus.
Grabkapelle auf dem Rotenberg
Ich kann es nicht lassen, die heutigen Ereignisse noch etwas historisch zu erweitern. Königin Katharina, die in kurzer Zeit in vielen Bereichen wichtige, bis heute wirksame Impulse für Stadt und Land gibt, stirbt verfrüht zu Beginn des Jahres 1819. Um sie besonders zu ehren, lässt König Wilhelm die alte Stammburg seiner Familie auf dem Württemberg abreißen. An ihrer Stelle soll für Katharina eine Grabkapelle entstehen. Die Zeichnung vom 8. Mai 1819 zeigt die Stammburg kurz vor dem Abbruch, Foto nach einem Faksimile in der Grabkapelle.
Bis 1824 errichtet der florentinische Architekt Giovanni Salucci im Auftrag König Wilhelms die Grabkapelle für seine verstorbene Gemahlin Katharina. Dort wird er neben ihr 1864 auch seine letzte Ruhestätte finden.
Gipsabgüsse im Untergeschoss der Grabkapelle halten die Erinnerung an das Königspaar lebendig. Beide Büsten stammen von dem Hofbildhauer Johann Heinrich Dannecker. Wilhelm wird bald nach der Thronbesteigung im Jahr 1817 modelliert und Katharina 1818, im Jahr des ersten Volksfestes.
Beim Blick von der Grabkapelle hinab nach Uhlbach sieht man an einem Augusttag die heutige Fahne des Landes neben der früheren. Diese zeigt das Wappen, das auch das Zaumzeug der Rappen am Anfang dieses Beitrags schmückt.