Kunst aus Nebel – Kunst im Nebel an einem Tag in Berlin. Noch bis zum 14. September 2025 ist Fujiko Nakaya  in der Neuen Nationalgalerie zu erleben. Die 1933 geborene, vielfach ausgezeichnete japanische Künstlerin – darunter 2018 mit dem Praemium Imperiale – verwandelt im Stundenrhythmus den Skulpturengarten. Dort lässt sie von verschiedenen Stellen aus mit unterschiedlicher Technik eine Nebelskulptur entstehen. Sie formt dichte Wolken, verteilt sich, bildet Schwaden und Schleier, löst sich allmählich auf, verflüchtigt sich. Je nach Witterung und Winden.

Bei meinem Besuch am 11. Juni tritt aus dem Nebel heraus die berühmte „Goldelse“ als veränderte Gestalt und Friedensbotin. Diese Goldelse stammt von Alicja Kwade (*1979 in Polen, seit 1987 in Deutschland). Die Skulptur ist so groß wie ihre Schöpferin: 164 cm. Kwade hat sie 2024 der Stadt Berlin, in der sie seit 1999 lebt und arbeitet, zum Geschenk gemacht.

Art from fog – art in fog in one day in Berlin. Fujiko Nakaya can be experienced at the Neue Nationalgalerie until September 14, 2025. Born in 1933, the Japanese artist has received numerous awards – including the Praemium Imperiale in 2018 – and transforms the sculpture garden on an hourly basis. There she creates a fog sculpture from various locations using different techniques. It forms dense clouds, spreads, forms swathes and veils, gradually dissolves and evaporates. Depending on the weather and winds.

During my visit on June 11, the famous “Golden Else” emerges from the fog as a transformed figure and messenger of peace. This Golden Else was created by Alicja Kwade (*1979 in Poland, in Germany since 1987). The sculpture is as tall as its creator: 164 cm. Kwade donated it in 2024 to the city of Berlin, where she has lived and worked since 1999.

Start der Nebelinstallation von Fujiko Nakaya

Kunst im Nebel: Nebelskulptur von Fujiko Nakaya bis zum 14.9.2025 in der Neuen Nationalgalerie

Um 12 Uhr, zu Beginn der Nebelinstallation, entsteht eine dichte Wolke. Sie lässt noch den Turm der St.-Matthäus-Kirche erkennen. Ein Kran dahinter deutet auf das riesige Kulturprojekt „berlin modern“ hin, das neue Museum der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron.

At 12 a.m., at the beginning of the fog installation, a dense cloud appears. The tower of St. Matthew’s Church is still visible. A crane behind it points to the huge “berlin modern” cultural project, the new museum by Swiss architects Herzog & de Meuron.

Kunst im Nebel: Nebelskulptur von Fujiko Nakaya bis zum 14.9.2025 in der Neuen Nationalgalerie

Der Nebel lichtet sich. Die 90 m lange Glaswand der Galerieräume wird sichtbar, die Kirchenarchitektur und die parkähnliche Gestaltung des Skulpturengartens.

The fog lifts. The 90 m long glass wall of the gallery rooms becomes visible, the church architecture and the park-like design of the sculpture garden.

Weitere Aufhellung.

Further brightening.

Kunst im Nebel: Nebelskulptur von Fujiko Nakaya bis zum 14.9.2025 in der Neuen Nationalgalerie

Rechter Hand die Stahlskulptur “Gudari/Krieger“ von Eduardo Chillida (1924-2002), entstanden 1974/75.

On the right is the steel sculpture “Gudari/Warrior” by Eduard Chillida (1924-2002), created in 1974/75.

Chillidas Nahaufnahme in Kontrast zu „Vertikales Motiv III“ von Bernhard Heiliger (1915-1995) von 1966/67, das zu den Gründungswerken der Neuen Nationalgalerie gehört.

Bei der Vorbesichtigung des berühmten Baues von Mies van der Rohe am 14. September 1968 darf ich als Doktorand der Freien Universität mit einigen Kommilitonen dabei sein. Ich erinnere mich besonders an den überwältigenden ersten Eindruck der Architektur und das Auftreten des Direktors Werner Haftmann (1912-1999).

Ein Rückblick auf 1974

Wie Haftmann in den 1930er Jahren, bin ich ab 1971 Assistent am Kunsthistorischen Institut in Florenz. 1974 treffe ich ihn zufällig in der damals schlichten Osteria San Andrea in Percussina bei San Casciano Val di Pesa, wo Niccolò Macchiavelli (1449-1516) sein Exil verbrachte. Beseelt vom Chianti der Serristori, geht Haftmann mit mir in die klare toskanische Sommernacht hinaus. Sich auf mich stützend, erklärt er mir unter dem Sternenhimmel, er wolle sich wieder der Renaissance zuwenden. Und zwar Piero della Francesca mit den Augen von Fernand Léger.

Chillida’s close-up in contrast to “Vertical Motif III” by Bernhard Heiliger (1915-1995) from 1966/67, which is one of the founding works of the Neue Nationalgalerie.

On September 14, 1968, as a doctoral student at Freie Universität, I was allowed to attend the preview of Mies van der Rohe’s famous building with a few fellow students. I particularly remember the overwhelming first impression of the architecture and the appearance of the director Werner Haftmann (1912-1999).

Like Haftmann in the 1930s, I was an assistant at the Kunsthistorisches Institut in Florence from 1971. In 1974, I met him by chance in the then simple Osteria San Andrea in Percussina near San Casciano Val di Pesa, where Niccolò Macchiavelli (1449-1516) had spent part of his exile. Inspired by Chianti, Haftmann walks out with me into the clear Tuscan summer night. Leaning on me, he tells me under the starry sky that he wants to return to the Renaissance. To Piero della Francesca with the eyes of Fernand Léger.

Kunst aus Nebel – Kunst im Nebel: eine Siegesgöttin wird zur Friedensbotin

Kunst im Nebel: Nebelskulptur von Fujiko Nakaya bis zum 14.9.2025 in der Neuen Nationalgalerie

Hier tritt mit schwebendem Schritt die Goldelse aus dem Nebel heraus. Alicja Kwade hat die Siegesgöttin Viktoria auf der Siegessäule in Berlin von ihrem Sockel geholt. In der Stadt zutraulich „Goldelse“ genannt, hat Kwade ihre Attribute beseitigt und ihre Arme halb gesenkt. Zugleich hat sie die Monumentalität von 832 cm auf ihre eigene Körpergröße verkleinert. Ihre Goldelse ist keine Gestalt militärischer Überlegenheit mehr, vielmehr in ihrer menschlichen Nahbarkeit eine Botin des Friedens. Ein gutes Sinnbild in erneut kriegerischen Zeiten.

Here, the Golden Else steps out of the fog with a floating stride. Alicja Kwade has removed the goddess of victory, Victoria, from her pedestal on the Jubilee Column in Berlin. Known affectionately in the city as “Goldelse”, Kwade has removed her attributes and half-lowered her arms. At the same time, she has reduced the monumentality of 832 cm to her own height. Her Golden Else is no longer a figure of military superiority, but rather a messenger of peace in her human approachability. A good symbol in these once again warlike times.