Albrecht Adam, Herrenloses Pferd, 1834, Detail von folgendem
Nach dem Tod meiner Frau im Januar und dem bildlichen Erinnern an sie wende ich mich wieder den Pferden zu.
Ein Rückblick auf Russland. Napoleons Feldzug von 1812 begleitet Albrecht Adam lebenslang. Wieder und wieder greift er auf seine damals gefertigten Skizzen zurück. Stets ist er ein anteilnehmender Schilderer der Schrecken des Krieges. In dem zurückliegenden Beitrag ist das Gewoge des Kampfes sein Thema. Die Unübersichtlichkeit des Geschehens vermittelt den Beteiligten und dem Betrachter Unbehagen. Aggression und Hilfe stehen nebeneinander.
Mit den Jahren und dem Abstand von seinen frühen Kriegserlebnissen entwickelt Adam von Zeit zu Zeit Werke, die eine noch gesteigerte Empathie zeigen. Anstelle von Fülle tritt fast Leere. Anstelle vieler Menschen manchmal einzelne Tiere, in erster Linie Pferde. Sie stehen dann da als schuldlose Opfer für die Grausamkeit und den Wahnsinn des Krieges. Adam malt Antikriegsbilder, gültig für immer – unabhängig von ihrer Zeitbezogenheit. Dafür folgen drei Beispiele, entstanden 1834, 1840 und 1852. Aus dem „Schlachtenmaler“, was Adams Hauptberuf zunächst war, wird ein Mahner gegen jeglichen Krieg.
Albrecht Adam, Herrenloses Pferd auf dem Schlachtfeld von Borodino, 1834, Öl auf Holz, 52,4 x 68,6 cm, Hamburger Kunsthalle, HK-1246, Foto Elke Walford
Bereits im Entstehungsjahr bewundert
Bereits im Entstehungsjahr wird das Gemälde im Münchner Kunstverein ausgestellt. Und sogleich gewürdigt im Schorn‘schen Kunstblatt 1834, Jg. 15, Nr. 52, 206:
„A. Adam. Ein Pferd in Profil. Wir kommen vor diesem Bilde in Gefahr, in welcher sich häufig der Schriftsteller dem Kunstwerk gegenüber befindet, nämlich etwas zu sehen, woran der Künstler vielleicht nicht gedacht. Dem sey wie ihm wolle, so sieht es aus, als wolle das Pferd uns rühren. Einsam steht es in der öden flachen Gegend vor einem Sumpf, in welchem die Reste eines todten Pferdes halb sichtbar liegen; zu seinen Füßen der Helm eines französischen Kürassiers (seines Herren?), hinter ihm halbversunken, neben einem Weidensturzel, eine Kanone, in der Ferne ziehen einige Kürassiere ihre Pferde über den Knutteldamm [Damm aus Strauchholz], der Himmel ist trübe wolkig, eine Feuersglut am Horizont mahnt an das brennende Moskau. – In Bezug auf Ausführung gehört dieses Bild zu den ausgezeichnetsten dieses berühmten Künstlers; ganz vorzüglich ist das Glanzlicht, bekanntlich eines der schwierigsten Dinge in der Thiermalerei, gelungen.“
Einsamkeit, Stille, Melancholie – fast wie bei Caspar David Friedrich, nur auf kriegerischen Kontext und die Welt des Pferdes übertragen. Nach den Auslieferungen seiner Voyage pittoresque haben die Erlebnisse in Russland Albrecht Adam ja nicht losgelassen. Immer wieder ist er als Schlachtenmaler gefordert, bis er zuletzt sich dieser Ereignisse als Autor in seiner Selbstbiographie erinnert. Mich interessiert aber noch mehr als die meisterliche Darstellung von Kriegsgetümmel die Verdichtung der Kriegsgräuel in allgemein gültigen und oftmals symbolischen Bildern.
Ein Mahnmal gegen kriegerisches Morden
Dazu zählt auch das „Herrenlose Pferd“ in Hamburg, entstanden 1834 parallel zur Feier der Schönheit arabischer Pferde auf Bildern des gleichen Zeitraums. Das Hauptmotiv geht zurück auf eine Pferdedarstellung vor Smolensk am 19. August 1812. Angesichts dieses matten Pferdes erinnere ich mich an Szenen, die Wilhelm von Koenig (1793-1879) beim Rückmarsch von Moskau beschreibt. Gelegentlich gibt es Kameraden, die nicht weiter wollen noch können. Sie bleiben da, wie und wo sie sind. Und sie wissen, dass innerhalb kurzer Zeit ihre Unbeweglichkeit ihnen den Tod bringt, sei es durch Erfrieren oder Kosaken. Ihr Lebenswille ist aus Erschöpfung am Ende, ihr Tod nahe.
Albrecht Adam, Herrenloses Pferd vor seinem Ende
Eine Pferdeleiche liegt in einer Lache. – Nach der Schneeschmelze sollten im Frühjahr 1813 auf dem Schlachtfeld bei Borodino 35.000 Pferdekadaver gezählt werden.
Hinter der Lache machen sich zwei Kürassiere mit drei Pferden davon – einer ungewissen Zukunft entgegen.
Die ast- und blattlose Baumruine, die nutzlose Kanone und ein Helm vorne links stehen ebenfalls für Tod. Über der Ödnis der Landschaft dehnt sich ein dramatisch bewölkter Himmel. Ein heller Bereich führt zwar zu Licht im Vordergrund, aber nicht als Zeichen von Hoffnung.
Albrecht Adam gelingt es mit einem vom Krieg gezeichneten Pferd ein Sinnbild zu schaffen: einen künstlerischen Appell gegen die Schrecken des russischen wie aller Kriege. Hier wird die schuldlose Kreatur zum Mahnmal gegen blindwütiges, mörderisches Verhalten von Menschen. Aus Russland kamen 1812 nur 5 bis 10 Prozent der Truppen zurück. Bei den rund 250 Tausend mitgenommenen Pferden wird es kaum anders gewesen sein.
Diese Bilder treiben mir die Tränen in die Augen, diese Hoffnungslosigkeit, diese Trauer, dieses Elend, dieses traurige! Ende!