Neue Bahnbrücke bei Schloss Rosenstein
10. Dezember 2018. Es geht voran. Die elegante neue Brücke über den Neckar von Schlaich Bergermann Partner bewegt sich auf den neuen Rosensteintunnel zu.
Darauf werden Eisenbahn und S-Bahn unterwegs sein. Foto 19.09.2018
Unter die Brücke wird ein 4,5 m breiter Steg gehängt werden für Radfahrer und Fussgänger. Ende 2019 soll er bereits benutzbar sein. Foto 19.09.2018
Kommentare: Facebook am 20. Oktober 2019:
H. S.: Die Brücke mag zwar ein interessanter Entwurf sein, dennoch halte ich sie nicht für gelungen, da sie keinerlei Rücksicht auf die Sichtbeziehungen zwischen Schloss Rosenstein und Cannstatt genommen hat. Die Architekturbezüge wurden entweder bewusst missachtet oder war es so, dass der Entwurf am Schreibtisch entstanden ist ohne ihn mit der örtlichen Gegebenheit in Übereinstimmung zu bringen? Ich halte die Brücke als neues Element der gewachsenen Kulturlandschaft für eine optische Katastrophe!
P. K.: Ganz zu schweigen von der brachialen Form, die sich optisch nicht unterordnet. Dezent wirkt. Kunstbrücke sein will. Statt eines Verkehrsträgers, der an der alten Stelle weder Park noch Ästhetik gestört hätte.
Antwort Holst: Ich danke für die Stellungnahmen. Die Reaktion auf die Kommentare erfolgt in Form von Bildern und ihren Erläuterungen.
Alte Tunnel
König Wilhelm I. bestand in den 1840er Jahren darauf, dass die erste Bahnlinie genau unter seinem „Landhaus Rosenstein“ verlief. Hier sind die jetzt vermissten Sichtbeziehungen zwischen Schloss und Cannstatt sowie die „Unterordnung“ der Brücke eindeutig.
Damals war das Schloss auch noch eine weithin sichtbare „Sehens-Würdigkeit“. Heute sieht man es aber vor lauter stattlichen Bäumen und vielen Büschen kaum mehr. Letztere sollten wenigstens etwas gelichtet werden.
Der alte Tunnel und sein Eingang auf der Neckarseite sind noch vorhanden, Foto 2010. – Dieser Tunnel wartet noch auf eine gute Verwendung. Wie wäre es mit einer Rockröhre nach Fertigstellung von Stuttgart 21– wie einst beim Wagenburgtunnel?!
Tunnelbau in der Wiese vor Schloss Rosenstein, Foto 1914.
Bereits die jetzige Bahnbrücke veränderte die alten Sichtverbindungen, führte sie doch seit dem 1. Weltkrieg südlich an Schloss Rosenstein vorbei.
Neue Perspektiven nach lästigen Bauphasen
Erst der jetzige Brückenbau macht vom Neckartal her Schloss Rosenstein partiell wieder als Sehenswürdigkeit erlebbar, zumindest von der Wilhelma aus und vom Neckarufer gegenüber. Foto Herbst 2018.
So gemütlich (und reich an Ruß) wie hier 1907 kann es heute nicht mehr werden. Die Aufnahme wurde aus der Nähe der König-Karls-Brücke gemacht, eine der schönsten Brücken des Landes, die leider von deutschen Truppen 1945 zerstört wurde.
Beim Blick auf das neue Brückenprojekt ist daran zu erinnern: Auch Fritz Leonhardts Fernsehturm und sein Ferdinand-Leitner-Steg über die Schillerstraße waren zunächst gewöhnungsbedürftig! Und sind Schlaich Bergermann Partner nicht weltweit renommierte Brückenbauer?
Mich überzeugt ihr Projekt nach wie vor. Elegant, schlank, ein zeitgenössisches Verkehrsbauwerk. Anders als in den letzten 100 Jahren wird die Bahn nur nicht mehr südlich, sondern in Zukunft den Schlossbereich nördlich von der 1. Brücke der 1840er Jahre unterfahren. Besonders die sog. Stahlsegel, die die neue Brücke wellenartig wie Wangen begleiten, gefallen mir. Sie sollen, wie es heißt, auch den Schienenlärm dämpfen. Kurz: ein wirklich nobles Stück Ingenieurbaukunst.
Ich freue mich schon auf den Gang mit den Kritikern über den Neckar und weitere Diskussionen.
Stahl und Beton
Kommentar:
P. K.: Danke für die Nachricht. Bahnreisende sprechen über die Brücke. Nicht alle positiv. Zu dominant und zu viel Beton. Nicht filigran. Aber es entscheiden ja Betonköpfe … Glauben, die Vergabe an solche Unternehmen nütze unserer Stadt. In Wahrheit steigt durch solche Projekte die Wirtschaftskriminalität. Siehe STZ heute. Und das schlimme ist, man glaubt, man muss auf der Welle mitteilten. Siehe Skandal im KKH …
Besseres Licht – bessere Fotos, hier vom 21.10.2018
In den Kommentaren zu den Brückenfotos vom 19. Oktober war von „zu viel Beton“ die Rede und daher hämisch auch von „Betonköpfen“. Hatten wir da verschiedene Brücken vor Augen?!
Kommentar:
H.S.: Die alte Brücke bekam ihre statische Stabilität durch eine Konstruktion unterhalb der Gleisebene, die neue Brücke erhält ihre Stabilität durch die optisch ganz und gar nicht filigrane Konstruktion oberhalb der Gleisebene. Das ist an dieser Stelle unsensibel und äußerst störend. In freier Landschaft wäre die Brücke ein „Highlight“ – nicht aber an dieser Stelle!
Genaueres Hinsehen empfiehlt sich
Weniger Beton ist bei einem solchen 345 m langen Brückenbauwerk wohl kaum denkbar. Die Brücke von Schlaich Bergermann Partner ist eine Stahlverbundkonstruktion. Manche der jetzt errichteten Betonstützen ist lediglich zur Fertigstellung der Brücke nötig und wird danach verschwinden.
Kommentare:
C. K.: Und ? Ist sie cool oder hässlich ? Schwer zu sagen, finde ich.
Antwort Holst: Vgl. die Kommentare zu meinen Bildern vom 19. Oktober. In meinen Augen ist das eine sehr elegante Brücke, die im Verlauf ihrer sich überschneidenden Stahlsegel eine fließende, schnelle Bewegung suggeriert. Ein erneutes wichtiges Werk von Schlaich Bergermann Partner.
M. K.: Eindeutig brutal-hässlich. Hier ist die ewige „Feindschaft“ zwischen Cannstatt und Stuttgart in Beton gegossen. Ein „verbindendes Glied“ würde sich zurücknehmen. Unsensibel in höchstem Grade …
Antwort Holst: Die ewige ‚Feindschaft‘ zwischen Cannstatt und Stuttgart in Beton gegossen — soll das ein Witz sein?! Wenn nicht, dann müsste statt von Beton zuerst einmal von Stahl die Rede sein. Zweite Bitte: kurze Skizzierung einer Brücke, die „Freundschaft“ zwischen den Stadtteilen symbolisiert.
M. K.: Stimmt, ich habe bei der Redewendung „in Beton gegossen“ die Gänsefüßchen vergessen. Was hiermit nachgeholt sein mag.
Als ich bei Facebook am 19. Oktober 2018 ff. den Fortgang der Arbeit an dieser Brücke positiv bewertete, fand diese Ingenieurarchitektur mehrfach ein negatives Echo.
„Beschwingte Seglerflotte …“
Am 27. November 2018 hat die renommierte Architekturkritikerin Amber Sayah in der Stuttgarter Zeitung diese und eine weitere Brücke gewürdigt. Zu dem Foto kann man lesen: die Bahnüberführung überzeugt „durch die charakteristische Schlaich’sche Leichtigkeit und Eleganz, ja Beschwingtheit. Die Abspannungen, aus der Nähe betrachtet mächtige Metallplatten, machen aufs Ganze gesehen ihrem Namen alle Ehre: Wie ein dynamischer Flottenverband von Seglern, fern aller Erdenschwere, überquert diese Bahnbrücke den Neckar …“