Max Klinger, Bär und Elfe – ein Sommertraum im Süden oder ein Albtraum. Bei versehentlich offenem Fenster erreichen gestern Zimmertemperatur und Luftfeuchtigkeit erstmals einen heiklen gleichen Wert von 29. Eines ist reichlich hoch, das andere reichlich niedrig.
Dazu passt wunderbar die Darstellung „Bär und Elfe“ von Max Klinger (1857-1920), dem exquisiten Graphiker, Maler, Bildhauer und Musiker. Zwar weiß ich nichts von besonderer Hitze im Jahr 1880, doch damals entsteht diese Komposition und erscheint 1881 als Blatt 1 der Graphikfolge „Intermezzi“.
Eine schöne Nackte mit Gründerzeitfrisur rettet sich in luftige Höhe vor männlich-gieriger Geilheit. In einem mittelmeerischen Ambiente zeigt sie jedoch keinerlei Angst, vielmehr Übermut. Sie sitzt auf einem schwankenden, unter ihrem Leichtgewicht etwas geneigten Schilfrohr und hält sich mit ihrer Rechten an einem dünnen Zweig. Sie bringt schon durch ihre Schönheit und Blöße ein schwarzes Männerwesen zur Weißglut. Und dann erlaubt sie sich noch mit ihrer Linken provokantes Gekitzel. Männlich tumb, haarig und schwer hängt plump der Bär unbequem in einer Astgabel. Ihm bleibt nichts als hilfloses Glotzen angesichts unerreichbarer weiblicher Reize.
Der 23jährige Künstler hat ein köstliches, uns immer wieder begeisterndes Bild für das prekäre Verhältnis der Geschlechter gefunden. Macht und Ohnmacht begegnen sich bei großer Hitze in einer Pattsituation. Er kann nicht hinauf, sie nicht hinunter. – Es lebe der Sommer mit seinen Gelüsten !
Heikel ist auch die Geschichte zwischen Europa und dem Stier, in den sich ein scheinbar zahmer Zeus verwandelt hatte.
Auch ich kenne solche Verwandlungen. In leichter Anlehnung an „Ariadne auf dem Panther„, ein Werk meines Freundes Johann Heinrich Dannecker, das 1805 als „Bezähmung der Wildheit durch die Schönheit“ gedeutet worden ist, war auch ich einmal mit der meinen in Stuttgarts Neuer Staatsgalerie unterwegs.