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König Wilhelm I und Arabische Pferde: Diese Beiträge widme ich der Erinnerung an ALEXANDER DEHIO (1941-2014), den Pferdefreund und lieben Vetter. Lange war er begeistert an der Leitung des Internationalen Vielseitigkeitsturniers in Marbach beteiligt und erlebte dort seinen letzten glücklichen Tag.

Mein erstes Bild zeigt eine um 1820 entstandene Wandmalerei im Schlösschen Weil bei Esslingen.

Königin Elisabeth II. und Marbach

Als die junge Königin von England 1965 Stuttgart besucht, gehört dazu auch eine Stippvisite in Marbach am Neckar. Ein Foto zeigt sie dort vor Danneckers Schillerbüste. Was kann sie von diesem Dichter wissen, was an ihm interessant finden? Weiß sie vielleicht, wie kritisch Schiller ihre Vorgängerin Elisabeth I. als Widersacherin von Maria Stuart sah? Ist ihr bekannt, dass es mehr als nur dieses Marbach gibt? Weiß sie, dass der Ortsname (analog zu Marstall) auf eine frühere Pferdeschwemme hinweisen kann?

And where are the horses ?

Wie heimisch hätte sich Elisabeth II in dem für sie „richtigen“ Marbach gefühlt, dem traditionsreichen Marbach der Pferde. Deshalb klingt der Ausspruch in Schillers Marbach „And where are the horses?“ fast wie ein Hilferuf. Im Marbach an der Lauter auf der Schwäbischen Alb wäre der Königin als begeisterte Reiterin und Pferdekennerin das Herz aufgegangen. 

Dumm ist nur, dass der zitierte Satz vermutlich nie gefallen, sondern frei erfunden ist. Er ist aber so treffend, dass er zum Geflügelten Wort wird. – Für meinen Kontext wäre es allerdings noch besser, wenn er gelautet hätte: „And where are the arabian horses?“

Um nicht zu übertreiben, stelle ich nicht meinen erweiterten Satz, sondern seine korrekt unkorrekte Form von 1965 über meine Beitragsfolge. Ihr Gegenstand ist König Wilhelm I und Arabische Pferde und sein 1817 gegründetes Privatgestüt als erste Zucht von Vollblutarabern außerhalb des Orients. Wo waren diese edlen Pferde im 19. Jahrhundert, wo ihre Nachfahren 1965 und wo sind diese heute? Von Stuttgart ausgehend, beschäftige ich mich mit dem Kgl. Privatgestüt und seinen Gestütshöfen in Weil, Scharnhausen und Kleinhohenheim. Die Zucht geht über Wilhelms Tod hinaus. Es ist ein Glück, dass sie seit 1932 in Marbach auf der Schwäbischen Alb erfolgreich fortgeführt wird.

Ziel der umfangreichen Beitragsfolge

Mit meiner Recherche möchte ich anhand guten Bildmaterials vor allem die ehemaligen Gestütshöfe und ihre einzelnen Bauten in Erinnerung rufen. Alles liegt in der unmittelbaren Umgebung der Landeshauptstadt Stuttgart. Deshalb betrachte ich die einst so berühmten Zucht- und Kultstätten edler Pferde im Rahmen meiner Stuttgart-Ansichten.

Vorbemerkung

Meine Texte und Bilder könnten in stattlicher Buchform erscheinen. Doch empfinde ich in diesem Fall das Internet als besseres Medium. Sofern möglich, kommen die Beiträge alle 4 Tage. Mosaikartig ergeben sie ein Gesamtbild der Araberstätten in Württemberg. Fotos ohne Herkunftsnachweis stammen von mir. Zitate entschlüsselt das folgende, chronologisch geordnete Literaturverzeichnis. Auch bei Facebook und Instagram sind die Bilder unter meinem Namen zu finden.

Dank

Die Zucht der Vollblutaraber, die schwierigen Importe der Pferde aus dem Orient sowie die Leistung von König Wilhelm I von Württemberg und seiner Fachleute: alles findet sich in einem Band von 2017 gut dargestellt. Gudrun Waiditschka als große Kennerin der Materie ist die Autorin. Außerdem empfehle ich ihre Website: Arabische Pferde www.in-the-focus.com. Ihr gilt mein besonderer Dank. Und des weiteren: Jochen Bender, Stadtarchiv Ostfildern (Vortrag „Vom Kloster Weil zum Gestüt Weil“, Esslingen, 3.12.2008); Martin Beutelspacher, Städtische Museen Esslingen; Dr. Eberhard Fritz, Archiv des Hauses Württemberg (AHW), Altshausen; Uwe Geiger, Stadtmuseum Ebersbach, sowie Dr. Astrid von Velsen-Zerweck, Haupt- und Landgestüt Marbach

Mehrfach zitierte Literatur zur Zeit von König Wilhelm I

KUNTZ 1823 f. = (Rudolph Kuntz,) Abbildungen Königlich Württembergischer Gestütspferde von orientalischen Racen, Stuttgart 1823 f.

WECKHERLIN 1825 = August Weckherlin, Landwirtschaftliche Beschreibung der königlichen Besitzungen Weil, …, in: Correspondenzblatt des Württembergischen Landwirthschaftlichen Vereins, Bd. 7, 1825.

ADAM 1829 = Bildnisse vorzüglicher Pferde aus dem Marstall & den Privat Gestüten S. M. des Königs von Württemberg, nach dem Leben gezeichnet von Albrecht Adam und lithographiert von Franz Adam, Stuttgart (1829).

GESTÜTE 1830 = Zeitschrift für Gestütte und Reitbahnen … 1830.

ZOLLER 1841 = August Zoller, Stuttgart und seine Umgebungen, Stuttgart 1841.

JÄGER 1846 = August Jäger, Das orientalische Pferd und das Privat-Gestüte Seiner Majestät des Königs von Württemberg. Eine hippologische Monographie für Züchter, Freunde und Kenner von edlen Pferden. Mit 12 Portraits der edelsten Zuchtpferde der Gestüte, nach dem Leben gezeichnet, Stuttgart 1846.

PFERDEZUCHT 1857 = Die Pferdezucht Württembergs, Abbildungen ausgezeichneter Zucht-Pferde aus den Privatgestüten S. Maj. des Königs …, nach dem Leben gezeichnet und lithographiert von L. Voltz und E. Volckers, Stuttgart 1857.

BÜCHELE 1858 = Carl Büchele, Stuttgart und seine Umgebungen, Stuttgart 1858.

HÜGEL-SCHMIDT 1861 = Julius von Hügel und G. F. Schmidt, Die Gestüte und Meiereien S. M. des Königs Wilhelm von Württemberg, Stuttgart  (1861).

RUEFF 1864 = Adolf Rueff, Die arabische Vollblutzucht in den Privat-Gestüten S.M. …, in: Jahrbuch der deutschen Viehzucht …, 1. Jahrgang, Bd. 1, 1864.

Mehrfachzitierte Literatur nach König Wilhelm I

SCHMIDT 1865 = F. v. Schmidt, König Wilhelm von Württemberg in seinen ländlichen Beschäftigungen, Stuttgart 1865.

SCHEFOLD 1957 = Max Schefold, Alte Ansichten aus Württemberg, Stuttgart 1957.

SALUCCI 1995 = Ausst. Kat. Giovanni Salucci, Stuttgart, Wilhelmspalais 1995.

LENGERER 2004 = Willi Lengerer, Brühler Damast, Bildband 4, Privatdruck.

WAIDITSCHKA 2017 = Gudrun Waiditschka, Königliche Pferde, Die arabische Pferdezucht …, Bd I: König Wilhelm I. (1817-1864), Selbstverlag 2017.

Prachtvolle Araberhengste 1856 und 2016

König Wilhelm und Arabische Pferde: Amurath I 1829 Sohn Bairactars Hauptbeschäler besonders bewundert wegen seiner Schönheit

AMURATH I 1829, von Emil Volkers, signiert und 1856 datiert, nach: Pferdezucht 1857. 

Ein Schimmel, der an Bedeutung sogar seinen Vater BAIRACTAR übertrifft. Geboren 1829 aus der SADY III 1821, ist er 1834-36 Leibreitpferd von König Wilhelm und anschließend bis 1857 Hauptbeschäler des Gestüts.

“Hochedel und wunderschön, zeichnet sich auch durch ein vortreffliches Temperament und einen höchst gutmüthigen Charakter aus, welche kostbaren Eigenschaften auf seine sehr zahlreichen Nachkommen übergehen“, schreibt der große Pferdekenner Theodor Heinze 1846 (Waiditschka 2017, 130). Und Adolf Rueff (1820-1885), Professor für Zoologie und Tierarzneikunde in Hohenheim (1864, 296): „Dieses Pferd ist wohl einer der vollkommensten Araber, nie habe ich ein besser gebautes und edleres Originalthier gesehen.“

König Wilhelm und Arabische Pferde: Said Prachthengst unserer Tage direkter Nachfahre der Vollblutaraber von 1817

Mehr als 150 Jahre später eine faszinierende Ähnlichkeit: SAID, *1999, direkter Nachkomme von BAIRACTAR und MURANA I, Marbach 2016, Foto Gudrun Waiditschka. 

Die Zuchtlinien der beiden Vorfahren lassen sich über 200 Jahre ununterbrochen zurückverfolgen und sind damit die ältesten weltweit.