Florenz, Tizian: nach den ernsten Werken Michelangelos wende ich mich gegen Ende meiner Bilderfolgen lebensfroher Malerei des großen Tizian (1490-1576) zu. Der Ausschnitt mit Rosen in den Händen einer jungen Frau gehört zu einer der berühmtesten Aktdarstellungen der europäischen Kunst.

After the serious works of Michelangelo, towards the end of my series of paintings I will turn to lively paintings by the great Titian (1490-1576). The detail is one of the most famous nudes in European art.

Florenz, Uffizien: Tizian, Flora

Tizian, Flora, Detail des folgenden

Wiederum ein Bildausschnitt und die malerische Feier weiblicher Schönheit, doch in etwas fülligerer Gestalt. Eine hinreißende junge Frau mit Rosen in der Rechten wird entweder als Kurtisane oder mehrheitlich als Göttin des Frühlings gedeutet. Welch ein Unterschied zur zeichnerisch so genau erfassten Flora Botticellis. Hier ein Schwelgen im Reichtum fließender Übergänge mit kaum  nachvollziehbaren Nuancen in der Darstellung makelloser Hautpartien, die eine Illusion körperlicher Plastizität vermitteln. Großartig ablesbar nicht nur an den fließenden Haaren.

Another detail and the picturesque celebration of female beauty, but in a somewhat fuller form. A ravishing young woman is interpreted either as a courtesan or, for the most part, as the goddess of spring. What a difference to Botticelli’s flora, so precisely captured in his drawings. Here the artist revels in the richness of flowing transitions with barely comprehensible nuances in the depiction of flawless areas of skin that convey an illusion of physical plasticity. Magnificently legible not only in the flowing hair.

Florenz, Tizian, Flora – höchstes malerisches Können

Florenz, Uffizien: Tizian, Flora

Tizian, Flora, 1515/17, Öl auf Leinwand, 79 x 63 cm, Florenz, Uffizien

Eine venezianische junge Frau, verwandelt in eine Gestalt der Mythologie, eine Feier vollendeter Anmut. Freizügig und vornehm wirkend, von ausstrahlender Ruhe, ist sie vielleicht die Geliebte des Künstlers. Die Rechte präsentiert Rosen, die Linke hält mit legerer Eleganz ein weites Untergewand und einen festlichen Stoff so zusammen, dass ihre Reize und Fülle, ihre Züge und der Zauber der Frisur sich zu einem großen Bild einmaliger Schönheit verbinden.

A Venetian young woman, transformed into a mythological figure, a celebration of consummate grace. Permissive and distinguished, radiating calm, she is perhaps the artist’s mistress. Her right hand presents roses, her left holds a wide undergarment and a festive fabric together with casual elegance in such a way that her charms and fullness, her features and the magic of her hairstyle come together to form a great picture of unique beauty.

Florenz, Tizian, Venus von Urbino – ein Meisterwerk der europäischen Malerei

Florenz, Uffizien: Tizian, Venus von Urbino

Tizian, Venus von Urbino, 1538, Öl auf Leinwand, 119 x 165 cm, Uffizien

Eine in ihren Zügen fast mädchenhafte junge Frau ruht auf dicken Kissen und einer Liege, die lässig mit einem faltenreichen Laken bezogen ist. Sie ist nackt und bedeckt ihren Schoß. Den Betrachter sieht sie unverwandt an. In der Rechten hält sie ein Büschel von Rosen, aus dem eine herausgefallen ist. Der Blick in den palastartigen Raum ist genau zur Hälfte verschlossen. Rechts steht eine vornehme Bedienstete mit Stoffen über der Schulter. Sie verfolgt das Kramen einer Knienden in einer Truhe, die in Verbindung mit einer Hochzeit stehen könnte. Draußen ein heller Tag mit blauem Himmel.

A young woman, almost girlish in her features, rests on thick cushions and a lounger casually covered with a wrinkled sheet. She is naked, covers her lap, looks at the viewer unblinkingly and holds a bunch of roses in her right hand, one of which has fallen out. The view into the palatial room is exactly half closed. On the right, a noble servant stands with cloth over her shoulder and watches a kneeling woman rummaging in a chest that could be connected to a wedding. Outside, it is a bright day with a blue sky.

Was für eine hinreißende Darbietung weiblicher Schönheit! Nach der Dresdner „Schlummernden Venus“ von 1510 des großen Giorgione (1478-1510), die Tizian vollendet hat, ist diese liegende Venus die erste mit offenem Blick in der Geschichte der europäischen Malerei.

Florenz, Tizian – ein Hochzeitsbild ?

Es könnte sich um ein idealisiertes Hochzeitsbild handeln. Darin begegnet ein junger Ehemann seiner Angetrauten in bildlicher Form: selbstbewusst und scheu in einem und der schlafende Hund stünde für erhoffte eheliche Treue. Diese Deutungslinie vertrüge sich mit dem Auftraggeber Guidobaldo II. della Rovere, Herzog von Urbino (1514-1574). Ein Ehevertrag des 20jährigen mit der minderjährigen Giulia da Varano, Herzogin von Camerino (1523-1547), wird bereits 1534 geschlossen. Die Ehe aber wird erst etwa zur Zeit der Fertigstellung des Bildes vollzogen.

What a picture this ravishing depiction of a female beauty is! After the Dresden “Slumbering Venus” of 1510 by the great Giorgione (1478-1510), which Titian completed, this reclining Venus is the first with an open gaze in the history of European painting.

It could be an idealized wedding picture. A young husband meets his bride in a pictorial way: self-confident and shy in one and the sleeping dog would stand for hoped-for marital fidelity. This line of interpretation is consistent with the patron Guidobaldo II della Rovere, Duke of Urbino. A marriage contract between the 20-year-old and the underage Giulia da Varano, Duchess of Camerino, was concluded as early as 1534. However, the marriage was not consummated until around the time the painting was completed.

Tintoretto – Leda versus Venus

Florenz, Uffizien: Tintoretto, Leda und der Schwan

Tintoretto, Leda und der Schwan, um 1550/60, Öl auf Leinwand, 162 x 218 cm, Uffizien

Auch bei Tintoretto (1518-1594) – wie bei seinem großen Rivalen Tizian – ein lagernder weiblicher Akt. Nun aber großes Kino in Nahaufnahme und ein dynamisches Geschehen in diagonalen Kompositionsverläufen. Jupiter nähert sich in Gestallt eines Schwans der begehrten Leda, die darauf Helena und die Dioskuren gebären wird. Die Magd macht sich zu schaffen an einem Käfig mit Ente und spielendem Kätzchen. In der Mitte ein kleiner kläffender Hund.

Tintoretto (1518-1594) – like his great rival Titian – also depicts a reclining female nude. Now, however, there is great cinema in close-up and dynamic action in diagonal compositional sequences. Jupiter, in the form of a swan, approaches the coveted Leda, who will give birth to the twins Helena and Pollux. The maid is tampering with a cage with a duck and a playing kitten. In the middle is a small yapping dog.