Florenz, Michelangelo, Tondo Doni. Am 24. Januar 1504 entscheidet eine Künstlerkommission über die Aufstellung von Michelangelos David. Es ist das Tagesthema in Florenz. So wie es die Elbphilharmonie kurz vor ihrer Eröffnung in Hamburg war und bald Ingenhovens Bahnhof in Stuttgart sein wird. Eine Woche später, am 31. Januar 1504, heiratet der wohlhabende Tuchhändler Agnolo Doni (1474-1539) die 15jährige Maddalena Strozzi (1489-1540).
Er gibt Michelangelo den Auftrag für einen Tondo, der das einzige gesicherte Tafelbild des Künstlers ist und ein Schlüsselwerk der Kunstgeschichte. Aber auch die Ehefrau ist damit verbunden, wie es der Rahmen verrät. Wann der Auftrag und die Ausführung erfolgt sind, lässt sich nicht genau sagen. Denkbar ist ein Zusammenhang mit den Porträts der Eheleute von Raffael und das Überleben eines Kindes im Jahr 1507.
On January 24, 1504, a commission of artists decides on the installation of Michelangelo’s David. It is the topic of the day in Florence. Just as the Elbphilharmonie was shortly before its opening in Hamburg and will soon be Ingenhoven’s railroad station in Stuttgart. A week later, on January 31, 1504, the wealthy textile merchant Angelo Doni (1474-1539) marries the 15-year-old Maddalena Doni (1489-1540).
Florenz, Michelangelo, Tondo Doni: Bild wie Rahmen einzigartig

Michelangelo, Tondo Doni, 1506/08, Öl und Tempera auf Holz, Durchmesser 120 cm, Florenz, Uffizien
Michelangelo malt eine Hl. Familie in einer nie zuvor denkbaren Figurenkonstellation. Eine athletische, auf dem Boden sitzende Maria wendet sich in fast akrobatischer Weise zurück. Sie empfängt das Kind von dem halb knienden Joseph, der – aller Tradition entgegen – in seiner Würde an einen Gottvater erinnert. Genauso wird an ein Zurückreichen des Kindes gedacht.
Die Wirkung des Bildes wird durch die Kostbarkeit seines Rahmens gesteigert. Ihm soll ein Entwurf Michelangelos zugrunde liegen. Die erlesene Ausführung übernimmt Francesco del Tasso (1463-1519), ein Meister seines Faches aus einer berühmten Familie von Schnitzern.
Michelangelo paints a Holy Family in an unprecedented constellation of figures. An athletic Mary, seated on the ground, turns back in an almost acrobatic manner. She receives the child from the half-kneeling Joseph, who – contrary to tradition – is reminiscent of God the Father in his dignity. In the same way, the child is being handed back.
The effect of the picture is enhanced by the preciousness of its frame. It is said to be based on a design by Michelangelo. Francesco del Tasso (1463-1519), a master of his trade from a famous family of carvers, was responsible for the exquisite execution.
Nach vorne oder zurück?

Neben der Bewegung der Gestalten ist auch die Farbigkeit absolut neuartig. Aus Grundtönen entwickelt, bietet sie eine Vielfalt changierender Übergänge in klaren, fast harten Umgrenzungen. Das wird sich bald in Rom an der Sixtinischen Decke wiederfinden. Die Gesamtwirkung ist eine Art Kontrastprogramm zu Leonardos Sfumato und der Ausgangspunkt für die jüngere Generation der Manieristen.
In addition to the movement of the figures, the use of color is also completely new. Developed from basic tones, it offers a variety of iridescent transitions in clear, almost hard outlines. This will soon be reflected in the Sistine ceiling in Rome. The overall effect is a kind of contrasting program to Leonardo’s sfumato and the starting point for the younger generation of Mannerists.
Luca Signorelli – eine Anregung für Michelangelo?

Luca Signorelli, Maria mit Kind, gemalte Rahmung: Johannes der Täufer zwischen zwei Propheten, um 1490, Tempera auf Holz, 170 x 117,5 cm, Florenz, Uffizien
Ausgeführt vermutlich für Lorenzo di Pierfrancesco de‘ Medici, dürfte das Gemälde Signorellis (um 1450-1523) Michelangelo bekannt gewesen sein. Hier gibt es gleichfalls ein Tondoformat, das Sitzen Marias auf einer Rasenfläche und ein entblößtes Jesuskind. Auch erscheinen im Hintergrund fast nackte junge Männer, die als Repräsentanten heidnischen Lebens vor Moses‘ Gesetzen gedeutet wurden. Ein Vorbild für Michelangelo?
Presumably executed for Lorenzo di Pierfrancesco de‘ Medici, the painting by Signorelli (around 1450-1523) was probably known to Michelangelo. It also features a tondo format, Mary sitting on a lawn and a naked baby Jesus. Almost naked young men also appear in the background, who were interpreted as representatives of pagan life before Moses‘ laws. A model for Michelangelo?

Die Rasenfläche, auf der die Familie agiert, wird nach hinten durch einen Mauerstreifen horizontal abgeschlossen. Dahinter erscheint der kleine Johannes mit Fellumhang und einem Kreuz als Hinweis auf den Tod Christi.
Welche Funktion die fünf jungen Männer haben, was sie mit einem Tuch treiben und verkörpern (vgl. die Madonna an der Treppe), bleibt trotz zahlreicher Deutungsversuche rätselhaft.
The lawn on which the family is acting is closed off horizontally at the back by a strip of wall. Behind it, little John appears with a fur cloak and cross as a reference to the death of Christ.
What the function of the five young men is, what they are doing and embodying with a cloth (cf. the Madonna on the stairs), remains enigmatic despite numerous attempts at interpretation.

Michelangelo, Tondo Doni, Detail
Danke lieber Christian für das wahrlich erstaunliche Bild. Wie die Farben strahlen! Die Geschichte des Auftragswerks ist interessant.