Stuttgart 21 – ein Meisterwerk auf dem Weg zur Vollendung: Christoph Ingenhovens Bahnhofshalle ist im Entstehungsprozess bereits weltweit bekannt. Hier sieht man sieben der jeweils paarweise gegeneinander versetzten Kelchstützen – ein Viertel der endgültigen Zahl. Dank der erstmals gebauten Betonschalenkonstruktion des Daches ist der Rohbau in diesem Bereich so gut wie abgeschlossen. Nach unten runden gekrümmte Betonschalen den harmonischen Bewegungsfluss der Architektur ab. Einen überwältigenden Raumeindruck vermittelt der Rohbau bereits im jetzigen Zustand.
Aus der Vogelperspektive wird ab 2025/26 alles einmal so aussehen, gemäß einer Visualisierung bei Gleis 1, © Bahnprojekt Stuttgart–Ulm e.V. | Visualisierung plan b | Stand der Planung 2022. Die 28 sog. Lichtaugen, die Glasdächer der Kelchstützen, haben einen Durchmesser von 16 m und eine Glasfläche von 200 qm. Die 400 m lange Bahnhofshalle wird dadurch strahlend hell erscheinen.
Blick von der Baustellenstraße zu Füßen des ITS – Infoturm Stuttgart. Man sieht einen Betonkelch in Konstruktion. Vor der Dachverbindung mit den benachbarten Kelchen benötigt er einen Kranz metallener Stützen. Hinter ihm ragt der Turm des Bahnhofs von Paul Bonatz auf.
Die Züge werden ab Ende 2025 nicht mehr direkt auf den Turm zufahren, sondern im abgesenkten Durchgangsbahnhof parallel zum rund 100 Jahre alten Vorgängerbau.
Als ich im Januar 2019 die erste Kelchstütze sah, gewann ich bereits die Überzeugung, dass das Stuttgarter Bahnprojekt mit diesem kühn und wegweisend konstruierten Bahnhof einen vergleichbaren Erfolg haben dürfte wie die Elbphilharmonie in Hamburg.
Stuttgart 21 – ein Meisterwerk auf dem Weg zur Vollendung: die Baustelle in Richtung Westen. Nur noch wenige Kelchstützen sind zu vollenden.
Das Bahnhofsgelände ab 2025/26
Blick von der Ostseite mit dem Bahnhofszugang bei der U-Haltestelle Staatsgalerie. Dahinter das parkartige Dachgelände von Ingenhovens Bahnhof. Links davon der bisherige Bahnhof von Paul Bonatz, rechts künftige, hier weiß angedeutete Bauten auf dem heutigen Gleisgelände. Visualisierung der Situation nach Ende 2025 bei Gleis 1, © Bahnprojekt Stuttgart–Ulm e.V. | Visualisierung plan b | Stand der Planung 2022.
Die Bahnhofshalle Richtung U-Haltestelle Staatsgalerie
Dank an Andreas Hofmann vom ITS – Infoturm Stuttgart für sichere Begleitung und Informationen, parallel zu dem Kunstereignis Solid Transitions am Sonntag, den 8. Januar 2023.
Die Bahnhofshalle war nur wenige Tage zugänglich. Und zwar im Kontext der faszinierenden Darbietungen unter dem Namen „Solid Transitions“ am sog. Südkopf des Bahnhofs, in dem die Halle in die Tunnelzonen übergeht. Auf diese Weise konnten Besuchergruppen in neun geführten Rundgängen den Rohbau des künftigen Bahnhofs am ersten Wochenende 2023 erleben. Die choreographisch inszenierte Gesamtleistung des Künstlerteams soll bald in einem Video nachvollziehbar sein.
Trotz Abdeckungen der Lichtaugen gibt es schon eine Vorstellung von der künftigen Tageshelle in der Halle mit ihren acht Gleisen. An Ort und Stelle ist unmittelbar zu spüren, dass man sich hier in einem architektonischen Meisterwerk befindet. Das gilt auch für die Präzision der Ausführung. Was als Konstruktion in gotischen Kathedralen nachvollziehbar ist, findet hier eine Analogie. Die Verfugungen der Bauteile zeichnen sich in präzisester Weise als ornamentale Muster auf den Betonflächen ab, mal in kleineren, mal in riesigen Dimensionen.
Vgl. meine Beiträge zu Stuttgart 21 auf dieser Website:
– November 2010: Vortrag „Bahnhöfe – Gleise – Parkanlagen / Stuttgarts Stadtentwicklung und Stuttgart 21“ im Stuttgarter Rathaus – 78 Bilder zum Herunterladen
– November 2018: https://christianvonholst.de/32-stuttgarts-hauptbahnhof-wird-museum/– eine etwas verrückte, aber schöne Idee, die sich am Musée d‘Orsay in Paris entzündet, auch einem ehem. Kopfbahnhof
– Dezember 2018: https://christianvonholst.de/36-neue-bahnbruecke-bei-schloss-rosenstein-ueber-den-neckar/ – ein elegantes Werk von Schlaich Bergermann Partner
Stuttgart 21 – ein Meisterwerk auf dem Weg zur Vollendung: vgl. auch den Beitrag vom Januar 2019: https://christianvonholst.de/40-stuttgart-21-offene-baustelle/ – die 1. Kelchstütze wird gefeiert.
Zwei weitere künstlerische Beiträge zu Stuttgart 21:
– Juli 2019: https://christianvonholst.de/46-tobias-rehberger-probegrube-in-stuttgart-mai-juli-2019/ – Auseinandersetzung des Künstlers Tobias Rehberger mit dem Bahnhof beim benachbarten Schauspielhaus
– September 2019: https://christianvonholst.de/47-theater-in-der-bahnhofsgrube-von-stuttgart/ – „MOTOR CITY SUPER STUTTGART“ von und mit Schorsch Kamerun
Die Bahnhofshalle Richtung Manfred-Rommel-Platz
Vgl. auch den Beitrag von Januar 2020: https://christianvonholst.de/54-ingenhovens-bahnhof-eine-art-elbphilharmonie-in-stuttgart/ – eine Dokumentation nach einem Tag der offenen Baustelle.
Blick nach Nordwesten in Richtung der letzten noch auszuführenden Kelchstützen. Die bereits vollendeten Stützen sind derzeit wie mit Manschetten am Boden geschützt. Davon befreit, wird die Raumwirkung noch stärker sein. Die schlanken Füße verwandeln sich nach oben hin wie Pflanzen zu weit schweifenden Formen. In fast melodischer Weise schließen sie sich zu einer bewegten Dachlandschaft zusammen.
Angesichts des fließenden Formenreichtums vergisst man fast, dass er mit Tausenden von Tonnen Stahl und Beton erreicht wird. Scheinbar schwerelos steht uns ein organisch wirkendes, ästhetisches Gebilde vor Augen. Wir in Stuttgart sind Zeugen, wie sich aus einer verbreiteten Bauaufgabe – einem Durchgangsbahnhof – ein künftiger Pilgerort für Architekturfans entwickelt. Das verdanken wir visionären Koryphäen wie Christoph Ingenhoven und Werner Sobek mit ihren Teams sowie exzellenten Bauhandwerkern.
Diese Einsicht mag der Stuttgarter Bevölkerung helfen, auch noch die letzten belastenden Jahre der Riesenbaustelle auszuhalten. Freude und Stolz werden sich bald einstellen. Man denke nur an die Widerstände vor 40 Jahren bei der Errichtung der Neuen Staatsgalerie. Oder Jahrzehnte zuvor an den Fernsehturm oder die Weißenhofsiedlung. Allesamt Highlights unserer Stadt und der Weltgeschichte der Architektur des 20. Jahrhunderts.
Dies schreibt der ehem. Baureferent der Neuen Staatsgalerie. Vor ihrer Eröffnung war 1983 bei manchen Besuchern die Begeisterung über ihren Rohbau so groß, dass einzelne sogar fanden, man solle ihn in diesem Zustand belassen. So weit wollte ich damals und möchte ich auch heute nicht gehen. Ich verfolge vielmehr mit Freude und Spannung die sich nähernde Vollendung eines weiteren, beispielhaften Meisterwerks der Architektur in Stuttgart.
Die beste Baustellen Führung hatten wir mit Herrn. Andreas Hofmann.
Vielen Dank sagen die Telekomsenioren