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König Wilhelm I und Katharina und ihre Pferdeliebe: Wilhelm vor Wien, unten rechts „nach der Natur gezeichnet von Carl Heideloff 1815“, Staatsgalerie Stuttgart.
Der Kronprinz präsentiert sich nach Napoleons Niedergang als erfolgreicher Feldherr beim Wiener Kongress. Auf der Satteldecke weist das “F“ unter der Königskrone auf ihn oder seinen Vater hin. Wie Napoleon bevorzugt Wilhelm Schimmel, die den Reiter und Herrscher herausheben aus der Menge.
Begegnung in Wien
In Wien lernt Wilhelm seine verwitwete Cousine Katharina kennen, Tochter der Zarinwitwe Maria Feodorowna, der Schwester seines Vaters. Anfang 1816 heiraten beide in St. Petersburg jeweils zum 2. Mal. Wilhelm und Katharina vereint auch ihre Pferdeliebe.
Königin Katharina, geb. Katharina Pawlowna Romanowa, Großfürstin von Russland (1788-1819), Franz Stirnbrand (1788-1882), 1819, Privatbesitz, Foto Archiv des Hauses Württemberg, Altshausen. Das nach ihrem Tod entstandene Bildnis zeigt Katharina vor dem Neckartal. Hinter ihr liegt links oben der Stammsitz des Hauses Württemberg, die baldige Stätte ihrer Grabkapelle. Rechts sieht man in größerer Ferne Obertürkheim.
Katharina als junge, wohltätige Königin
Das liebliche Bildnis lässt kaum die äußerst resolute Persönlichkeit der vierfachen Mutter ahnen, die bereits am 9. Januar 1819 stirbt. In Stuttgart tritt sie ab Frühjahr 1816 sofort voller Tatkraft mit vielen guten Ideen sowie mit sozialer Verantwortung in Erscheinung. Eigene beträchtliche Mittel erlauben ihr zahlreiche Initiativen.
Katharina präsentiere ich hier ganz bewusst mit ihrem Ehemann. Denn sie bemüht sich mit ihm zur Linderung des Hungers und sonstiger Not im Land beizutragen. Der Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien zeitigt 1816 – dem „Jahr ohne Sommer“ – weltweit schlimmste Zustände. Und damit auch in Württemberg. Gemeinsam mit Wilhelm ist Katharina besonders an der Modernisierung und Stärkung der Landwirtschaft interessiert. In diesem Kontext ist auch die Gründung eines Mustergestüts zu sehen. Als Pferdekennerin und wie ihr Mann begeisterte Reiterin unterstützt sie seine Araberzucht durch eigene Ankäufe orientalischer Pferde.
Orientbegeisterung
„Das orientalische Pferd …“, nach: Jäger 1846.
Die mit Napoleons Ägyptenfeldzug einsetzende Begeisterung für den Orient und seine Pferde teilt bereits der junge Kronprinz. 1810 startet er an seinem Sommersitz Scharnhausen mit der Pferdezucht und 5 orientalischen Stuten. Im Hungerjahr 1816 erwirbt er die reinblütige Araberstute MURANA I (1808/11-1825) vom Stamm Saklawi Djedran, die sich bald als ein Segen für sein Gestüt erweist. Leider gibt es von diesem Apfelschimmel keine Darstellung. Doch lebt MURANA I in ihrer Zuchtlinie über 200 Jahre bis heute weiter.
Der König ist tot, es lebe der König
Ende Oktober 1816 stirbt Wilhelms Vater Friedrich im Alter von 62 Jahren und Wilhelm wird König von Württemberg. Die Realisierung eigener Vorstellungen braucht nicht mehr zu warten.
König Wilhelm und Katharina und ihre gemeinsame Pferdeliebe, die zeigen sich jetzt. Ankäufe vorzüglicher arabischer Pferde, an denen sich Katharina dank ihres Vermögens und ihrer Kontakte in Russland und Polen selbstständig beteiligt, schüren den Wunsch nach einer eigenen Zucht von Vollblutarabern. Im Juni 1817 gelangen die vortrefflichen Hengste BAIRACTAR und TAJAR nach Stuttgart, beide wie MURANA Original-Araber vom Stamm Saklawi Djedran. Am 30. September 1817 verfügt Wilhelm die Gründung seines aus Eigenmitteln finanzierten Kgl. Privatgestüts. Sein Hauptsitz wird Weil bei Esslingen. Zugleich erhält das heute über 500 Jahre alte Stamm-Gestüt in Marbach an der Lauter den Status eines Landgestüts.
Die erste Vollblutaraberzucht außerhalb des Orients
Situationsplan des Gestüts, nach: Hügel-Schmidt 1861.
Mit Wilhelms Gründung seines Privatgestüts, verteilt in Stuttgarts Nähe auf die Domänen Weil, Scharnhausen und Kleinhohenheim, entsteht die erste Zucht reinrassiger Araber außerhalb des Orients. Zielstrebige, meist langwierige und kostspielige Importe qualifizieren fortwährend den Pferdebestand. Zuchterfolge stellen sich ein, sodass der Name des winzigen Fleckens Weil schnell ein Begriff wird. Schließlich ist die württembergische Zucht Arabischen Vollbluts die bedeutendste Europas im 19. Jahrhundert.
Eine Darstellung des Königs
König Wilhelm I von Württemberg, Joseph Joachim von Schnizer (1792-1870), um 1821, Staatsgalerie Stuttgart. Lithographisch vervielfältigt und in ganz Württemberg verbreitet.
Vor rund 200 Jahren, zur Entstehungszeit des Bildes, ist Wilhelm ein Mann im Schwabenalter und bereits seit Jahren König. Früh als Oberbefehlshaber der württ. Truppen erfolgreich, präsentiert sich der nüchtern-bescheidene Herrscher in slawischer Reitertracht. Ein Ordonanzoffizier der Leibgarde hält sein orientalisch aufgezäumtes Pferd.
Schon länger ist er Züchter Arabischen Vollbluts. Nach dem erfolgreichen Start seines Gestüts im Jahr 1817 bereichert zwei Jahre später eine Gruppe von Vollblutarabern den Bestand, die der polnische Orientfan Graf Waclaw Severyn Rzewuski (1784-1831) bei verschiedenen Stämmen der Anazeh-Beduinen kauft. Den Auftrag an den Polen, der sich selbst als Beduine kleidet, vergibt Ende 1817 Königin Katharina. Die Ankunft von gut zwei Dutzend Arabern im März 1819 erlebt sie nicht mehr (vgl. Waiditschka 2017, 50 ff.).
Vorstudie zum Porträt König Wilhelms I, J. J. von Schnizer, um 1821, Württ. Landesbibliothek Stuttgart.
Künstler und/oder König denken zunächst an eine lässige, quasi gleichrangige Verbindung von Reiter und Pferd.
Vorstudie zum Porträt König Wilhelms I, J. J. von Schnizer, um 1821, Stadtarchiv Stuttgart.
Dieser Bildentwurf bietet beinahe die endgültige Komposition. Nur gebärdet sich das Reitpferd des Königs wohl etwas zu lebhaft und lenkt damit vom Herrscher ab.
Identifizierung eines Hengstes nach 200 Jahren
Auf Schnizers Gemälde sieht man nicht – wie stets angenommen – arabische, sondern „persische“ Pferde. Erst dank dieser Detailaufnahme entdecke ich trotz jahrzehntelanger Kenntnis des Bildes ein Brandzeichen auf dem braunen Hengst. Anfangen kann ich damit nichts. Gudrun Waiditschka weiß Rat und schreibt mir: „Es handelt sich also (vermutlich) nicht um ein Arabisches Pferd, sondern gehört der Rasse Karabagh an, die (damals) sehr hoch im arabischen Blut stand.“ Weitere Infos finden sich bei Waiditschka 2017, 38 ff. Nur bei dem sechsten, namenlosen Hengst zeigt die hdschr. Ankaufsliste von 1818 dieses Brandzeichen, mit dem Vermerk: „Race Dscheran Bassan, von der Stuterey des Chan Bruders Mamad Hassan Aga. Ein in der ganzen Gegend wegen seiner Stärke und Güte berühmtes Pferd.“
Königin Katharina erwirbt 1817 und 1818 insgesamt 25 „persische“ Stuten und 12 Hengste aus dem Kaukasus, darunter auch diesen. Er gelangt in den Kgl. Marstall und gehört zu den Leibreitpferden des Königs.
König Wilhelms 3. Heirat
Zur Zeit, als obiges Gemälde entsteht, ist Wilhelm bereits wieder verheiratet. Im April 1820 ehelicht er erneut eine Cousine: Pauline (1800-1873), Tochter von Herzog Ludwig, dem jüngeren Bruder seines Vaters. Drei Kinder kommen zur Welt. Darunter sind zwei für das Land von besonderer Bedeutung. Der Sohn Karl (1823-1891) heiratet 1846 Großfürstin Olga Nikolajewna und ist von 1864-91 König von Württemberg. Seine Schwester Katharina (1821-1898) wird die Mutter von König Wilhelm II., mit dem die Monarchie im Land endet.
Auch diese Ehe Wilhelms steht unter keinem guten Stern. Zwar bleibt das Paar nach außen zusammen, lebt sich aber total auseinander. Der König bestimmt seine letzte Ruhestätte neben Königin Katharina.
König Wilhelms Lieblingsorte seiner Araberzucht
Das Sammelbild des späten 19. Jahrhunderts vereint das Dreigestirn der Privatgestüte Wilhelms mit sonstigen Orten seiner Pferdeliebe, Foto Jochen Bender, Ostfildern. Von oben links zeigen die Szenen: 1. Weil, 2. Scharnhausen, 3. Kleinhohenheim, 4. Reithaus Stuttgart, 5. Stutenstall und 6. Stutenhof in Weil.