Abbruch am Rotebühlplatz in Stuttgart. Die Großbauten von Kammerer & Belz entlang der Theodor-Heuss-Straße erhalten 1979 den Paul-Bonatz-Preis der Stadt Stuttgart. Heutigen Anforderungen genügen sie jedoch nicht mehr.
Auch die einst gerühmte Calwer Passage ist ins Hintertreffen geraten, abgelegen, ohne Umsätze. Die Klugheit und Großzügigkeit des Investors Ferdinand Piëch haben sie wieder belebt. Junge Leute bespielten sie als Fluxus Mall auf alternative Weise, machten sie zu einem Anziehungspunkt der Stadt. Denkmalgeschützt und verschalt, wartet sie hier hinter dem Laster auf eine gute Zukunft.
Alles Übrige ist dem Abbruch geweiht. Spezialgeräte machen sich bereit.
Wie ein Nachfahre von Dinosauriern und Drachen erreicht auf langem Hals ein Schrecken erregender Kopf den höchsten Punkt der Bauruine. Der in jeder Richtung drehbare Kopf und das Gebiss zum Betonbrechen und Zermalmen von Bewehrungsstahl sind kurz vor der Attacke.
Der Biss erfolgt. So wie Drachen Feuer speien, verursacht der Rachen des Betonbeißers Staubwolken.
Schneekanonen, die wegen des Klimawandels neuer Aufgaben harren, verteilen Sprühregen zur Dämpfung der Staubbildung.
Möglicherweise ist auch Loriots bzw. Bernhard Grzimeks Steinlaus, die 1976 in nur noch wenigen Exemplaren entdeckt wurde, im Untergrund tätig, um das Abbruchwerk zu beschleunigen. Ältere Zeitgenossen werden sich an diese berühmt gewordene Petrophaga lorioti, an Loriots Steinfresserin erinnern.
Der höchste Bauteil erwartet sein Ende. In Kurzform ist oben zu lesen: WehWeh.
Abbruch am Rotebühlplatz in Stuttgart – die Stadt ist gespannt auf den Neubau von Christoph Ingenhoven, dem bisher wegen seines Bahnhofsprojekts S21 viel Gegenwind entgegen blies. Zum Glück macht sich mehr und mehr die Einsicht breit, dass dieser ein außerordentliches Werk der Verkehrstechnik werden dürfte.
22. April 2019