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BAIRACTAR – Stammvater der Weil-Marbacher Araberzucht seit mehr als 200 Jahren.
Das Jahrhundertpferd BAIRACTAR
BAIRACTAR (1813-1838), Original-Araber vom Stamm Saklawi Djedran, gezeichnet von Albrecht Adam (1786-1862), lithographiert von Gottfried Küstner (1800-1864), 1829, Württ. Landesbibliothek Stuttgart (auch in: Jäger 1846).
Die allseits hervorgehobene Schönheit dieses Schimmelhengstes bewundere ich, kann sie aber nicht angemessen beschreiben. Deshalb stelle ich sie einfach nur vor Augen. Noch 2017 ist diese Darstellung die Vorlage für ein Relief. Damit würdigen Marbach und Scharnhausen 200 Jahre Zucht von Arabischem Vollblut.
Araber und Württemberger
Wie kam es zur Verbindung von Vollblutarabern und Württembergern? Und speziell zu der Verehrung von BAIRACTAR? Noch heute hält in Marbach eine Veranstaltung mit dem Namen Bairactar Memorial die Erinnerung an ihn wach.
Der Weg führt nach Frankreich. Napoleon reitet nur arabische Schimmel. Bereits als Kronprinz lernt Wilhelm – zunächst auf der Seite Napoleons, dann gegen ihn – die Araberpferde schätzen: ihre Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Treue und Zutraulichkeit. Diese Rasse ist in der Wüste an größte Hitze gewöhnt und auch an enorme nächtliche Kälte. Deshalb hat sie 1812 manchem Teilnehmer des Russlandfeldzuges das Leben gerettet.
König Wilhelm I. auf BAIRACTAR, Albrecht Adam, 1829, Privatbesitz, Foto AHW, Altshausen.
BAIRACTAR, in der Wüste geboren und aufgezogen, 1817 in Damaskus erworben, ist zunächst Wilhelms bevorzugtes Leibreitpferd. In diesem Bild wird die Freude am Reiten eines außerordentlichen Pferdes unmittelbar anschaulich. Der temperamentvolle Hengst und sein souveräner Reiter bilden eine Einheit. König Wilhelm galoppiert oft stundenlang. Mit einem Tempo von ca. 20 km/h kann er damit die Entfernungen zwischen seinen Landhäusern und Gestüten in ziemlich kurzer Zeit bewältigen.
Tänzerische, sich vererbende Wüstenschönheit
Ein jugendlicher Reiter führt eine Art Levade vor und präsentiert dabei die tänzerische Eleganz BAIRACTARS. Das Gemälde ist ein Hauptwerk von Albrecht Adam, entstanden um 1830, Privatbesitz, Foto AHW, Altshausen.
Vor weiter Flusslandschaft und dramatisch bewegten Wolken erhalten die beiden Hengste eine heroische Dimension, vor allem der Schimmel. Die Begeisterung der Zeitgenossen ist nachvollziehbar. August Wilhelm Freiherr von Taubenheim ist als Erster Stallmeister verantwortlich für die Gestüte des Königs. 1841 schreibt er auf seiner Einkaufstour in Arabien: „einen BAIRACTAR habe ich unter vielleicht dreißigtausend orientalischen Pferden nicht gesehen, mit Ausnahme eines Schimmels …“ (Waiditschka 2017, 113).
Der spiegelverkehrte Bairactar an anderen Orten
Albrecht Adams Hengstpaar vor Stuttgart, um 1840, Württ. Landesbibliothek Stuttgart.
Der Lithograph Hermann Fleischhauer platziert die Gruppe vor dem Tübinger Tor auf der Hauptstätter Straße (heute Österreichischer Platz). Aus dem jugendlichen Schwarzen wird ein Reiter des Marstalls.
BAIRACTAR, Julius Schnorr (1826-1885) nach Albrecht Adam, nach: Hügel-Schmidt 1861.
Diese Darstellung des Jahrhundertpferdes und Stammvaters des arabischen Vollbluts in Württemberg ist heute eine Art Markenzeichen der kgl. Araberzucht. Wie beim vorigen Bild ist sie eine spiegelverkehrte Wiederholung des Gemäldes von Albrecht Adam. Der Hengst erscheint hier vor maurischer Architektur. Man trifft solche ähnlich an in der Wilhelma – einem anderen Projekt der Orient-Leidenschaft des Königs.
BAIRACTAR ist nicht nur ein herrliches Reitpferd. Er überrascht auch als Beschäler. Seine positiven Eigenschaften vererben sich in ausgezeichneter Weise. Bald wird er nicht nur als Hauptbeschäler, sondern er ist auch Stempelhengst. Es zeigt sich nämlich die gut sichtbare Weitergabe seiner äußeren und inneren Qualitäten bei seinem Nachwuchs wie ein Stempelabdruck. Unter den rund 100 von ihm gezeugten Fohlen befinden sich 37 Mutterstuten und 7 Beschäler.
Göttlicher Vogel statt kgl. Pferd
In Ermangelung eines Arabers vor maurisch gestreifter Architektur biete ich in der Wilhelma einen ähnlich noblen Pfau, einst prachtvolles Begleittier der Göttin Juno – wie BAIRACTAR mit direktem Blick auf den Betrachter.
Bairactar in einer Oase
BAIRACTAR in orientalischer Natur erinnert die Betrachter an seine Herkunft aus der Wüste; nach: Schmidt 1865.
1864 schreibt Adolf Rueff, der angesehene Tierarzt und Professor in Hohenheim (1864, 296): „Dieser Originalhengst war von edlen Formen und besonders stark und regelmäßig gebaut, im Gang vorzüglich, allein im Halse nicht schlank und lang genug, und in der Schulter etwas steil. Bairactar I. vererbte sehr gut und ist zu den besten Arabern zu zählen, welche je nach Europa importirt wurden.“
Bairactars Erbe in guten Händen
König Wilhelm überlässt 1838 den toten BAIRACTAR der „Thierarzeneyschule“. Sein Skelett befindet sich derzeit als Dauerleihgabe der Universität Hohenheim im Marbacher Gestütsmuseum in Offenhausen. Ausnahmsweise hier mit Frau Landoberstallmeisterin Dr. Astrid von Velsen-Zerweck, die seit 2007 als erste Frau das mehr als ein halbes Jahrtausend alte Gestüt erfolgreich leitet.
Vor 500 Jahren hätten in Marbach bereits Luther, Dürer, Grünewald oder auch Leonardo, Michelangelo, Raffael vorbeischauen und Pferde bewundern können – was für eine Vorstellung und historische Tradition.
Lieber Christian, ganz herzlichen Dank !
Ein faszinierendes Sujet wunderbar aufgearbeitet. Ich muss immer wieder feststellen, dass wir uns mit fortschreitender technischer Entwicklung der Kultur aber auch der einfachen Profangeschichte mit Lichtgeschwindigkeit entzogen haben und oft genug auch noch trotzig stolz darüber sind. So war es mir eine Freude, das zu lesen.
Herzlichen Dank für die freundlichen Worte.
Hallo Christian,
ein sehr gelungener Geschichtsausflug in die Vergangenheit, die bis heute andauert.Chapeau!
Uwe-Jens