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Reiterfest/Caroussel 1846 – Einzug der Ritter im vermeintlichen Orient. Ziel des Festes ist es, ein reiches Programm an verschiedenartigen Vorführungen und Schaukämpfen zu bieten.
Turniervögte lenken die Festveranstaltung
Tafel 3: Die Vögte, die den Ablauf des Festes zu koordinieren haben, sprengen auf prächtigen Rappen heran. Es sind die Freiherren Wilhelm vom Holtz (1801-1868), Friedrich von Breuning (1818-1883), Edwin von Podewils (1819-1869) und Ludwig Hofer von Lobenstein (1812-1885). Diese Seite hat Carl Kurtz (1817-1887) gezeichnet, ein sonst nicht sehr bekannter Stuttgarter. Er wird 1848 Professor am Polytechnischen Institut. Wie gesagt, sind alle Lithographien handkoloriert.
Holtz ist nach dem Studium der Rechtswissenschaft seit 1837 Kammerherr von Königin Pauline. Später bringt er es zum Hofmarschall. Ab 1844 – was gut zum Kreuzzugsthema passt – ist er Ehrenritter und später noch weit mehr beim Johanniter-Orden. Auf seiner Satteldecke findet sich sein Familienwappen. Es ist ein Holzkasten bzw. hier eher eine Truhe auf vier Beinen.
Breuning, Herr von Schloss Lehen in Kochendorf/Bad Friedrichshall, wandert vor 1873 in die USA aus. Seine Schwester Mathilde ist seit 1844 morganatisch mit Prinz Friedrich zu Hohenlohe-Öhringen verheiratet (Tafel 23).
Podevils, Besitzer des Rittergutes Leinstetten bei Rottweil, bringt es zum Kammerherrn und Ehrenritter des Johanniter-Ordens.
Lobenstein, Mitherr auf Wildenstein, wird Deputierter der Ritterschaft des Königreiches Württemberg.
Bannerträger und sonstige christliche Helden
Die Reiter präsentieren sich oft paarweise. Sie scheinen gerade an den Hoheiten und sonstigen Honoratioren vorbeizuziehen. Das Innere des Reithauses wird nicht angedeutet. Aber es wird die Bewegung eines Umzugs suggeriert. Diesen Eindruck erreichen die Künstler, indem sie den Protagonisten mehrfach Assistenzfiguren beigeben. Lediglich leicht skizziert, taucht Gefolge aus unbestimmtem Raum auf oder ist dorthin schon unterwegs.
Tafel 4: Graf Curt von Pückler und Limpurg, Freiherr von Grodlitz (1822-1888) übernimmt in Begleitung von Graf Ferdinand von Zeppelin (1811-1863) die Rolle des Bannerträgers. Fanfarenbläser reiten ihnen voraus.
Pückler ist 1846 Leutnant bei der Kgl. württ. Leibgarde zu Pferde und Ritter des Johanniter-Ordens. Sein Bruder Friedrich Pückler findet sich auf Tafel 24.
Im Jahr 1846 wird Zeppelin Kgl. württ. Kammerherr und später Oberleutnant der Feldjäger-Schwadron.
Tafel 5: Freiherren Hermann von Massenbach (1799-1847) und Götz von Berlichingen (1819-1881), gezeichnet von Johann Baptist Zwecker (1814-1876). Dieser Künstler kommt aus Frankfurt, ist am Städel ausgebildet und in Düsseldorf, spezialisiert sich schließlich auf Pferdebilder. Er lebt ab etwa 1850 in London, wo er auch stirbt.
Massenbach ist württ. Major und Adjutant von König Wilhelm. Er erscheint in Blau und Gold, den Balkenfarben seines Familienwappens. Sie finden sich auch auf den Büffelhörnern des Helms. Er ist Cousin von Seckendorff auf Tafel 11.
Berlichingen ist von kundigen Zeitgenossen sofort als solcher an den Zeichen seines Wappens zu erkennen. Sein schwarzer Schild trägt ein Rad mit fünf Speichen und auf seinem Helm sitzt ein Wolf mit Lamm im Rachen. Beides ist silbern gehalten. Berlichingen gehört zunächst dem 2. Kürassier-Regiment „König Maximilian von Bayern“ an. Dann wird er Kgl. württ. Kammerherr.
Turnierpferd und Turnierherr Kronprinz Karl
Tafel 6: Das Turnierpferd von Kronprinz Karl von Württemberg wird von einem Pferdewärter vorgeführt. Die edle Anspannung des Hengstes mit kgl. Landeswappen steht in Kontrast zu dem Pagenquartett mit Helm, Schwert, Schild und Lanze.
Tafel 6 nach dem Faksimile von 1985. Bei den späteren Kampfspielen spricht Hackländer von „dem prachtvollen Schimmelhengst, wohl unstreitig eines der edelsten arabischen Pferde, die in der Bahn erschienen.“
Tafel 7: „Costume, Pferd und Waffen des Turnierherrn Seine Königliche Hoheit der Kronprinz Karl von Württemberg“, gezeichnet von J. B. Zwecker.
Hier zitierte ich einmal den vollen Text auf dem halbtransparenten Papierbogen, den es zwischen den Tafeln zum Schutz der Farblithographien gibt. Der junge Thronfolger (1823-1891, ab 1864 König) zeigt sich als Kreuzritter in entsprechender Aufmachung auf einem edlen Araberrappen. Sehr schön sind auch seine Begleiter skizziert.
Auch nahe Verwandte von ihm nehmen an dem Caroussel teil. Es sind seine Schwäger Prinz Friedrich von Württemberg (Tafel 18), Prinz Hermann von Sachsen-Weimar-Eisenach (Tafel 22) und Graf Alfred von Neipperg (Tafel 20).
Beste Kenner des Arabischen Vollbluts
Tafel 8: Freiherren Wilhelm von Taubenheim (1805-1894)) und Julius von Hügel (1810-1884), gezeichnet von J. B. Zwecker.
Die beiden herausragenden Kenner des Arabischen Vollbluts reiten in ruhiger Formation nach dem Turnierpferd des Kronprinzen in die Bahn. Der goldene Ritter ist Taubenheim. Ihm kam 1840 im Orient die Idee eines solchen Freundschaftsturniers zwischen Abend- und Morgenland, wie Hackländer berichtet.
Taubenheim ist Schwager von Graf Wilhelm von Württemberg (Tafel 9), Kgl. württ. Kammerherr, dann Oberst-Stallmeister, später Präsident des Oberhofrates und Kommendator des Johanniter-Ordens. 1859 in den Grafenstand erhoben, bleibt er engster Berater des Königs in Sachen Araberzucht. Als sein Freund ist er 1864 bis kurz vor seinem Tod bei ihm. 1840/41 unternimmt er die Orientreise mit Hackländer (Tafel 27) zum Erwerb von Vollblutarabern. Sie reiten bis nach Konstantinopel und von Damaskus nach Ägypten. Bei Medina kaufen sie CHAM (vgl. Tafel 27).
Hügel ist seit 1833 Stallmeister und ab 1852 Direktor des Kgl. Privatgestüts. 1852 und 1860/61 macht auch er Reisen nach Ägypten, um Vollblutaraber bei Abbas Pascha zu erwerben. 1861 ist er beteiligt an einem Buch über „Die Gestüte und Meiereien SM des Königs Wilhelm von Württemberg“, das ich mehrfach zitiere.
Obige Szene zeigt Taubenheim und Hügel im späteren Verlauf des Kampfspiels. Hackländer schreibt: „… zum Schluss zogen beide Ritter ihre Schwerter und attakirten sich mit einer beispiellosen Gewandtheit. Bald waren sie hart zusammen, so dass ihre Arme sich berührten, bald fuhren sie auseinander, um alsdann wieder heftiger zusammen zu prallen. Natürlich war von einem Siege nicht die Rede. …“