Leonardo, Velázquez, Falconet, Jacques-Louis David – Heerführer und Herrscher auf steigendem Pferd: eine Heldenserie mit Levade. Ich starte die Phalanx von Meisterwerken mit Leonardo da Vinci und seiner Skizze zum Reiterdenkmal Francesco Sforza, um 1488/89, Silberstift auf blau getöntem Papier, 15,2 x 18,8 cm, London, Windsor Castle, Royal Library, Foto Wikimedia.
Leonardo ist seit 1482 in Diensten von Ludovico Sforza (1452-1508), dem späteren Herzog von Mailand. Er erhält den Auftrag, dessen gleichnamigen Vater (1401-1466) mit einem Reiterstandbild zu ehren. Dem genialen Florentiner erscheint als erstem ein steigendes Pferd als angemessen für einen erfolgreichen Condottiere.
Doch ist diese großartige Idee zunächst aus technischen Gründen nicht realisierbar. Gleichwohl ist Leonardos Entwurf die Vorstufe für alle späteren Gemälde und Reiterstandbilder mit steigendem Pferd. So auch für Napoleon auf dem Großen St. Bernhard.
Diego Velázquez, Reiterbildnis Philipp IV. von Spanien, 1634/35, Öl auf Leinwand, 303 x 317 cm, Madrid, Museo del Prado, Foto Stern, Wikimedia
Der junge König (1605-1666) erscheint in dem großformatigen Meisterwerk als Heerführer und Herrscher. Velázquez (1599-1660) zeigt ihn beim souveränen Vorführen einer Levade. Der Bildtypus steht fortan für königliche Majestät.
Das erste Reiterstandbild mit steigendem Pferd
Pietro Tacca, Reiterstandbild Philipp IV. von Spanien, 1634-40, Bronze, Madrid, Plaza de Oriente, Foto Wikimedia
Dies ist das erste Standbild eines steigenden Pferdes mit Reiter in der Geschichte der Kunst. Rund 150 Jahre nach Leonardos Plänen gelingt der diffizile Guss Pietro Tacca (1577-1640) aus Florenz. Dieser hatte als ehemaliger Schüler des großen Bildhauers Giambologna (1529-1608) nach dessen Entwurf das Bronzestandbild Ferdinando I. de‘ Medici zu Pferd ausgeführt. In Madrid orientiert sich Tacca an dem gezeigten Gemälde von Velázquez. Die Levade ist für ein Pferd mit Reiter ein Moment enormer Anspannung. Für einen Bildhauer und Bronzegießer bedeutet sie eine vertrackte Aufgabe – im Hinblick auf Gusstechnik und statische Probleme.
Wendung zur Raumtiefe
Diego Velázquez, Reiterbildnis Conde-Duque de Olivares, um 1636, Öl auf Leinwand, 313 x 242,5 cm, Madrid, Museo del Prado, Foto Wikimedia
Der gewichtige Gaspar de Guzmán, Graf von Olivares (1587-1645), selbstbewusster Vertrauter von König Philipp IV., Minister und Förderer des Künstlers, erscheint als Feldmarschall mit Federhut, Prachtharnisch und Kommandostab. Er ist auf dem Weg zum Schlachtgetümmel. Im Vergleich mit der scheinbar anlasslosen, rahmenparallelen Pose des Königs zeigt die seine einen ähnlichen Anspruch. Doch er wendet sein Pferd vom Betrachter weg. Nur seine Funktion in der Schlacht rechtfertigt die herrschernahe Darstellungsform. Olivares‘ Aktion und Haltung, sein leicht herablassender Blick über die Schulter, sowie die Lebendigkeit von Landschaft und Himmelsraum bezeugen die unerhörte Meisterschaft von Spaniens größtem Maler.
Ein verwandtes Selbstverständnis wie Olivares vermittelt Napoleon bei Jaques-Louis David.
René-Antoine Houasse, Reiterbildnis König Ludwig XIV., um 1674, Öl auf Leinwand, 255 x 200 cm, Schloss Versailles, Foto Wikimedia
Houasse (1645-1710) zeigt den „Sonnenkönig“ (1638-1715) in mittlerem Alter. In höfischer Pracht wirkt er weniger militärisch als Philipp IV. von Spanien. Es geht wie bei Olivares um eine Schlacht. Doch die Truppen in halber Ferne wirken ruhig wie der Herrscher mit seinem direkten Blick auf uns.
Houasse war ein Schüler von Charles Le Brun (1619-1690), mit dem er an der Ausstattung von Versailles arbeitete. Von 1669 an leitet er die Académie de France in Rom.
Vorbild für Napoleons Darstellung
Étienne-Maurice Falconet, Reiterstandbild Zar Peter der Große, 1782, Bronze auf einem Findling, Gesamthöhe 13,6 m, St. Petersburg, Senatsplatz
Als Wahrzeichen der Stadt ist das meisterhafte, allgemein bewunderte Werk vor allem unter dem Namen „Der eherne Reiter“ bekannt. Er geht zurück auf ein Gedicht Alexander Puschkins von 1833. Zarin Katharina die Große (1729-1796) hat das Denkmal zum Ruhm ihres Vorgängers (1672-1725) in Auftrag gegeben. Peter war auch körperlich groß. Die Angaben variieren zwischen 201 und 215 cm. Falconet (1716-1791) orientiert sich zeitgemäß an der Antike. Der Zar erscheint mit Lorbeerkranz, Toga, Sandalen und auf einem Fell sitzend. Die antikisierende Heroisierung des Herrschers verknüpft Erinnerungen an Marc Aurel mit solchen an Russlands Nationalheiligen, den Drachentöter St. Georg. Denn mit der Hinterhand zertritt das Pferd eine Schlange.
Napoleon Nr. 2
Jacques-Louis David, Napoleon auf dem Großen St. Bernhard, 1802, Öl auf Leinwand, 273 x 234 cm, Schloss Versailles, Foto Wikimedia
Zum Schluss dieses Beitrags ein zweiter Auftritt des kühnen Korsen. So wie bei Peter dem Großen das Steigen des Pferdes durch die Schräge des Findlings in seiner Wirkung unterstützt wird, so verwendet auch David die aufsteigende Diagonale des felsigen Geländes als effektives kompositorisches Mittel.
Bei Peter dem Großen verherrlicht ein französischer Künstler einen russischen Zaren. Hier geht es um einen selbstbewußten Heerführer, der als französischer Herrscher wenig später versuchen wird, ganz Russland zu unterjochen. Dem widme ich nun einige Bildfolgen.